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Ciceros Lächeln verflog. »Bitte, Lucia Sulla, verzeih ihm seine Unverschämtheit.«

»Dann beantworte meine Frage, anstatt deinen Sklaven für dich sprechen zu lassen. Als sie dir erzählten, daß Sextus Roscius unschuldig wäre, hast du ihnen geglaubt?«

»Ja, das habe ich«, sagte Cicero seufzend. Er preßte die Fingerspitzen gegeneinander und spreizte die Finger. Er sah mich kurz an und betrachtete dann wieder seine Hände. »Anfangs.«

»Ah.« Jetzt war es Sulla, um dessen Lippen ein unergründliches Lächeln spielte. » Ich dachte mir schon, daß du zu schlau bist, um dich länger täuschen zu lassen. Wann hast du die Wahrheit erfahren?«

Cicero zuckte die Schultern. »Ich habe fast von Beginn an einen Verdacht gehabt, obwohl das nie einen Unterschied gemacht hat. Es gibt noch immer keinen Beweis, daß Sextus Roscius sich mit seinen beiden Vettern verschworen hat, seinen Vater ermorden zu lassen.«

»Keinen Beweis?« Sulla lachte. »Ihr Anwälte! Auf der einen Seite gibt es immer Beweise und Indizien. Und auf der anderen Seite ist die Wahrheit.« Er schüttelte den Kopf. »Diese gierigen Idioten, Capito und Magnus, haben gedacht, sie könnten ihren Vetter Sextus verurteilen lassen, ohne ihre Beteiligung an dem Verbrechen eingestehen zu müssen. Wie konnte sich Chrysogonus nur mit solchem Abschaum einlassen?«

»Das verstehe ich nicht«, flüsterte Tiro. Man hätte seinen Gesichtsausdruck komisch finden können, wenn darin nicht so viel Schmerz und Verwirrung gelegen hätte. Er tat mir leid. Ich tat mir selber leid. Bis zu diesem Augenblick hatte ich mich krampfhaft bemüht, mich an dieselbe Illusion zu klammern, der Tiro so mühelos nachhing - dem Glauben, daß alle unsere Arbeit für Sextus Roscius einen höheren Zweck als politische Intrigen oder persönlichen Ehrgeiz hatte, daß wir einer Sache gedient hatten, die Gerechtigkeit hieß. Dem Glauben, daß Sextus Roscius am Ende doch unschuldig war.

Sulla zog die Brauen hoch und räusperte sich verächtlich. »Dein vorlauter Sklave begreift es nicht, Cicero. Bist du etwa kein aufgeklärter Römer? Kümmerst du dich nicht um die Ausbildung des Jungen? Erklär es ihm.«

Cicero betrachtete seine Hände. »Ich dachte, du hättest sie dir selbst zusammengereimt. Das hab ich ehrlich geglaubt. Gordianus weiß Bescheid, denke ich. Oder nicht, Gordianus? Laß ihn alles erklären, dafür wird er schließlich bezahlt.«

Tiro sah mich so flehend an, daß ich gegen meinen Willen den Mund auftat. »Es war alles wegen der Hure«, sagte ich. »Weißt du noch, Tiro, das Mädchen Elena, das im Haus der Schwäne gearbeitet hat...«

Sulla nickte weise, hob jedoch einen Finger, um mich zu unterbrechen. »Du eilst der Geschichte voraus. Der jüngere Bruder...«

»Gaius Roscius, ja. Ermordet von seinem Bruder im gemeinsamen Elternhaus. Vielleicht haben sich die Einheimischen täuschen lassen, aber die Symptome sind wohl kaum durch den Verzehr von eingelegten Pilzen hervorgerufen worden.«

»Koloquinte«, schlug Cicero vor.

»Wilder Kürbis? Möglicherweise«, sagte ich, »vor allem in Verbindung mit anderen genießbaren Giften. Ich habe einmal von einem Fall in Antiochia gehört mit ganz ähnlichen Symptomen - das Erbrechen purer Galle gefolgt von einem Blutschwall und unmittelbar darauf dem Tod. Vielleicht hat sich Sextus schon damals mit seinem Vetter Magnus abgesprochen. Ein Mann mit Magnus’ Beziehungen kann in Rom praktisch jedes Gift auftreiben, für den entsprechenden Preis.

Was das Motiv angeht, so hatte Sextus Roscius pater mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor, seinen älteren Sohn zugunsten von Gaius zu enterben, zumindest war Sextus filius fest davon überzeugt. Ein verbreitetes Verbrechen aus einem gewöhnlichen Motiv. Aber das war nicht das Ende der Geschichte.

Vielleicht hatte der alte Herr Sextus in Verdacht, Gaius getötet zu haben. Vielleicht hat er ihn auch einfach so sehr verabscheut, daß er nach irgendeinem Vorwand suchte, ihn dann noch zu enterben. Zur selben Zeit verliebte er sich in die hübsche junge Hure Elena. Als sie schwanger wurde, ob von Roscius oder nicht, hegte der alte Mann den Plan, sie zu kaufen, freizulassen und das freigeborene Kind zu adoptieren. Offenbar war er nicht in der Lage, sie sofort zu erwerben; wahrscheinlich hat er den Handel vermasselt - der Bordellbesitzer witterte seinen Eifer und trieb den Preis in absurde Höhen, weil er glaubte, einen verkalkten, liebeskranken alten Witwer ausnehmen zu können. Das sind natürlich Mutmaßungen -«

»Mehr als das«, sagte Sulla. »Es gibt, oder besser, es gab konkrete Beweise: einen Brief an seinen Sohn, den Roscius der Ältere seinem Sklaven Felix diktierte, der dadurch den Inhalt kennt. Laut Felix hatte der Alte im Suff einen Wutanfall. In seinem Brief drohte er ausdrücklich mit dem, was du gerade vermutet hast - der Enterbung von Sextus Roscius zugunsten eines noch ungeborenen Sohnes. Das Dokument wurde anschließend vernichtet, aber der Sklave erinnert sich noch daran.«

Sulla hielt inne, damit ich fortfahren sollte. Tiro sah erst Cicero, der seinen Blick nicht erwiderte, und dann voller Verzweiflung mich an. »Also beschloß Sextus Roscius, seinen Vater umzubringen«, sagte ich. »Natürlich konnte er das nicht selber tun. Die drei trafen ein Abkommen. Sextus sollte das Vermögen seines Vaters erben und seine Vettern später auszahlen. Es muß so etwas wie eine Versicherung gegeben haben...«

»ln der Tat«, sagte Sulla, »es gab eine Art schriftlichen Vertrag. Eine Absichtserklärung gewissermaßen, den alten Roscius zu erledigen, in dreifacher Ausfertigung von allen dreien unterzeichnet. Jeder bekam eine Kopie, so daß sie sich gegenseitig erpressen konnten, falls sie sich Überwerfen sollten. «

»Aber sie überwarfen sich trotzdem«, sagte ich.

»Ja.« Sulla rümpfte die Nase, als hätte die ganze Geschichte einen unangenehmen Geruch. »Nach dem Mord versuchte Sextus Roscius seine Vettern reinzulegen. Er wurde Alleinerbe des gesamten Besitzes; wie hätten sie ihm den wieder abnehmen können, wo das Schriftstück, das die drei unterzeichnet hatten, doch für alle Beteiligten gleich belastend war? Sextus Roscius muß sich für sehr schlau gehalten haben; was für ein Dummkopf er war, eine Abmachung mit derartigen Geiern zu brechen.«

Sulla atmete tief ein und fuhr fort. »Allem Anschein nach kam Capito auf die Idee mit der falschen Proskription; Magnus kannte Chrysogonus von irgendeiner zwielichtigen Transaktion und sprach ihn auf den Plan an - wie oft habe ich den Jungen schon gewarnt, er soll sich sein gesundes Urteilsvermögen nicht durch Habgier vernebeln lassen? Ach ja! Der alte Roscius wurde geächtet und sein Besitz vom Staat beschlagnahmt; Chrysogonus selbst kaufte ihn auf und teilte die Güter, wie vorher verabredet, unter sich, Capito und Magnus auf. Sextus Roscius ging leer aus. Er muß sich wie ein Idiot vorgekommen sein! Aber was konnte er tun? Zu den Behörden rennen mit einem Stück Papier, das ihn gemeinsam mit den anderen des Mordes an seinem Vater beschuldigte?

Natürlich bestand immer die Möglichkeit, daß er in einem Anfall von Wahnsinn oder Schuldgefühlen genau das tun würde, also erlaubte Capito Sextus auf dem alten Familienanwesen zu bleiben, wo er stets ein Auge auf seinen Vetter halten konnte, der in Armut und Schande lebte.«

Tiro, der es nicht wagte, Sulla direkt anzusprechen, blickte zu mir. »Aber was war mit Elena?«

Ich öffnete den Mund, um zu antworten, aber Sulla war zu tief ins Erzählen versunken, um die Geschichte einem anderen zu überlassen. »Die ganze Zeit über plante Sextus Roscius, sein Anwesen irgendwie zurückzubekommen. Das bedeutete, daß das Balg der Hure eines Tages als sein Rivale auftreten könnte oder zumindest doch als Feind. Da hockte er nun und brütete tagein, tagaus über die Nutzlosigkeit seines abscheulichen Verbrechens, über die Bitterkeit des Schicksals, seine eigene Schuld und den Ruin seiner Familie. Und nur wegen Elena und ihrem Kind hatte er sich überhaupt auf den Plan eingelassen, seinen Vater zu ermorden! Als das Baby geboren wurde, brachte er es mit eigenen Händen um.«