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»ln einem Unrechtsstaat ist jede anständige Tat ihrem Wesen nach gefährlich«, sagte Rufus. »Und auch mutig. Ein mutiger Mann wird nicht davor zurückschrecken, sich in Gefahr zu begeben, wenn er einer gerechten Sache dient.«

»Trotzdem, machst du dir keine Sorgen darüber, was nach dem Prozeß passieren könnte? Solch harte Worte gegen Chrysogonus, und selbst Sulla kommt nicht ungeschoren davon. «

»Ist vor einem römischen Gericht Raum für die Wahrheit?« sagte Rufus. »Das ist hier die Frage. Sind wir schon so weit gekommen, daß die Wahrheit als Verbrechen gilt? Cicero setzt seine Zukunft auf den tiefverwurzelten Gerechtigkeitssinn und die Ehrlichkeit der anständigen römischen Bürger. Was könnte ein Mann von seiner Integrität auch anderes tun?«

»Natürlich«, sagte Tiro ernst und nickte. »Er kann nicht anders, als die Verlogenheit und das Unrecht herauszufordern und nach seinen eigenen Prinzipien zu handeln. Bei seiner Persönlichkeit bleibt ihm gar keine andere Wahl.«

Ich stand einsam und vergessen daneben. Während sie beratschlagten und debattierten, schlich ich mich leise davon und schlüpfte zu Bethesda zwischen die warmen Laken meines Bettes. Sie schnurrte wie eine halbschlafende Katze und kräuselte dann argwöhnisch knurrend die Nase, als sie Elektras Parfüm roch. Ich war zu müde, es ihr zu erklären oder sie damit zu necken. Ich hielt sie nicht in meinen Armen, sondern drehte ihr den Rücken zu und ließ mich von ihr umarmen. Und während sich im Atrium Ciceros Stimme aufs neue erhob, glitt ich in einen ruhelosen Schlaf.

29

Die Iden des Mai zogen mit blaßblauer Dämmerung herauf. Ich wachte nur nach und nach auf, verwirrt von meinen Träumen und desorientiert in einem fremden Haus - weder mein Haus auf dem Esquilin noch irgendeines von denen, die ich im Laufe eines rastlosen Lebens bewohnt hatte. Von überall her drangen gedämpfte, eilige Stimmen in mein Zimmer. Warum sollte ein Haus so früh am Morgen schon so geschäftig sein? Ich dachte die ganze Zeit, jemand müsse in der Nacht gestorben sein, aber dann hätte ich von Schluchzen und Klagegeschrei geweckt werden müssen.

Bethesda lag an meinen Rücken gepreßt und hatte einen Arm unter mir hindurchgeschoben, um meine Brust zu umklammern. Ich spürte das weiche, volle Polster ihrer Brüste, das sich mit jedem Atemzug sanft gegen meinen Rücken drückte. Ihr Atem war warm und süß an meinem Ohr. Ich wurde langsam wacher und wehrte mich dagegen wie jemand, der sich an seinen unruhigen Schlaf klammert, obwohl eine dumpfe Verzweiflung über ihm hängt. Ich war durchaus zufrieden mit meinen unglücklichen Träumen und im ganzen völlig gleichgültig gegenüber jeder hektischen Krise, die sich in dem fremden Haus um mich herum zusammenbraute. Ich schloß die Augen und machte die Dämmerung wieder zur tiefen Nacht.

Als ich sie das nächste Mal öffnete, stand Bethesda vollständig angekleidet vor meinem Lager und rüttelte an meiner Schulter. Der Raum war von gelbem Licht erfüllt.

»Was ist los mit dir?« fragte sie. Ich richtete mich sofort auf und schüttelte den Kopf. »Bist du krank? Nein? Dann solltest du dich lieber beeilen. Alle anderen sind schon gegangen.« Sie füllte einen Becher mit kaltem Wasser und reichte ihn mir. »Ich hatte schon geglaubt, sie hätten dich völlig vergessen, bis Tiro zurückgerannt kam und fragte, wo du bleibst. Als ich ihm sagte, daß ich schon zweimal versucht hätte, dich aufzuwecken, du jedoch noch immer im Bett lägest, warf er nur die Hände in die Luft und eilte seinem Herrn hinterher.«

»Wie lange ist das her?«

Sie zuckte die Schultern. »Noch nicht lange. Aber du wirst sie bestimmt nicht mehr einholen, wenn du dich noch kurz waschen und eine Kleinigkeit essen willst. Tiro sagte, du sollst dir keine Sorgen machen, er würde dir einen Platz neben sich vor der Rostra freihalten.« Sie nahm mir den leeren Becher ab und lächelte. »Ich hab die Frau zu Gesicht bekommen.«

»Welche Frau?« Das Bild von Elektra blitzte in meinem Kopf auf; offenbar hatte ich von ihr geträumt, obwohl ich mich nicht mehr daran erinnern konnte. »Und ich hab doch sicher noch irgendwo eine saubere Tunika?«

Sie wies auf einen Stuhl in der Ecke, auf dem meine beste Kleidung ausgebreitet lag. Einer von Ciceros Sklaven mußte sie aus meinem Haus geholt haben. Die Tunika war blütenweiß. Ein Riß im Saum meiner Toga war frisch gestopft. Selbst meine Schuhe waren sauber geputzt und eingeölt.

»Die Frau«, sagte Bethesda noch einmal. »Die Caecilia genannt wird.«

»Caecilia Metella war hier? Heute morgen?«

»Sie kam kurz nach Einbruch der Dämmerung in einer prachtvollen Sänfte hier an. Es gab eine solche Unruhe unter den Sklaven, daß mich der Lärm aus dem Bett gescheucht hat. Sie hat dich schon zweimal in ihr Haus gelassen, stimmt’s? Es muß eine großartige Villa sein.«

»Das ist es auch. Ist sie allein gekommen? Ich meine, nur mit ihrem Gefolge?«

»Nein, der Mann war auch dabei; Sextus Roscius. Flankiert von sechs Wachen mit gezückten Schwertern.« Sie machte eine Pause, und ihr Blick verlor sich in der Ferne, als versuche sie, sich an ein wichtiges Detail zu erinnern. »Einer der Wächter sah sehr gut aus.«

Ich setzte mich aufs Bett, um die Lederriemen meiner Schuhe festzuziehen. »Vermutlich hast du Sextus Roscius selbst nicht weiter beachtet?«

»Oh, doch.«

»Und wie sah er aus?«

»Sehr blaß. Das Licht war natürlich auch noch ziemlich schwach.«

»Hell genug, um dir den Wächter genau anzugucken.«

»Den Wächter hätte ich auch im Dunkeln noch gut gesehen.«

»Da bin ich sicher. Jetzt hilf mir meine Toga anzulegen.«

Auf dem Forum herrschte die unruhige Atmosphäre eines halben Feiertages. Da heute die Iden waren, waren sowohl die Komitien des Volkes als auch die Curia des Senats geschlossen. Ein paar Geldverleiher und Bankiers hatten ihre Büros jedoch geöffnet, und während die Straßen am Rand praktisch leer waren, wurden sie, als ich mich dem Zentrum des Forums näherte, immer voller. Menschen aller Klassen, allein oder in Gruppen, strebten der Rostra zu, umgeben von einer Aura düsterer Spannung. Die Masse, die sich auf dem offenen Platz drängte, war so dicht, daß ich mich unter Einsatz meiner Ellbogen hindurchdrängen mußte. Es gibt nichts, was die Römer mehr fasziniert als ein Prozeß, vor allem wenn er verspricht, mit dem Ruin eines Menschen zu enden.

Inmitten der Massen kam ich an einer luxuriösen Sänfte mit zugezogenen Vorhängen vorbei. Als ich an der Sänfte entlangging, fuhr eine Hand heraus und packte meinen Unterarm. Ich blickte nach unten und war überrascht, daß ein so gebrechliches Glied solche Kraft aufbringen konnte. Die Hand löste ihren Griff und zog sich zurück, wobei sie die deutlichen Abdrücke fünf scharfer Fingernägel auf meiner Haut hinterließ. Der Vorhang teilte sich, und die Hand forderte mich auf, meinen Kopf hineinzustecken.

Caecilia Metella ruhte auf einem Lager von Plüschkissen, sie trug ein weites, violettes Gewand und eine Perlenkette. Ihr spiralförmig aufgetürmtes Haar wurde von einer silbernen Nadel gehalten, deren Kopf mit einem Haufen Lapislazuli verziert war. Rechts hinter ihr saß mit verschränkten Beinen der Eunuch Ahausarus.

»Was denkst du, junger Mann?« fragte sie mit einem heiseren Flüstern. »Wie wird es laufen?«

»Für wen? Cicero? Sulla? Die Mörder?«

Sie runzelte die Stirn. » Mach keine Witze. Für den jungen Sextus Roscius natürlich.«

»Schwer zu sagen. Nur Auguren und Orakel können die Zukunft Vorhersagen.«

»Aber wo Cicero doch so hart gearbeitet hat und mit Rufus’ Hilfe, wird Roscius doch sicher das Urteil bekommen, das er verdient.«

»Wie kann ich das beantworten, wo ich nicht weiß, wie das Urteil lauten soll?«

Sie sah mich finster an und fuhr sich mit ihren langen, hennagefärbten Nägeln über die Lippen. »Was sagst du? Nach allem, was du über die Wahrheit in Erfahrung gebracht hast, kannst du doch unmöglich annehmen, er sei schuldig. Oder doch?« Ihre Stimme zitterte.