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Über Mannshöhe waren da Goldziegel gestapelt, fässerweise Schmuckstücke, Halsketten, Armreifen, Ringe, Spangen, Broschen, Manschetten, alles von feinstem Goldschimmer. Da gab es Lavallieren, Halsringe, Gehänge, Ketten, Anstecknadeln, Diademe, Solitäre. Säcke voll Perlen. Es gab große Haufen Goldmünzen. Gilgamesch hob eine Handvoll auf und sah die Köpfe von Kaisern und Königen und auf der Rückseite wilde Greife und Drachen. Er sah Hufeisen aus Gold und Dolche und Gürtelschnallen und Zierat in Gestalt von Brücken, Karossen und Burgen. Es gab goldene Zahnstocher und Goldkästchen, die funkelnde Diamanten enthielten, und auf Goldschnüre aufgezogene Diamantenketten. Aus übervollen geborstenen Leinensäcken ergossen sich Edelsteine; sie leuchteten in allen Farben, rot und grün und gelb und blau und strahlend weiß und noch einem Dutzend weiterer Färbungen, und Gilgamesch tauchte die Hände hinein und ließ funkelnde Ströme durch die Finger rieseln: Rubine, Smaragde, Saphire, Opale, Amethyste, Jaspis, Karneole, Chrysoberylle und Mondsteine, Türkise, Bernstein, Korallen, Jade. Es nahm kein Ende. Kein Wunder, daß Simon Magus so gierig darauf war, die Stadt zu erobern. Lange durchforschte Gilgamesch schweigend diese Wunderkammern. Dann wandte er sich dem wartenden Ur-Namhani zu.

»Sind diese Dinge wirklich? Echt?«

»Echt?«

»Zauberschwindel oder echte Juwelen?«

»Oh, sie sind echt, Euer Majestät, höchst definitiv echt«, sagte Ur-Namhani in hochnäsig-herablassendem Ton. »Zusammengetragen von Dumuzi aus jedem Winkel der Welt — zum Ruhme Enlils. Es verging nicht ein Jahr, ohne daß in diesen Verliesen ein weiteres Vermögen an Schätzen eingelagert wurde, das gereicht hätte, um das Lösegeld für jeden König zu bezahlen.«

Gilgamesch nickte. »Ich hätte mir nicht gedacht, daß es in dieser Stadt genügend Gauner gibt, um eine solche Menge Plunder zusammenzustehlen, nicht einmal in tausend Jahren. Eine sehr beeindruckende Ausbeute. Sehr beeindruckend.« Er erhob sich und warf zwei Handvoll blitzender Kostbarkeiten zurück in das nächste Faß. In seinem Kopf hämmerte es. Das Ausmaß der gehorteten Schätze war betäubend, sogar für ihn, dem derart plumper grober Reichtum wahrlich kein Vergnügen bereitete. Allein schon das Übermaß war bedrückend, und dennoch ließ sich nicht leugnen, daß die Masse Macht ausübte. »Also schön. Ich werde dir Simon Magus schicken — meinen Gast, den fetten zechfreudigen Alleinherrscher der Insel Brasil. Du weißt, welchen ich meine?«

Ur-Namhani neigte kurz bejahend den Kopf.

»Du gibst ihm alles aus dieser Kammer hier, was er haben möchte«, sagte Gilgamesch.

Der Kämmerer der Schärpe Enlils keuchte: »Alles?«

»Laß ihn sich vollstopfen.«

Die Augen des Schatzhüters quollen bestürzend vor. »Aber — Euer Majestät — verstehe ich Euch richtig? — Ich ersuche Euch zu bedenken…« Ur-Namhani holte tief Luft. »Was, wenn er alles fordert?«

»Dann wird seine Rückreise nach Brasil ziemlich langsam vonstatten gehen, wenn er mit nur fünf Wagen so viel und sein sonstiges Gepäck transportieren will.«

»Majestät… Majestät…«

Gilgamesch lächelte. »Ich bezweifle irgendwie, daß sogar Simon soviel Frechheit besitzt, alles zu verlangen. Aber händige ihm aus, was er haben will. Wahrscheinlich werden ihn nur die Edelsteine interessieren, denke ich mir. Er kann auch das Gold haben, wenn ihn danach gelüstet. Wir brauchen derlei Zeug hier nicht.«

»Aber Euer Majestät, das sind heilige Dinge! Es ist der Schatz Enlils!«

»Und Enlil ist unser aller Vater«, erwiderte Gilgamesch. »Wenn er die Welt erschaffen kann und die Nachwelt dazu, dann kann er sich doch bestimmt sechs weitere Schatzhäuser erschaffen, die ebenso reich wie dies hier sind. Hier unten im Keller eingeschlossen, tut das ganze Zeug keinem etwas Gutes. Simon liebt immerhin diese Steine wenigstens und wird seinen Palast damit schmücken, oder vielleicht seine ganze Stadt. Mich kümmert das nicht. Gib ihm, soviel er will, Ur-Namhani, Hast du verstanden? Gib ihm reichlich!«

18

Der Vezier Herodes wartet auf Audienz, Majestät«, sagte der Haushofmeister.

Gilgamesch seufzte. »Er soll eintreten.«

Herodes kam mit einem großen Bogen Papier, den er vor dem Thron entfaltete, als handelte es sich um eine kostbare Schriftrolle aus dem fernen Cathay. Gilgamesch warf einen säuerlichen Blick darauf.

»Was? Noch mehr Daten, Herodes?« Er ließ das Wort Daten wie ein scheußliches Schimpfwort klingen.

»Die Namensliste der Zivilbeamten«, sagte Herodes. »Nach Abteilungen und Seniorität geordnet.«

»Seniorität? Seniorität?«

»Das ist hier sehr wichtig, das Dienstalter, der Rang, mußt zu wissen. Sie haben hier starke Interessenverbände und eine Reihe von strammen Arbeitsbestimmungen, länger als dein… also, als dein Arm. Soll ich das jetzt mit dir durchgehen, oder wollen wir es auf später verschieben?«

»Auf später, glaube ich«, sagte Gilgamesch. Doch dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Nein, bei den Augen Enlils, erledigen wir es gleich!« Und mit soviel Geduld, wie es ihm möglich war, ging er an die Arbeit.

Gilgamesch überraschte es — obschon das eigentlich nicht hatte der Fall sein dürfen —, daß die Herrschaft über Uruk sich als derart komplex und zeitaufwendig erwies. Es galt, an Ritualen teilzunehmen, Bestallungen zu bestätigen, verzwickte Entscheidungen zu treffen, Bauprojekte einzuweihen und zu kontrollieren, Gesandte zu empfangen, sogar den einen und anderen Aufruhr zu ersticken — denn die Nachwelt war kein wohl geordneter Ort, und selbsternannte Könige waren hier so gemein wie Echsen und erhoben Anspruch auf den nächsten besten Thron. Auch war die persönliche Anwesenheit des Königs erforderlich bei theatralischen Ereignissen und bei Sportspielen, besonders bei den Stierkämpfen, die nun, unter der enthusiastischen Ägide Picassos, in Uruk zu einer regulären sonntäglichen Einrichtung geworden waren. Gilgamesch selbst beteiligte sich nicht mehr aktiv an der Corrida — hin und wieder wurde dabei ein Matador getötet, und seit er nun um seine eigene Verwundbarkeit wußte, hätte er es als Verletzung seiner geheiligten königlichen Pflichten betrachtet, wenn er das Risiko einging, auf derart leichtfertige Art weitergesandt zu werden. Doch er nahm fast an jedem Sonntag teil. Enkidu war stets die Hauptattraktion und erlegte zwei, manchmal drei Stiere, ehe der Nachmittag vorbei war.

Im alten Sumer, dem Land, dachte Gilgamesch, war es bei weitem nicht so beschwerlich und mühsam gewesen, König zu sein, wahrscheinlich auch nicht, vermutete er, während seiner ersten Regierungszeit im nachweltlichen Uruk; allerdings war es durchaus möglich, daß er sich darin irrte. Er wußte inzwischen nur zu gut, wie wenig Verlaß auf sein Erinnerungsvermögen in dieser Hinsicht war.

Aber obwohl er jetzt mehr Arbeit hatte als jemals früher, erledigte er sie doch nicht ernsthaft nur mit Widerwillen. Er hatte zunächst einmal genug von dem Leben als einsamer Wanderer, und es brachte große Befriedigung, als König seinen Job zu tun — und ihn gut zu tun. Es war offensichtlich, daß unter Dumuzi in diesem Uruk hier Mißherrschaft bestanden hatte, genau wie damals im ersten Uruk in der anderen Welt, und es bereitete Gilgamesch großes Vergnügen, Dumuzis unsinnige bürokratische Selbstzweck-Verordnungen rückgängig zu machen und wiederherzustellen, was Dumuzi hatte verkommen lassen.