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Enkidu erwartete ihn mit funkelnden Augen.

Hemingway machte den Versuch, zwischen sie zu treten. Doch so massiv er auch war, neben Gilgamesch und Enkidu wirkte er wie ein Kind, und sie schoben ihn mühelos beiseite. Mit einem Satz, der den Boden erzittern ließ, sprang Gilgamesch auf Enkidu zu und packte ihn mit beiden Händen.

Enkidu lachte. »Es soll also doch wieder nach deinem Kopf gehen, König Gilgamesch! Also mit bloßen Fäusten!«

»Es ist die einzige anständige Art. Bist du zum Kampf bereit?«

»Ich brenne darauf zu kämpfen, König Gilgamesch!«

Gilgamesch nickte. Endlich! Endlich! Die Wut, die schäumend in ihm tobte, würde ins Freie brechen können. Es gab in dieser und auch in der anderen Welt keinen Ringer, der sich mit Gilgamesch von Uruk messen konnte. Ich will ihn entzweibrechen, so wie er unsere Freundschaft zerbrochen hat. Ich werde ihm das Rückgrat zerreißen. Ich werde ihm die Brust zerquetschen. Er sammelte alle seine Kräfte und drückte und fühlte Enkidus Widerstreben wie von einer Mauer in der Hand, und er preßte erneut. Und wieder stieß er auf diesen Widerstand. Und erneut nahm er seine Kräfte zusammen.

Wie einst vor langer Zeit kämpften sie wie rasende Stiere. Sie glosten sich mit wütenden Augen an. Sie grunzten, schnaubten, brüllten. Gilgamesch schrie in der Sprache von Uruk und allen anderen Sprachen, die ihm einfielen, scharfe Herausforderungen; und Enkidu knurrte und fauchte ihm in der Sprache der Tiere ins Gesicht zurück, die einst sein Ausdrucksmittel gewesen war, als er noch ein Wilder war, mit dem heiseren Brüllen des Steppenlöwen.

Rasende Wut beherrschte nun beide. Gilgamesch verlangte es nach Enkidus Leben. Er liebte diesen Mann mehr als das Leben selbst, und dennoch betete er darum, daß es ihm vergönnt sein möge, Enkidus Rücken zu zerbrechen, das scharfe Knacken hören zu dürfen, wenn ihm die Wirbel zersplitterten, den Leib von sich zu schleudern wie einen alten abgetragenen Mantel. So stark war seine Liebe, daß sie sich in den glühendsten Haß verwandeln konnte. Ich werde ihn in die Finsternis und das Vergessen stürzen, dachte Gilgamesch. Ich werde ihn aus der Nachwelt hinausschleudern.

Doch obwohl er kämpfte wie nie zuvor in einem Zweikampf, er vermochte Enkidu nicht zu bewegen. Die Adern auf seiner Stirn schwollen an, die Nähte an seiner Armwunde barsten und das Blut floß ihm den Arm hinab; aber er rang weiter und wollte Enkidu zu Boden werfen, aber Enkidu hielt ihm immer noch stand. Und war ihm an Stärke gewachsen und konterte jeden Griff mit gleicher Kraft. Und so standen sie lange ineinander verschlungen da, starrten einander in die Augen, verfangen in einem nicht zu durchbrechenden Patt.

Und dann, viel, viel später, grinste Enkidu wild, und der harte Ringergriff verwandelte sich — behutsam, aber unmißverständlich in die warme Umarmung eines unverbrüchlichen Freundes. Und Enkidu sagte, wie er dies einst vor langer Zeit gesagt hatte: »Ach, mein Gilgamesch! Es gibt nicht einen deinesgleichen auf der ganzen Welt! Preis der Mutter, die dich getragen hat!«

Es war, als wäre ein Damm gebrochen, als stürzten die lebenspendenden Wasser wieder über die von der Sommerglut ausgebrannten Gefilde des Landes.

Auch Gilgamesch lockerte und veränderte seinen Griff. Und auch aus ihm kamen in diesem gesegneten Augenblick der Preisgabe und Erlösung Worte, wie sie schon zweimal gesprochen worden waren:

»Es gibt einen, der mir gleicht. Aber nur einen.«

»Nein. Denn dir hat Enlil das Königtum gegeben.«

»Doch du bist mein Bruder«, sagte Gilgamesch, und sie lachten und gaben einander frei aus ihrer Umarmung und traten zurück, als betrachteten sie sich zum erstenmal, und dann lachten sie erneut laut, und jene, die im Kreis um sie herumstanden, schienen sich in Dunst aufzulösen und aus ihrer Sicht zu verschwinden, so daß es in der ganzen Welt nur Gilgamesch und Enkidu und Enkidu und Gilgamesch gab.

»Das ist eine große Torheit«, sagte Enkidu leise, »dieser Kampf zwischen uns.«

»Wahrhaftig, eine ganz gewaltige Torheit, Bruder.«

»Wozu braucht man schon Waffen und Disruptoren.«

»Und warum sollte es mich ärgern, wenn es dir Spaß macht, mit derlei Spielzeug herumzuhantieren?«

»Wahrhaftig, Bruder.«

»Ja, wahrhaftig.«

Gilgamesch blickte sich um. Alle waren verstummt und starrten zu ihnen herüber — die vier Parteibonzen, Lovecraft, Howard, der Haarmensch, Kublai Khan, Hemingway… alle verblüfft und mit offenen Mäulern, wie in einer Betäubungsstarre gefangen. Nur dieser Dr. Schweitzer schien die Bedeutung dieses Moments begriffen zu haben. Er strahlte sie herzlich an. Er kam zu ihnen herüber, spähte zu ihnen herauf und sagte gelassen: »Ihr habt einander nicht verletzt? Gut, sehr gut. Aber dann müßt ihr jetzt gehen. Geht von hier fort, ihr zwei. Gemeinsam! Jetzt! Ihr habt einander gefunden — ihr müßt einander festhalten. Was geht euch der Priester Johannes an und seine Kriege? Oder Mao und seine? Das ist nicht eure Sache. Geht schon. Geht!«

Enkidu grinste. »Was hältst du davon, Bruder? Ziehen wir los und jagen zusammen?«

»Bis ans Ende des Outback und wieder zurück! Du und ich, und sonst keiner!«

»Und wir jagen nur mit unseren Bogen und den Speeren?«

Gilgamesch zuckte die Achseln. »Mit Disruptoren, wenn du es so haben willst. Mit Kanonen. Mit Nuklearsprengköpfen, wenn du das so haben willst. Ach, Enkidu, Enkidu…«

»Gilgamesch!«

»Geht schon!« flüsterte Schweitzer. »Los jetzt! Verschwindet von hier und seht euch nicht um! Auf Wiedersehen! Glückliche Fahrt! In Gottes Namen, geht! Verschwindet jetzt!«

Während er ihnen nachsah, wie sie Seite an Seite durch die wirbelnden Sturmwinde ins Outback stapften, verspürte Robert Howard auf einmal ein Gefühl von schmerzlichem Verlust und Bedauern. Wie wundervoll hatten sie ausgesehen, diese beiden Helden, diese zwei Giganten, als sie miteinander rangen und sich maßen! Und dann, dieser urplötzliche Augenblick, als sie begriffen, wie wahnsinnig ihr Zwist war, und sie nicht länger Feinde waren, sondern wieder Brüder…

… Und nun waren sie fort. Und er stand da inmitten all dieser anderen, dieser Fremdlinge…

Er hatte sich so gewünscht, Gilgamesch ein Bruder zu sein, oder vielleicht — aber das begriff er nicht so ganz — etwas anderes und mehr als ein Bruder. Doch so etwas war natürlich vollkommen ausgeschlossen… Und da er wußte, daß es völlig unmöglich war, und weil er erkannte, daß der Mann, der seinem Conan so ähnlich war, ihm für immer verloren sein würde, spürte Howard, wie ihm unkontrollierbar die Tränen in die Augen stiegen.

»Bob?« fragte Lovecraft. »He, Bob. Ist was?«

Schei-heiße, dachte Howard. Ein Mann darf doch nicht weinen. Besonders nicht vor anderen Männern.

Er wandte sich ab, das Gesicht dem Wind zu, so daß Lovecraft es nicht sehen konnte.

»Bob? Bob!?«

Oh, Scheiße, dachte Howard. Und dann ließ er seinen Tränen freien Lauf.

6

Keiner von beiden sprach ein Wort, als sie sich westwärts wandten, oder in die Richtung, die sie für Westen hielten. Gilgamesch wünschte sich innig, daß Enkidu zuerst zu sprechen beginnen möge, und Enkidu erwartete das gleiche offensichtlich von ihm. Das Land hier war geisterhaft, voll Feuer und Frost, voller Berge mit Dämonengestalt und voll von Dämonen, die geformt waren wie Berge. Über dem fernen Horizont schwebte niedrig die Sonne, doch sie brannte in einer kalten Mittagsschärfe und war wie ein Gewürm, das sich ein Loch durch den Himmel fraß. Gilgamesch sah hin und wieder fremdartige Geschöpfe vor ihnen herlaufen, und er hob den Bogen und ließ ihn wieder sinken, ohne zu schießen; oder es war Enkidu, der zielte, aber es nicht über sich brachte, den Pfeil zu entsenden. Es war, als sei diese Entfremdung zwischen ihnen noch nicht völlig überwunden und als lähmte dies den Wunsch zu jagen in beiden.