Выбрать главу

Die Lampe flackerte, und der Raum wurde düster. Felix bückte sich ruhig, nahm die Lampe, trug sie zu einer Bank in der Ecke des Raumes und füllte Öl nach. Im aufflammenden Licht sah ich, wie Tiro die beiden Sklaven mit großen, feuchten Augen anstarrte.

»Dann war es also Capito, der das Kind getötet hat?« sagte ich ohne rechte Überzeugung wie ein Schauspieler, der den falschen Text spricht.

Felix stand mit fest aufeinandergepreßten Händen da, die Knöchel weiß. Chrestus sah blinzelnd zu mir auf wie ein Mann, der eben aus einem Traum erwacht ist. »Capito?« sagte er leise. »Vermutlich schon. Ich hab dir doch erzählt, daß Magnus und Glaucia weit weg in Rom waren. Wer hätte es sonst sein sollen?«

26

Chrysogonus’ Haus war groß, aber nicht so weitläufig wie Caecilias Villa; trotzdem bogen Tiro und ich, als wir uns ohne Aufilias Hilfe auf die Suche nach der Sklaventreppe machten, irgendwo falsch ab. Nach einem mißglückten Versuch, zum Ausgangspunkt zurückzukehren, fanden wir uns auf einer schmalen Galerie wieder, die auf einen Balkon führte, von wo aus man unser Versteck bei den Zypressen neben der Tür zur Speisekammer einsehen konnte.

Von irgendwo aus dem Innern des Hauses drang eine trällernde Stimme -entweder ein Mann, der unnatürlich hoch, oder eine Frau, die sehr tief sang. Die Stimme wurde lauter, als ich Tiro näher an die Innenwand zog. Der Klang schien von hinter den dünnen Wandteppichen zu kommen. Ich preßte mein Ohr an einen lüsternen Priapus, umgeben von ebenso lüsternen Nymphen, und konnte die Worte fast verstehen.

»Ruhig, Tiro«, flüstere ich und machte ihm Zeichen, mir zu helfen, das untere Ende des Wandbehangs anzuheben und ihn aufzurollen. Dahinter kam ein schmaler, horizontaler Schlitz in der Steinmauer zum Vorschein.

Die Öffnung war so breit, daß zwei Personen bequem nebeneinanderstehen und gemeinsam den Ausblick genießen konnten, der sich auf Chrysogonus und seine Gesellschaft bot. Der hohe Raum, in dem er seine Gäste empfing, erstreckte sich vom Marmorfußboden bis unter das Kuppeldach. Das Fenster, durch das wir hinabblickten, war in einem spitzen Winkel nach unten angebracht, so daß keine Kante unseren Blick versperrte.

Wie alles andere in Chrysogonus’ Haus war auch die Tafel verschwenderisch und überladen. Vier flache Tische, jeweils umgeben von einem Halbkreis von neun Sofas, waren auf der freien Fläche in der Mitte des Raumes arrangiert worden. Cicero oder selbst Caecilia Metella wären empört gewesen bei der Vorstellung, mehr als acht Besucher gleichzeitig zu empfangen - wenige ungeschriebene Gesetze römischer Etikette hielten sich hartnäckiger als die Regel, daß ein Gastgeber nur so viele Gäste um seinen Tisch versammeln sollte, daß er sich problemlos mit allen gleichzeitig unterhalten kann. Chrysogonus hatte viermal so viele Freunde geladen und um Tische versammelt, auf denen sich die Delikatessen stapelten - mit Fischrogen gefüllte Oliven, Schüsseln mit Nudeln, dekoriert mit den ersten frischen Spargelspitzen der Saison, in gelbem Sirup konservierte Feigen und Birnen sowie diverse Geflügelspezialitäten. Die Düfte mischten sich und stiegen in meine Nase. Mein Magen knurrte.

Die meisten der Gäste waren Männer; die wenigen Frauen fielen durch ihre sinnliche Figur auf - keine Ehefrauen oder Geliebte, sondern Kurtisanen. Die jüngeren Männer waren durchgängig schlank und gutaussehend, während die älteren Herren jene gepflegt gelangweilte Miene sehr reicher Männer zur Schau trugen, die sich amüsierten. Ich ließ meinen Blick über die Menge wandern, jederzeit bereit, das Fenster fluchtartig zu verlassen, bis mir klar wurde, daß es recht unwahrscheinlich war, daß einer der Gäste nach oben gucken würde. Alle Augen waren auf den Sänger in der Mitte des Raumes gerichtet, hin und wieder riskierte jemand einen flüchtigen, verstohlenen Blick auf Sulla oder in Richtung eines jungen Mannes, der zappelnd und nägelkauend an dem am wenigsten prominenten Tisch saß.

Der Sänger trug ein wallendes, violettes Gewand mit roten und grauen Stickereien. Unmengen schwarzen Haars mit weißen Strähnchen türmten sich in Wellen und Locken zu einer Frisur von beinahe lächerlicher architektonischer Komplexität. Als er sich in unsere Richtung umdrehte, sah ich sein in feinen Kreide- und Umbraschattierungen getöntes Gesicht mit den sorgfältig überschminkten Fältchen und Hängebacken und erkannte sofort den berühmten Frauendarsteller Metrobius. Ich hatte ihn schon ein paarmal gesehen, nie in der Öffentlichkeit und noch nie auf einer Bühne, immer nur kurz auf der Straße und einmal in Hortensius’ Haus, als der bedeutende Anwalt geruht hatte, mich über seine Schwelle vorzulassen. Sulla hatte sich als junger Mann vor langer Zeit in Metrobius vernarrt, als er noch ein mittelloser Niemand und Metrobius (so sagt man) ein wunderschöner und hinreißender Unterhaltungskünstler war. Trotz der Spuren der Zeit und der Launen des Schicksals hatte Sulla ihn nie verlassen. Nach fünf Ehen, einem Dutzend Affären und zahllosen Abenteuern war es Sullas Beziehung zu Metrobius, die alle anderen überdauert hatte.

War Metrobius früher einmal schlank und schön und vermutlich sogar ein guter Sänger gewesen, so war er heute klug genug, seine Auftritte auf Privatgesellschaften unter treuen Anhängern und sein Repertoire auf komische Nummern und Parodien zu beschränken. Trotz seiner heiseren und gepreßten Stimme haftete seinen schwülstigen Maniriertheiten und den subtilen Gesten seiner Hände und Augenbrauen etwas Besonderes an, das es einem unmöglich machte, den Blick von ihm zu wenden. Sein Vortrag war eine Mischung aus Singen und Rezitieren, wie ein von einer einzelnen Lyra begleiteter Sprechgesang. Gelegentlich, wenn das Thema besonders martialisch wurde, stimmte noch eine Trommel mit ein. Metrobius tat so, als würde er jedes Wort mit äußerstem Ernst vortragen, was die komische Wirkung noch erhöhte. Er mußte schon begonnen haben, den Text abzuändern, bevor wir zufällig dazugekommen waren, denn der junge Poet und aufstrebende Speichellecker, aus dessen Feder der Lobgesang ganz offensichtlich stammte, litt unübersehbar unter den Qualen der Scham.

Wer weiß noch, daß Sulla als junger Geck, hatte kein Heim, keine Schuhe, kein Geld.

Wie entkam er der Gosse, dem Elend, dem Dreck und wurde Roms strahlender Held?

Wie kam er von unten bis ganz an die Spitze? Durch eine Ritze! Durch eine Ritze!

Durch die Spalte, die ausgeleiert und groß gähnend klaffte in Nicopolis’ Schoß!

Das Publikum johlte. Sulla schüttelte verächtlich den Kopf und tat so, als wäre er zutiefst empört. Neben ihm glühte Chrysogonus geradezu vor Entzücken. Am selben Tisch saß noch Hortensius, der dem jungen Tänzer Sorex etwas ins Ohr flüsterte, während Rufus neben ihm gelangweilt und angewidert aussah. Auf der anderen Seite des Raumes wurde der redigierte Dichter weiß wie ein Fischbauch.

Das Lied wurde mit jedem Vers zotiger, und das Publikum lachte immer öfter und freimütiger. Bald brüllte auch Sulla selbst vor Lachen. Derweil biß sich der junge Poet auf die Lippen und rutschte unruhig hin und her, wobei sein Gesicht die Farbe änderte wie ein Stück Holzkohle im Wind, bei jeder Respektlosigkeit wurde es blaß, bei jedem geschundenen Reim knallrot. Nachdem er endlich begriffen hatte, daß es sich um einen Scherz handelte, schien er zunächst erleichtert - immerhin würde niemand ihn für die Travestie verantwortlich machen, und selbst Sulla schien sich zu amüsieren. Er brachte ein ängstliches Lächeln zustande, schmollte dann jedoch nachhaltig, zweifelsohne empört über das, was man aus seiner patriotischen Huldigung gemacht hatte. Die anderen jungen Männer an seinem Tisch wandten ihm, nachdem sie vergeblich versucht hatten, ihn zum Lachen zu bewegen, ihren Rücken zu und lachten um so lauter. Die Römer lieben einen starken Mann, der die Größe hat, über sich selbst zu lachen, und verachten den Schwächling, der das nicht kann.