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Simon sagte: »Grandios, nicht wahr?«

»Ja, wirklich.«

»Du hast natürlich von mir gehört, ja?«

»Um ehrlich zu sein, Simon, ganz und gar nichts«, erwiderte Gilgamesch.

Simon der Magier blickte ärgerlich drein, aber nur einen flüchtigen Moment lang. »Jedenfalls bist du ehrlich. Und außerdem spielt das weiter keine Rolle. Das meiste, was du über mich hättest hören können, sind sowie lauter Lügen.«

»Wirklich?« sagte Gilgamesch noch einmal.

»Daß ich der Erzvater aller Häresie sein soll. Daß ich nach Rom reiste, um vor dem Kaiser Claudius Wundertaten zu vollbringen. Daß ich gesagt haben soll, ich sei Vater, Sohn und Heiliger Geist in einer Person und hätte verkündigt, daß ich zum Himmel aufsteigen würde, ja daß ich bereits in halber Höhe schwebte, als die Heiligen Peter und Paul niederknieten und beteten und mich so mit einem Knall aufs Pflaster sausen ließen. Nichts als Lügen, weißt du. Genau wie die Geschichte, daß ich mich lebendig begraben ließ und ankündigte, ich würde am dritten Tag aus dem Grab auferstehen, genau wie Er. Pure Lügen!«

»Ich zweifle nicht daran.«

Simon gluckste. »Zauberei, das ja, dazu bekenne ich mich. Ich vollführte exzellente Zauberkunststückchen. Aber Wunder? Aber Ketzerei? Nein, mein Gilgamesch, das niemals. Ich begriff sofort, daß Jesus aus Nazareth stärkere Magie besaß als ich, eine Zauberkraft von erschreckender Gewalt, also lief ich sofort auf seine Seite über. Ich verhielt mich ihm gegenüber stets loyal — es war einfach vernünftig, verstehst du, absolut und von Grund auf vernünftig, sich mit dem besten Zauberer zusammenzutun, statt mit ihm in Wettbewerb zu treten. Das war in Samaria damals, weißt du — warst du schon mal dort? Wunderschöner Ort, nicht weit von Jerusalem. Aber ich war niemals in Rom, kein einziges Mal. Pompeji, ja, dort war ich, deshalb habe ich Brasil ja nach dem Vorbild von Pompeji gestaltet. Aber Rom, nein. Und Claudius kannte ich auch nicht. Und er hat auch nie zu meinen Ehren eine Statue im Tiberfluß aufstellen lassen und was derlei Legenden sonst noch sind.« Simon schüttelte den Kopf. »Sie sagten mir auch nach, ich hätte in einem römischen Bordell die reinkarnierte Helena von Troja entdeckt und ihr die Rettung ihres Seelenheils versprochen, wenn sie meine Geliebte würde. Völlig aus der Luft gegriffen! Kennst du Helena, Gilgamesch? Bist du ihr jemals begegnet?«

»Nie«, antwortete Gilgamesch.

»Ich schon, einmal vor langer Zeit in Theleme. Und wir lachten herzlich über diese Geschichte, ich würde sie sehr gern eines Tages wiederfinden. Aber ich möchte, daß du verstehst, mein Freund, daß es ein ganz anderer Simon war, der all diese Spielchen mit den falschen Wundern abzog. Lange nach meinem Tod. Ich war nur an Macht interessiert — und deshalb auch an Zauberei und Religion, weil sie Mittel zur Erlangung der Macht darstellen. Der Jesus aber — der war der beste Zauberer von allen. Neben ihm war ich ein Nichts.« Simon lächelte und wies mit ausholender Geste auf die näherrückende Inselstadt hin. »Brasil! Hier ist sie! Und wir wollen uns einige Ruhetage gönnen, die Bäder genießen, ja, König von Uruk? Ein Fest feiern, eine Theatervorstellung, einen Zirkus zu deinen Ehren mit hundert Gladiatoren. Und danach müssen wir uns an die Arbeit machen und über die Expedition reden, die wir unternehmen wollen, um das Königreich zu finden, das rechtmäßig dir gehört.«

Gilgamesch runzelte die Stirn. »Aber mich gelüstet nicht nach…«

Herodes stieß ihn hastig an, er solle still sein.

»Was sagtest du gerade, großer König?« fragte Simon.

Er hatte keine weitere Warnung seitens Herodes nötig. »Ich sagte, wie angenehm es sein wird, deine Bäder zu genießen, Simon. Und das Fest, das Theater, die Gladiatoren.«

»Und danach machen wir uns auf die Suche nach deiner Stadt Uruk, was?«

Gilgamesch antwortete nicht. Beschwingt glitt die Königsjacht an ihren Ankerplatz. Ganze Schwärme von Sklaven und Speichelleckern stürmten jubelnd zu Simons Begrüßung vorwärts.

Die Suche nach Uruk, dachte Gilgamesch. Welches Uruk? Und wo? Uruk war in den Nebelschwaden der Zeit untergegangen. Und es würde nie wieder ein zweites Uruk geben. Er, er wollte nur nach Enkidu suchen; Enkidu, der fortgeschleppt worden war, der vielleicht sogar von den Leuten getötet worden war, die die Karawane van der Heydens überfallen hatten. Er würde Simons Hilfe bei der Suche nach Enkidu annehmen, ja. Aber Uruk? Uruk? Das alles war Irrsinn.

»Unser Zirkus wird dir gefallen«, sagte Herodes an seiner Seite. »Wir werden zu deinen Ehren die hundert stärksten Gladiatoren von Brasil in ihr künftiges Leben schicken.«

Gilgamesch warf ihm einen grimmigen Blick zu. »Das bedeutet mir nicht viel. Weshalb sollten hundert Männer für meinen Spaß sterben? Ihr Römer mit euren blutigen Spielen…«

»Bitte«, sagte Herodes. »Du nennst mich dauernd einen Römer, aber ich ziehe es vor, mich als Juden zu betrachten, weißt du. Obwohl, technisch gesehen könnte man mich als Römer bezeichnen — Julius Caesar machte meinen Urgroßvater Antipater zum römischen Bürger —, aber wir Juden können schließlich unsere Herkunft viel weiter in die Vergangenheit zurückverfolgen als die Römer, und…«

»Hörst du eigentlich niemals auf zu plaudern? Nicht einmal für eine Minute?« brach es aus Gilgamesch hervor.

»Habe ich dich erzürnt, großer König?«

»Dieses Geschnatter über Juden und Römer. Wen kümmert schon ein Dämonenfurz, wer du bist und wieviele Ahnen du hast? Ich war König zu einer Zeit, da euer Land nichts war als ein Sumpf!«

Herodes lächelte. »Ach, Gilgamesch, Gilgamesch, vergib mir! Natürlich ist dein Land viel älter als Rom, sogar als Judäa. Aber andererseits sind hier Leute, für die sogar das grandiose ruhmreiche Sumerische Reich nichts weiter ist als eine Episode ziemlich jungen Datums.« Er blickte verstohlen zu dem Haarmenschen. »Angesichts der Ewigkeit, Gilgamesch, befinden sich die meisten von uns erst seit ein, zwei Stunden in der Nachwelt. Im Vergleich zu dem da, meine ich. Doch vergib mir. Vergib mir. Ich rede wirklich zu viel. Dennoch beschwöre ich dich, die Wettkämpfe in unserem Stadium zu besuchen. Und ich heiße dich hiermit in Brasil, meiner Wahlheimat willkommen, König Gilgamesch. Als Römer und als Jude heiße ich dich hier herzlich willkommen.«

8

In Simons Palast, einem gewaltigen Gebäudekomplex, der um einen Hof herum angelegt war und inmitten eines riesigen ummauerten Gartens lag. In seinen Gemächern gab es ein Römisches Bad, ein gewaltiges Rundbett, das irgendwie in der Luft zu schweben schien, und er hatte seine persönliche Entourage, Diener, Butler. Kurtisanen und Läufer, die alle auf jeden seiner Winke bereitstanden. Doch eben jetzt hatte er eigentlich kaum sehr große Bedürfnisse, denn seit mehr Jahren, als er noch im Gedächtnis behalten hatte, hatte er sich eine umfassende Kargheit und Nüchternheit zur Regel gemacht. Dennoch, es war wohl ganz angenehm zu wissen, daß ihm derlei Annehmlichkeiten zur Verfügung standen.

Herodes stellte sich bei ihm ein, als am frühen Abend die trübe rötliche Sonne die Gärten in tiefviolette Schatten zu tauchen begann. Herodes hockte sich bequem in eine Fensterbank. Er sagte: »Erzähl mir doch ein wenig von deinem Uruk.«

»Was kann ich davon schon erzählen? Es war vor langer Zeit eine Stadt, in der ich geboren wurde, in der ich lebte und König war — und in der ich starb. Der Fluß Buranunu floß an ihr vorbei. Enlil war der Stadtgott und Inanna die Göttin der Stadt und…«

»Nein. Ich rede von dem neuen Uruk, dem hier in der Nachwelt.«

»Ich weiß nichts von einer solchen Stadt«, sagte Gilgamesch.