Das Lied ging weiter. Von unten drang das Echo von Metrobius’ Stimme an unsere Ohren, der einen kindlichen Singsang mit einem grauenhaft kruden griechischen Akzent imitierte:
Sullas Frau ist eine Hure, sein Gesicht ist rot und blau. Sein Gesicht ist voller Pickel, Sullas Frau ist eine Sau.
Das Publikum hielt den Atem an. Einige Anwesende kicherten nervös. Chrysogonus unterdrückte sein goldenes Lächeln. Hortensius hatte sich gerade etwas in den Mund gesteckt und sah sich im Raum um, unsicher, ob er es hinunterschlucken sollte. Der ruinierte junge Dichter sah angeekelt aus -im wahrsten Sinne des Wortes angeekelt, das Gesicht blaß und schweißnaß, als ob er irgendeine Köstlichkeit der Tafel nicht vertragen hätte und sich jeden Moment übergeben müßte.
Die Lyra verstummte, und Metrobius verharrte sehr lange regungslos. Die Lyra schlug einen scharfen Ton an. Metrobius neigte den Kopf. »Nun ja«, sagte er schelmisch, »es ist vielleicht nicht Sophokles oder Aristophanes -aber mir gefällt’s!« Die Spannung löste sich. Der Raum brach in befreites Lachen aus; sogar Rufus lächelte. Hortensius schluckte endlich und griff nach seinem Pokal. Der junge Dichter hielt sich den Bauch vor Schmerzen. Der Lyraspieler zupfte ein paar Akkorde, und Metrobius atmete tief ein. Sein Lied näherte sich dem Ende.
Tiro drehte sich kopfschüttelnd zu mir. »Ich verstehe diese Menschen überhaupt nicht«, flüsterte er. »Was für eine Feier ist das eigentlich?«
Das hatte ich mich auch schon gefragt. »Vielleicht stimmen die Gerüchte ja. Ich glaube, unser geschätzter Diktator und Retter der Republik denkt möglicherweise wirklich über seinen baldigen Rücktritt nach. Dann gibt es jede Menge feierliche Anlässe und Zeremonien, Lobeshymnen, Gedenkreden und die offizielle Veröffentlichung seiner Erinnerungen. Alles sehr steif, förmlich, ehrwürdig und römisch. Aber hier unter seinesgleichen trinkt er lieber und macht einen Witz daraus. Was für ein seltsamer Mensch er doch ist! Aber warte, das Lied ist noch nicht zu Ende.«
Metrobius ließ seine Wimpern klappern und formte seine Hände zu einer demütigen, mädchenhaften Geste, die Parodie schüchterner Jungfräulichkeit. Er öffnete seinen geschminkten Mund und sang:
Beim Kampf der Gladiatoren, da fiel ihr Blick auf ihn.
Sie zeigte ihr Gefallen Ganz keck an seinem Ding.
Das Gelächter war ohrenbetäubend. Sulla selbst beugte sich vor, ließ seine flache Hand auf den Tisch krachen und fiel fast von seinem Sofa.
Chrysogonus lächelte selbstzufrieden und ließ niemanden im Zweifel über die Urheberschaft dieser Zeile. Hortensius warf verspielt einen Spargelspeer in Metrobius’ Richtung; er segelte über dessen Kopf hinweg und traf den jungen Dichter mitten auf die Stirn. Rufus löste sich von Sorex, der ihm lächelnd etwas ins Ohr flüstern wollte. Er sah kein bißchen belustigt aus.
An jenem Tag wurde Fleisch durchbohrt, und viele hat es das Leben gekostet. Auch Sulla zog hurtig sein Schwert, zum Beweis, daß es noch nicht verrostet. Die Dame zeigte sich freudig erregt -
Das Lied wurde vom klirrenden Krachen eines umgestürzten Tisches unterbrochen. Rufus war mit hochrotem Kopf aufgesprungen. Hortensius legte eine Hand auf sein Knie, um ihn zurückzuhalten, aber Rufus riß sich los. »Valeria mag für dich nur eine Halbschwester sein, Hortensius, aber sie ist mein eigenes Fleisch und Blut«, fuhr er ihn an, »und ich werde mir diesen Schmutz nicht weiter anhören. Und sie ist deine Frau«, sagte er, blieb vor dem Sofa des Ehrengastes stehen und starrte Sulla wütend an. »Wie kannst du derartige Beleidigungen dulden?«
Mit einemmal herrschte Stille im Raum. Sulla rührte sich lange Zeit gar nicht, sondern blieb auf einen Ellenbogen gestützt und mit ausgestreckten Beinen sitzen. Er starrte ins Leere und verzog das Kinn, als habe er Zahnschmerzen. Schließlich setzte er seine Füße auf den Boden, richtete sich auf und musterte Rufus mit einer Miene, die gleichzeitig Hohn, Reue und Belustigung widerspiegelte.
»Du bist ein sehr stolzer junger Mann«, sagte er. »Sehr stolz und sehr hübsch, wie deine Schwester.« Er griff nach seinem Wein und nahm einen Schluck. »Aber im Gegensatz zu Valeria scheint es dir an Humor zu mangeln. Und wenn Hortensius nur dein Halbbruder ist, erklärt das vielleicht, warum du über die Hälfte seines Verstandes verfügst, von guten Manieren ganz zu schweigen.«
Er schlürfte noch einmal an seinem Wein und seufzte. »Als ich in deinem Alter war, hat mir vieles an der Welt auch nicht gefallen. Anstatt zu jammern, habe ich mich daran gemacht, sie zu verändern, und das ist mir gelungen. Wenn ein Lied dich beleidigt, mach kein Theater. Schreib ein besseres.«
Rufus stand da und starrte ihn an, die Arme steif herunterhängend, die Fäuste geballt. Ich versuchte mir all die Beleidigungen vorzustellen, die durch seinen Kopf gingen, und flüsterte ein stilles Gebet, daß die Götter seinen Mund geschlossen halten würden. Er öffnete ihn, als wollte er etwas sagen, dann sah er sich wütend um und stolzierte nach draußen.
Sulla lehnte sich auf sein Sofa zurück und sah recht enttäuscht aus, das letzte Wort behalten zu haben. Es herrschte ein unbehagliches Schweigen, das nur von einer flapsigen Bemerkung des Möchtegerndichters unterbrochen wurde: »Das war ein junger Mann, der soeben seine Karriere ruiniert hat!« Von einem Niemand gegen einen jungen Messalla und Schwager Sullas gerichtet, war es eine entsetzlich dumme Bemerkung. Das Schweigen wurde noch drückender, nur vereinzeltes Stöhnen war zu hören, während Hortensius hüstelte.
Allein der Gastgeber zeigte sich unbeeindruckt. Chrysogonus lächelte sein goldenes Lächeln und warf einen herzlichen Blick auf Metrobius. »Ich glaube, es fehlt zumindest noch ein Vers - zweifelsohne der beste, wenn er bis zum Schluß aufbewahrt wurde.«
»Wohl wahr!« Sulla erhob sich mit funkelnden Augen und vom Wein nur ganz leicht schwankend. Er ging in die Mitte des Raumes. «Was für ein wundervolles Geschenk ihr mir alle heute abend gemacht habt! Sogar der kleine Rufus, der sich so töricht und anmaßend benommen hat - so ein feuriger Rotschopf mit so feurigem Temperament, ganz im Gegensatz zu seiner Schwester. Was für ein Abend! Ihr habt mich an alles erinnert, ob ich wollte oder nicht - an die guten wie an die schlechten Tage. Aber die alten Zeiten waren noch immer die besten, als ich jung war und nichts außer Hoffnung, Gottvertrauen und die Liebe meiner Freunde hatte. Damals war ich ein sentimentaler Narr!« Mit diesen Worten nahm er Metrobius’ Gesicht zwischen beide Hände und küßte ihn voll auf den Mund, was das Publikum mit spontanem Applaus quittierte. Als Sulla sich aus der Umarmung löste, sah ich Tränen auf seinen Wangen. Er lächelte und wankte zu seinem Platz zurück, wobei er dem Lyraspieler ein Zeichen gab fortzufahren, als er sich auf sein Sofa fallen ließ.
Das Lied begann aufs neue:
Die Dame zeigte sich freudig erregt ...
Aber Tiro und ich bekamen das Ende nie zu hören. Statt dessen fuhren wir gleichzeitig herum, abgelenkt von demselben unverkennbaren Geräusch -dem metallischen Gleiten einer Stahlklinge, die aus der Scheide gezogen wurde.
Chrysogonus hatte schließlich doch jemanden geschickt, um das obere Stockwerk zu kontrollieren, oder wir hatten uns einfach zu lange an einer Stelle aufgehalten. Eine massige Gestalt löste sich aus dem Schatten der Tür und trat humpelnd in das helle Mondlicht, das vom Balkon hereinfiel. Sein wirres Haar war wie ein Heiligenschein aus blauen Flammen, und der Ausdruck seiner Augen ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. In seiner linken Hand hielt er ein Messer mit einer Klinge so lang wie ein Unterarm -vielleicht dieselbe Klinge, die er benutzt hatte, um wieder und wieder auf Sextus Roscius einzustechen.