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»Wie jeder gute Bürger«, erwiderte ich, »setze ich mein Vertrauen in die römische Justiz.« Ich zog meinen Kopf zurück und ließ den Vorhang fallen.

Irgendwo inmitten der Menschenmenge hörte ich jemanden meinen Namen rufen. In diesem besonderen Moment schien es äußerst unwahrscheinlich, daß irgend jemand, der mich kannte, mir Gutes wünschte; ich drängte weiter, aber eine Gruppe breitschultriger Arbeiter versperrte mir den Weg. Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Ich atmete tief ein und drehte mich langsam um.

Zunächst erkannte ich ihn nicht, weil ich ihn zuvor nur auf seinem Hof von des Tages Arbeit müde und mit schmutziger Toga oder entspannt und voll des Weines gesehen hatte. Titus Megarus aus Ameria sah völlig verändert aus, er trug eine edle Toga, und sein Haar war sorgfältig pomadisiert und gekämmt. Sein Sohn Lucius, der noch nicht alt genug war, eine Toga zu tragen, hatte ein züchtiges, langärmeliges Gewand an. Er strahlte vor atemloser Begeisterung.

»Gordianus, was für ein Glück, daß ich dich in diesem Gedränge treffe! Du ahnst ja nicht, wie gut es einem Bauern vom Land tut, in der Stadt ein bekanntes Gesicht zu sehen -«

»Es ist phantastisch!« unterbrach ihn Lucius. »Was für ein Ort - das hätte ich mir nie vorstellen können. So groß, so schön. Und all die Menschen. In welchem Teil der Stadt lebst du? Es muß wundervoll sein, an einem Ort zu leben, wo immer soviel passiert.«

»Ich hoffe, du verzeihst seine Manieren.« Titus wischte ihm liebevoll eine widerspenstige Strähne aus der Stirn. »In seinem Alter war ich auch noch nie in Rom gewesen. Ich bin insgesamt sowieso nur dreimal hier gewesen - nein, viermal, aber einmal nur für einen Tag. Siehst du da drüben, Lucius, genau wie ich dir erzählt habe, die Rostra - dieser riesige Sockel, verziert mit den Schnäbeln der in der Schlacht eroberten kathargischen Schiffe. Der Redner besteigt sie über eine Treppe auf der Rückseite und spricht dann von einer Plattform auf der Spitze zu seinem Publikum, wo ihn jeder sehen kann. Ich habe einmal den Tribun Sulpicius persönlich von der Rostra reden hören, in den Tagen vor den Bürgerkriegen. «

Ich starrte ihn mit leerem Blick an. Auf seinem Hof in Ameria war ich überrascht von seiner Würde und seinem Charme gewesen, von seiner Aura umfassender Kultiviertheit. Hier auf dem Forum war er seines Elements beraubt wie ein Fisch außerhalb des Wassers. Er zeigte und blökte herum wie das typische Landei.

»Wie lange bist du schon in der Stadt?« fragte ich schließlich.

»Erst seit gestern abend. Wir sind in zwei Tagen von Ameria hergeritten.«

»Zwei sehr lange und anstrengende Tage«, warf Lucius lachend ein und gab vor, seinen Hintern zu massieren.

»Dann hast du Cicero noch gar nicht getroffen?«

Titus senkte den Blick. »Nein, leider nicht. Aber ich habe den Stall in der Subura gefunden und Vespa ihrem Besitzer zurückgegeben.«

»Aber ich dachte, du wolltest schon gestern eintreffen, zu Ciceros Haus kommen und dich von ihm befragen lassen, um zu klären, ob er dich als Zeuge gebrauchen kann.«

»Ja, also... «

»Jetzt ist es zu spät.« - »Ja, das glaube ich auch.« Titus zuckte die Schultern und wandte den Blick ab.

»Ich verstehe.« Ich machte einen Schritt zurück. Titus Megarus wollte mir nicht in die Augen sehen. »Aber du hast dir gedacht, du kommst trotzdem zu dem Prozeß. Einfach nur, um zuzusehen.«

Sein Mund wurde hart. »Sextus Roscius ist - war - mein Nachbar. Ich habe mehr Grund, hier zu sein, als die meisten anderen Menschen.«

»Und noch mehr Grund, ihm zu helfen.«

Titus senkte die Stimme. »Ich habe ihm schon geholfen -die Petition an Sulla, das Gespräch mit dir. Aber in aller Öffentlichkeit seine Stimme erheben, hier in Rom - ich bin Vater, verstehst du nicht? Ich muß an meine Familie denken.«

»Und wenn sie ihn für schuldig befinden und hinrichten, bleibst du wahrscheinlich auch dazu noch hier.«

»Ich habe noch nie einen Affen gesehen«, sagte Lucius fröhlich. »Glaubst du, daß sie ihn wirklich in einen Sack einnähen.«

»Ja«, sagte ich zu Titus, »und sorge auf jeden Fall dafür, daß der Junge es sieht. Das ist ein Anblick, den er bestimmt nicht vergessen wird.«

Titus warf mir einen gequälten, flehenden Blick zu.

Derweil betrachtete Lucius irgend etwas hinter mir, von der Aufregung des Prozesses und der Pracht des Forums so in Anspruch genommen, daß er nichts weiter wahrnahm.

Ich drehte mich hastig um und tauchte in der Menge unter. »Vater, ruf ihn zurück - wie sollen wir ihn hier je wiederfinden?« Aber Titus Megarus rief meinen Namen nicht.

Die Menschenmasse drängte sich plötzlich zusammen, weil ein Trupp Gladiatoren einem im Gewühle unsichtbaren Würdenträger einen Weg direkt zur Richterbank jenseits der Rostra bahnte. Ich geriet in einen Strudel aus Leibern und drängte dagegen an, bis meine Schultern plötzlich auf etwas Festes und Unnachgiebiges stießen - der Sockel eines Standbilds, das sich wie eine Insel aus einem Meer von Körpern erhob.

Ich blickte nach oben in die geblähten Nüstern eines vergoldeten Schlachtrosses. Auf dem Rücken des Tieres saß der Diktator persönlich, in seiner Generalsuniform, allerdings ohne Kopfbedeckung, damit sein triumphierendes Gesicht nicht verdeckt wurde. Der glänzende, strahlende Krieger auf seinem Pferd war beträchtlich jünger als der Mann, den ich im

Haus von Chrysogonus gesehen hatte, aber dem Bildhauer war es gelungen, das kräftige Kinn und die unerschütterliche, unerträgliche Selbstgewißheit seiner Augen realistisch abzubilden. Sie blickten nicht auf das Forum, die Menschenmassen oder die Richterbank hinab, sondern direkt auf die Rednertribüne auf der Rostra, so daß jeder, der es wagte, sie zu besteigen, dem obersten Hüter des Staates direkt in die Augen sehen mußte. Ich trat einen Schritt zurück und betrachtete die Inschrift, die schlicht lautete: L. CORNELIUS SULLA, DIKTATOR, EWIG GLÜCKLICH.

Eine Hand ergriff meinen Arm. Ich drehte mich um und sah den auf seine Krücke gestützten Tiro. »Gut«, sagte er, »daß du doch noch gekommen bist. Ich hatte schon Angst -nun, egal. Ich habe dich von gegenüber gesehen. Hier entlang, mir nach.« Er humpelte durch die Menge und zog mich hinter sich her. Ein bewaffneter Wächter nickte ihm zu und ließ uns die Absperrung passieren. Wir überquerten eine freie Fläche direkt vor der Rostra. Der verkupferte Schnabel eines uralten Schlachtschiffes in der Form eines alptraumhaften Wesens mit gehörntem Schädel hing bedrohlich über unseren Köpfen. Das Ding starrte auf uns herab und sah fast lebendig aus. An Alpträumen hatte es Kathargo nie gemangelt; als wir die Stadt vernichteten, gab sie ihre bösen Träume an Rom weiter.

Die Fläche vor der Rostra war ein kleines, offenes Rechteck. Auf der einen Seite stand die Menge der Zuschauer, aus der sich die Sulla-Statue wie eine felsige Insel erhob. Die Zuschauer standen dicht gedrängt und sahen einander über die Schulter, abgesperrt durch einen Kordon von Gerichtsbeamten. Auf der anderen Seite standen eine Reihe von Bänken für Freunde der Prozeßgegner und Zuschauer, die zu bedeutend waren, um zu stehen. In einer Ecke des Rechtecks, zwischen Zuschauern und Rostra, standen die Bänke der Anklage und der Verteidigung. Direkt vor der Rostra waren auf einer Reihe von niedrigen Rängen die Stühle der fünfundsiebzig aus dem Senat gewählten Richter aufgestellt.

Ich ließ meinen Blick über die Gesichter der Richter wandern. Einige dösten, andere lasen. Wieder andere saßen oder disputierten miteinander. Einige zappelten nervös auf ihren Sitzen hin und her, offenkundig wenig begeistert über die Pflicht, die ihnen zugefallen war. Andere schienen ihren gewohnten Geschäften nachzugehen, hatten Sklaven zum Diktat um sich geschart und schickten Angestellte hin und her. Jeder von ihnen trug die Toga eines Senators, was sie vom Pöbel, der jenseits des Kordons randalierte, abhob. Früher einmal bestanden Gerichte aus Senatoren und gemeinen Bürgern. Sulla hatte dem ein Ende gemacht.