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Der junge Sextus Roscius heckte einen teuflischen Plan aus, seinen Vater zu töten. Die genauen Einzelheiten kennen wir nicht, woher auch. Nur dieser Mann könnte sie uns erzählen, wenn er es wagt zu gestehen. Wir kennen lediglich die nackten Tatsachen. An einem Abend im September wurde Sextus Roscius pater nach dem Verlassen des Hauses seiner Patronin, der hochgeschätzten Caecilia Metella, in der Nähe der Bäder der Pallacina angegriffen und erstochen. Von Sextus Roscius filius persönlich? Natürlich nicht! Erinnert euch des Aufruhrs des vergangenen Jahres, werte Richter. Ich muß nicht weiter auf die Ursachen eingehen, weil dies kein politischer Gerichtshof ist, aber ich möchte an die Welle der Gewalt erinnern, die durch die Straßen dieser Stadt wogten. Wie leicht muß es für einen Ränkeschmied, wie den jungen Sextus Roscius, gewesen sein, gedungene Mörder zu finden, die diese Arbeit für ihn erledigten. Und wie gerissen der Versuch, die Tat als eine Hinrichtung zu inszenieren, in der Hoffnung, daß die Ermordung seines Vaters inmitten des allgemeinen Aufruhrs übersehen werden könnte.

Den Göttern sei Dank für einen Mann wie Magnus, der seine Augen und Ohren offen hält und keine Angst hat, nach vorn zu treten und die Schuldigen anzuklagen! Noch in derselben Nacht suchte ihn sein treuer Freigelassener Mallius Glaucia hier in Rom auf, um ihm vom Tod seines geliebten Vetters zu berichten. Magnus schickte Glaucia auf der Stelle los, die Nachricht seinem guten Vetter Capito daheim in Ameria zu überbringen.

Und nun nimmt diese tragische Geschichte eine bitterironische und doch seltsam-gerechte Wendung. Durch eine eigenartige Laune des Schicksals sollte dieser Mann das Vermögen, für dessen Besitz er einen Vatermord begangen hatte, nicht erben. Wie ich bereits erwähnt habe, ist dies kein politischer Gerichtshof, und es ist auch kein politischer Prozeß. Wir haben es hier nicht zu tun mit den drastischen Maßnahmen, die zu ergreifen der Staat in den hinter uns liegenden Jahren des Aufruhrs und der Ungewißheit gezwungen war. Also werde ich erst gar nicht versuchen, den kuriosen Lauf der Ereignisse zu beschreiben, durch den der Name von Sextus Roscius pater, allem Anschein nach doch ein guter Mensch, sich trotzdem auf den Proskriptionslisten wiederfand, als einige gewissenhafte Staatsbeamte die Angelegenheit seines Todes überprüften. Irgendwie war der alte Herr seit Monaten mit dem Leben davongekommen! Was für ein glücklicher Mensch er gewesen sein muß oder aber wie gerissen!

Und doch - welche Ironie! Filius tötet pater, um sich die Erbschaft zu sichern, nur um festzustellen, daß diese Erbschaft bereits vom Staat beansprucht wurde! Stellt euch seinen Kummer vor! Seine Enttäuschung und Verzweiflung! Die Götter haben diesem Mann einen grausamen Streich gespielt, aber wer könnte ihnen ihre unendliche Weisheit und ihren Sinn für Humor absprechen?

Der Besitz des verstorbenen Sextus Roscius wurde ordnungsgemäß bei einer Auktion versteigert. Die guten Vettern Magnus und Capito gehörten zu den ersten Bietern, da sie mit den Gütern bestens vertraut waren und ihren Wert kannten, und wurden so, was sie von Anfang an hätten sein sollen, die Erben des verstorbenen Sextus Roscius. So belohnt das Schicksal bisweilen die Gerechten und bestraft die Bösen.

Und was geschah nun - mit diesem Mann? Magnus und Capito verdächtigten ihn, seinen Vater ermordet zu haben, ja sie waren sich fast sicher. Aber aus Mitleid mit seiner Familie boten sie ihm Obdach auf ihren neu erworbenen Gütern. Eine Zeitlang herrschte ein unsicherer Friede zwischen den Vettern - das heißt, bis Sextus Roscius sich selbst verriet. Zunächst wurde entdeckt, daß er verschiedene Gegenstände des Besitzes zurückgehalten hatte, der rechtmäßig vom Staat konfisziert worden war - mit anderen Worten, daß er nicht besser war als ein gemeiner Dieb, der dem römischen Volk stiehlt, was ihm nach Gesetz und Recht gehört. (Ah, werte Richter, der Vorwurf des Betrugs ruft bei euch nur ein müdes Gähnen hervor, und mit Recht - denn was ist das schon im Vergleich zu seinem viel größeren Verbrechen?) Als Magnus und Capito ihn aufforderten, diese Dinge herauszugeben, bedrohte er ihr Leben. Nun, wenn er nüchtern gewesen wäre, hätte er seine Zunge wahrscheinlich im Zaum gehalten. Aber seit dem Tod seines Vaters hatte er mit dem Trinken angefangen - wie man das oft von Schuldigen hört. Für-wahr, zu all seinen anderen Lastern war jetzt auch noch die Trunksucht gekommen, und Sextus Roscius war kaum je nüchtern. Er wurde unerträglich beleidigend und ging sogar soweit, Drohungen gegen seinen Gastgeber auszustoßen. Er drohte tatsächlich, sie umzubringen - und indem er ihr Leben bedrohte, gestand er versehentlich auch den Mord an seinem Vater.

Weil er um sein eigenes Leben fürchtete und weil es seine Pflicht war, beschloß Magnus, Anzeige gegen diesen Mann zu erstatten. In der Zwischenzeit konnte Roscius entkommen und nach Rom flüchten, zurück zum Tatort seines Verbrechens; aber das Auge des Gesetzes erblickte ihn auch im Herzen Roms, und selbst in einer Stadt von einer Million Menschen konnte er sich nicht verstecken.

Sextus Roscius wurde aufgespürt. Normalerweise gibt man einem römischen Bürger, ungeachtet welch verabscheuungswürdigen Verbrechens er auch angeklagt sein mag, die Möglichkeit, seine Bürgerrechte niederzulegen und ins Exil zu fliehen, anstatt sich einem Prozeß zu stellen, wenn das seine Wahl ist. Aber das Verbrechen, das dieser Mann begangen hat, war so schwer, daß man ihn unter Arrest stellte, damit er seinem Prozeß und seiner Bestrafung nicht entgehen konnte. Und warum? Weil das Verbrechen, das er begangen hat, weit über das Vergehen eines Sterblichen gegen einen anderen hinausgeht. Es ist ein Schlag gegen die Grundfesten dieser Republik und die Prinzipien, die sie groß gemacht haben. Es ist ein Anschlag auf den Vorrang der Vaterschaft. Es ist eine Beleidigung der Götter selbst, und vor allem eine Beleidigung Jupiters, des Vaters aller Götter.

Nein, der Staat kann nicht das geringste Risiko eingehen, daß ein solch abscheulicher Verbrecher flieht, genausowenig wie ihr, werte Richter, das Risiko eingehen könnt, ihn unbestraft zu lassen. Denn wenn ihr das tut, bedenkt die Strafe der Götter, die diesen Staat mit Sicherheit heimsuchen wird, um unser Versagen zu ahnden, ein derartiges Scheusal vom Antlitz der Erde zu tilgen. Denkt an die Städte, deren Straßen von Blut überflutet waren oder deren Bevölkerung elend an Hunger und Durst zugrunde gegangen ist, weil sie törichterweise einem gottlosen Mann Schutz vor dem Zorn der Götter gewährt haben. Ihr dürft nicht zulassen, daß dasselbe in Rom geschieht.«

Erucius machte eine Pause, um sich die Stirn abzuwischen. Alle Augen auf dem Platz waren mit geradezu traumwandlerischer Konzentration auf ihn gerichtet. Cicero und seine Anwaltskollegen rollten nicht mehr mit den Augen oder spotteten hinter vorgehaltener Hand über Erucius; sie sahen vielmehr recht besorgt aus. Sextus Roscius war zu Stein erstarrt.

Erucius faßte zusammen. »Ich habe von dem Frevel gegen den göttlichen Jupiter gesprochen, den dieser Mann durch sein unsagbar abscheuliches Verbrechen verübt hat. Es ist auch, wenn ihr mir diese kleine Abschweifung erlaubt, ein Frevel gegen den Vater unserer wiederhergestellten Republik!«

An dieser Stelle breitete Erucius mit großer Geste die Arme aus, als wolle er das Reiterstandbild Sullas anflehen, der ihm, so wirkte es von meinem Platz aus, ein herablassendes Lächeln gönnte. »Ich muß seinen Namen nicht aussprechen, weil sein Auge hier und jetzt auf uns allen ruht. Ja, sein wachsamer Blick liegt auf allem, was wir an diesem Ort tun in unserer pflichtgemäßen Rolle als Bürger, Richter, Anwälte und Ankläger. Lucius Cornelius Sulla, der ewig Glückliche, hat die Gerichtsbarkeit wiederhergestellt. Sulla hat die Fackel der römischen Justiz nach so vielen Jahren der Dunkelheit neu entzündet; es ist an uns, dafür zu sorgen, daß Übeltäter wie dieser Mann von ihrer Flamme zu Asche verbrannt werden. Sonst, das verspreche ich euch, werte Richter, wird die Rache von oben über unser aller Häupter niedergehen wie Hagel von einem wütenden schwarzen Himmel.«