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Aber was machte das schon für einen Unterschied?

Er würde sich eine Weile im Land dieses Johannes aufhalten, dann würde er weiterziehen, allein und getrennt von den anderen, und einsam ohne Zweck und ziellos seinen Pfad suchen und seinen verlorenen Enkidu betrauern. Er schien diesem Verhängnis, das auf ihm lastete, nie entrinnen zu können, dieser bitteren Einsamkeit, ob er nun in Glanz und Pracht im Uruk seines alten Lebens regierte oder durch die verlassenen Wüsten dieser Nachwelt wanderte.

»Ihre Exzellenzen P. E. Lovecraft und Howard E. Robert!« rief der Haushofmeister pompös, wenn auch inkorrekt, und stieß dreimal mit der Goldspitze seines Zeremonialstabes aus fahlgrüner Jade auf den schwarzen Marmorboden des Throngemachs. »Gesandte mit Generalvollmacht von Seiner Britannischen Majestät dem Achten König Heinrich aus dem Königreich des Neuen Heiligen Auferstandenen England.«

Lovecraft und Howard traten einige Schritte vor. Yeh-lu Ta-shih nickte knapp und wedelte elegant mit der Hand, an der zentimeterlange Nägel prangten, beiläufig seine formelle Zurkenntnisnahme. Die Generalbevollmächtigten schienen ihn nicht besonders zu interessieren, ebenso wenig anscheinend, zu welchem Zweck Seine Britannische Majestät König Heinrich sie hierher geschickt hatte.

Dann wandte sich der kühle hoheitsvolle Blick des Herrschers Gilgamesch zu, der sich Mühe geben mußte, auf den Füßen zu bleiben. Allmählich fühlte er sich fieberisch und benommen, und er fragte sich, ob er nicht bescheiden darauf hinweisen sollte, daß er an seinem Arm eine eitertriefende Wunde hatte. Schließlich hatte ja sogar seine Toleranz ihre Grenzen, auch wenn er diese Tatsache gewöhnlich zu verbergen trachtete. Er wußte nicht, wie viel länger er es noch durchstehen können würde. Es gab Zeiten, da war der Zwang, sich wie ein Held betragen zu müssen, ein rechter Furunkel am Hintern, und dies war ein solcher Moment.

»…und Seine Verstorbene Erhabenheit Gilgamesch von Uruk, Sohn des Lugalbanda, Großkönig, König von Uruk, König der Könige, Beherrscher des Landes zwischen den Zwei Strömen durch die Gnade Enlils und Ans«, röhrte der Haushofmeister ebenso pompös, wobei er nur einmal auf die Karte in seiner Hand niederzubücken brauchte.

»Großkönig?« fragte Yeh-lu Ta-shih und blickte Gilgamesch so bohrend an, wie es dem Sumerer nur selten einmal geschehen war. »König der Könige? Das sind sehr hochgestochene Titel, Gilgamesch von Uruk.«

»Nichts als eine Floskel«, erwiderte Gilgamesch, »die mir als passend erscheint für die Vorstellung an deinem Hof. Tatsächlich bin ich derzeit König von gar nichts.«

»Aha«, sagte Teh-lu Ta-shih. »Ein König Garnichts.«

Und was bist du, mein Lord Priester Johannes? Gilgamesch sprach es nicht aus, obwohl ihm die Worte an den Gaumen sprudelten und laut gesagt werden wollten. Und Garnichtse sind auch alle die übrigen selbsternannten Lords und Herren der unzähligen Reiche der Nachwelt.

Der schlanke bernsteinhäutige Mann auf dem Thron neigte sich vor. »Und wo, ich bitte, liegt dieses Garnichts?«

Einige Höflinge begannen höhnisch zu kichern. Doch der Priesterkönig schien in allem Ernst zu fragen, obwohl man sich da natürlich unmöglich völlig sicher sein konnte. Gilgamesch hatte rasch begriffen, daß er es hier mit einem ernstzunehmenden Mann zu tun hatte: Einem schlauen, selbstbeherrschten Fuchs mit scharfem, elastischem Verstand. Keineswegs der eitle kleine Lokalgockel, den Gilgamesch in diesem trostlosen hinteren Winkel des Outback zu finden erwartet hatte. So klein und unbedeutend das Fürstentum sein mochte, der Priester Johannes beherrschte es offenbar mit fester Hand. Der großartige schimmernde Palast, den ihm seine schmuddeligen Untertanen am Rand von Nirgendwo errichtet hatten, die klare Struktur der kleinen, aber gutgeplanten Stadt um den Palast legten dafür Zeugnis ab. Gilgamesch verstand einiges vom Bau von Städten und Palästen. Und die Hauptstadt des Priesters Johannes trug die Merkmale jahrhundertelanger unablässiger Anstrengungen.

Der feste lange starre Blick ließ ihn nicht los. Gilgamesch kämpfte gegen den flammenden Schmerz in seinem Arm an und erwiderte den Blick des Kaisers mit einem ebenso festen und ernsthaften Blick seinerseits. Er sagte:

»Garnichts? Es ist ein Land, das es niemals gab und immer geben wird, mein Lord. Es hat keine Grenzen, und seine Hauptstadt ist überall, und keiner von uns verläßt das Land jemals.«

»Ah. Ah. Wirklich, ganz hübsch ausgedrückt. Du bist ein Früher Toter, ja?«

»Ein sehr früher, mein Lord.«

»Früher als Ch’in Shih Huang Ti? Früher als die Herrscher von Shang und Hsia?«

Gilgamesch wandte sich verwirrt an Lovecraft, der ihm zuflüsterte: »Uralte Herrscher in China. Deine Zeit lag noch vor ihnen.«

Gilgamesch zuckte eine Achsel. »Sie sind mir nicht bekannt, mein Lord, aber du hörst ja, was der Gesandte aus Britannien sagt. Er ist ein gelehrter Mann, also muß es wohl so sein. Ich will dir also sagen, daß ich viel älter bin als Caesar, älter als Amenhotep, älter als Belshazzar. Viel älter.«

Yeh-lu Ta-shih überdachte dies kurz. Dann machte er wieder diese knappe Geste der Entlassung, als wischte er die ganze Konzeption der Altersprioritäten in der Nachwelt beiseite. Er lachte trocken. »Also bist du sehr alt, König Gilgamesch. Ich beglückwünsche dich dazu. Trotzdem würde uns das Eisjägervolk versichern, daß du und ich und deine Belshazzars und Amenhoteps, wer immer die sein sollen, allesamt erst gestern hier eingetroffen sind, und aus der Sicht der Haarmenschen sind sogar die Eisjäger selbst einfach Neulinge. Und so weiter und so fort. Es hat keinen Anfang, oder? Ebenso wenig wie es ein Ende gibt.«

Und ohne seine Antwort abzuwarten, fragte er danach Gilgamesch: »Woher hast du diese scheußlich aussehende Wunde, König von Garnichts?«

»Ein Mißverständnis, mein Lord. Es könnte sein, daß deine Grenzsoldaten zuweilen etwas zu großen Eifer zeigen.«

Einer der Höflinge beugte sich zu dem Herrscher und murmelte etwas. Dessen glatte Stirn runzelte sich, und er hob eine makellos geschwungene Braue kaum merklich.

»Du hast neun von ihnen getötet, ja?«

»Sie griffen uns an, ehe wir die Möglichkeit hatten, ihnen unsere Diplomatenpässe zu zeigen«, warf Lovecraft hastig ein. »Es war reine Selbstverteidigung, mein Lord.«

»Daran zweifle ich nicht.« Der Kaiser schien einen Augenblick über das Scharmützel nachzudenken, das neun seiner Reiter das Leben gekostet hatte, aber kurz darauf entließ er auch diese Erwägungen aus dem Fokus seines Interesses.

»Und nun, meine Herren Gesandten…«

Plötzlich schwankte Gilgamesch, taumelte, begann zu fallen. Er fing sich gerade noch rechtzeitig, griff nach einer dicken Porphyrsäule und hielt sich fest, bis er sich wieder sicherer fühlte. Schweiß rann ihm über die Stirn und in die Augen. Ein Frösteln überlief ihn. Der gewaltige Steinpfeiler schien sich zu dehnen und wieder zu schrumpfen. Übelkeit schwoll in ihm auf und ab, plötzlich sah er alles doppelt. Alles verschwamm und wurde vielfach. Er holte tief Luft, wieder und wieder und wieder, und zwang sich, es durchzuhalten. Er fragte sich, ob dieser Priester Johannes irgendein Spiel mit ihm treiben wollte, oder er sehen wollte, wie lange er durchhalten konnte. Nun, wenn es sein mußte, schwor er sich, dann würde er ewig weiter vor diesem Priesterkaiser stehen, ohne sich ein Zeichen von Schwäche anmerken zu lassen.

Doch nun schien Yeh-lu Ta-shih endlich bereit, Mitgefühl zu erweisen. Mit einem Blick zu einem der Pagen sagte er: »Holt meinen Leibarzt und sagt ihm, er soll seine Instrumente und seine Tränke mitbringen. Diese Wunde hätte schon vor einer Stunde versorgt werden müssen.«