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Als er sich von dem äußerst harten Stuhl erhob, krachten die Knochen in seinem Soldatenkörper. Dann schritt er mit einem letzten sehnsüchtigen Blick auf die Scotchflasche zur Tür.

»Wir strengen uns mächtig an, diesen Krieg nicht zu verlieren«, sagte er. »Ein intelligenter Papagei wäre bei weitem nicht das Absurdeste, von dem sein Ausgang abhängen könnte.«

»Ich habe versprochen, Bruno zu finden«, sagte der alte Mann. »Und das werde ich auch.«

»Falls Sie es schaffen«, sagte der Colonel. Als er die Tür öffnete, tastete sich ein langer Streifen Sommernachmittag ins Haus. Der alte Mann hörte den Singsang der Bienen in ihrer Stadt. Das Licht selbst hatte die Farbe von Honig. Der Fahrer auf dem Hof erwachte aus seinem Nickerchen, und der Motor der Limousine erwachte brummend zum Leben. »Die Nation ist Ihnen zu Dank verpflichtet und so weiter.«

»Ich werde ihn dem Jungen zurückbringen.«

Es kam trotziger heraus, als es dem alten Mann Recht war, quäkend und brüchig, und er bereute, es gesagt zu haben. Sein Gast konnte den Satz nicht einmal als hohle Phrase eines alten Kauzes missverstehen.

Der Mann aus London runzelte die Stirn und stieß einen Seufzer aus, der verbittert oder bewundernd gemeint sein konnte. Dann schüttelte er einmal derart heftig den Kopf, dass es normalerweise jedes vernichtende Urteil einschloss, das er im Verlauf des Tages noch würde fällen müssen, fand der alte Mann. Der Gast zog einen Fetzen Papier und einen abgenagten blauen Bleistiftstummel hervor. Er kritzelte eine Nummer auf die Rückseite des Zettelchens und stopfte es dann vorsichtig in den Spalt des verzogenen hölzernen Türrahmens. Bevor er ging, drehte er sich noch einmal um und schaute den alten Mann mit einem sonderbar verträumten Gesichtsausdruck an.

»Wie Papageienfleisch wohl schmeckt, frage ich mich«, sagte er.     

8

Die Bienenstöcke bestanden aus mehreren giebelförmigen Kisten auf der Südseite des Cottages, weiße Miniaturpagoden, gestuft wie eine Hochzeitstorte. Eine der Kolonien stammte aus dem Jahr 1926; in Gedanken nannte er sie immer das »Altvolk«. Das Altvolk war von Generationen starker, fruchtbarer Königinnen hervorgebracht und regiert worden. Es erschien dem alten Mann so altehrwürdig wie Großbritannien selbst, wie die kreidigen Knochen der South Downs. Und jetzt war wie in jedem der siebzehn letzten Sommer die Zeit gekommen, es seines Honigs zu berauben.

An dem Morgen, der für das Schleudern vorgesehen war, las er bis vier Uhr J. G. Digges, dann schlief er eine unruhige Stunde lang, bis er wusste, dass es Zeit zum Aufstehen war. Noch nie hatte er sich auf einen Wecker verlassen. Sein Leben lang hatte er einen leichten Schlaf gehabt, im Greisenalter litt er regelrecht an Schlaflosigkeit. Wenn er einmal schlief, träumte er von Rätseln und mathematischen Problemen, was seine Erholung verminderte. Wach zu sein war ihm weitaus lieber.

Alles brauchte länger, als es hätte dauern sollen – waschen, Kaffee brühen, die erste Pfeife des Tages stopfen. Er hatte nie richtig kochen gelernt, und die jüngste Tochter der Satterlees, die ihn versorgte, würde nicht vor sieben Uhr kommen. Dann wäre er längst schwer mit den Bienenstöcken beschäftigt. Also aß er nichts. Doch obwohl er sich die Mühe des Frühstückens sparte, ärgerte er sich festzustellen, dass die Sonne bereits hoch vom Himmel brannte, als er die tägliche Schlacht im Badezimmer geschlagen, seine hageren alten Glieder gewaschen, alle Reißverschlüsse seines Imkeroveralls geschlossen, die Stiefel mit den Gummisohlen übergestreift und seinen Imkerhut aufgesetzt hatte. Es würde ein heißer Tag werden, und bei Hitze waren Bienen unzufrieden. Im Moment lag noch eine nächtliche Kühle und ein schwerer Geruch vom Meer in der Luft, an den Hügelkuppen hing der Dunst. Daher verschwendete der alte Mann weitere fünf Minuten und genoss seine Pfeife. Die morgendliche Frische, der glimmende Tabak, das Dösen der spätsommerlichen, honigsatten Bienen: Bis zum jüngsten Abenteuer mit dem klugen Papagei waren dies die Freuden seines Lebens gewesen. Es waren einfache Freuden, erkannte er nun.

Solche Dinge hatten ihm früher einmal sehr wenig bedeutet.

Die Sohlen seiner Stiefel quietschten im Gras, als er zum Schuppen ging, um das Einbruchwerkzeug zu holen, dann quietschten sie wieder, als er zu den Körben schlurfte. Auf halbem Weg roch er bereits den salbenartigen Duft des Heidehonigs. Es war ein guter Sommer für Heide gewesen. Die Satterlees würden sich freuen; nach uralter Übereinkunft verkaufte die Familie den Ertrag der Bienenstöcke und behielt den Gewinn; Heidehonig brachte den vier- bis fünffachen Preis der üblichen Mischungen.

Schließlich stand er vor dem Altvolk, in der Hand die Verdunsterplatte und die verstöpselte Flasche Benzaldehyd. Der Stock strahlte eine schicksalsergebene Zufriedenheit aus, wie eine Stadt, die einen Tag nach Karneval ihren Rausch ausschläft und auf einer Bergspitze von einer Horde Hunnen beobachtet wird. Der alte Mann sog die Brust voll Rauch und ließ sich nieder, Halt suchend auf die Platte gestützt. Zwei Arbeiterinnen trödelten vor dem geschwungenen Stadttor herum.

Der Stock strahlte eine schicksalsergebene Zufriedenheit aus.

»Morgen, die Damen«, sagte er, vielleicht dachte er es auch nur.

Er schob die Lippen vor das Einflugloch und blies den schweren, stinkenden Dunst des Knasters hinein. Der alte Mann hatte eine lobenswerte Fügsamkeit in seinen Stamm gezüchtet, aber wenn man den Honig stehlen wollte, war es ratsam, keine Risiken einzugehen. Die bevorzugte Tabakmarke des alten Mannes besaß bemerkenswert beruhigende Kräfte; das British Bee Journal hatte seine Aufzeichnungen zu diesem Thema veröffentlicht.

Mühselig richtete er sich auf und schickte sich an, die Zarge mit ihren dicken, wachsigen Waben zu entfernen. Es war keine Aufgabe, die ihm behagte; die Zargen wurden jedes Jahr schwerer. Ohne weiteres konnte er sich vorstellen, auf dem Weg zur überdachten Veranda an der Rückseite des Cottages, wo die Schleuder stand, den Halt zu verlieren: Ein entscheidender Knochen knackte, und die zersplitterten Rähmchen lägen auf dem Boden verteilt. Er fürchtete den Tod nicht unbedingt, aber er war ihm nun schon so viele Jahre ausgewichen, dass er ihm allein wegen dieses langen Ausweichens mittlerweile Angst machte. Insbesondere fürchtete er, auf unwürdige Weise zu sterben, auf dem Klo oder mit dem Gesicht in Haferschleim.

Vorsichtig ließ er seine Pfeife erlöschen, dann schob er sie in die große Tasche seines Imkeranzugs zu den Streichhölzern und dem Tabakbeutel. Benzaldehyd war nur mäßig entflammbar, aber die Aussicht, sich mit der eigenen Pfeife in Brand zu stecken, entsprach den schlimmsten Vorstellungen von Unwürdigkeit, mit denen der Tod ihn eines Tages heimsuchen könnte. Als die Pfeife aus dem Weg war, entstöpselte er die braune Glasflasche, und sein Geruchsorgan wurde von einem durchdringenden Schwall Marzipan attackiert, ja fast paralysiert. Großzügig sprenkelte er die Flüssigkeit auf den Filzbelag des Verdunsters. Dann griff er nach dem spitzen Dach des Bienenstocks und hob es ab. Rasch legte er es zu Boden, ließ es beinahe fallen, und drehte sich zu den Waben um, den herrlichen Waben, deren Zellen mit einer Bienenwachskappe von stabiler Machart versiegelt waren. Sie waren von der sonderbaren Bleiche des Heidehonigs, eine intensive Blässe, weiß wie der Tod oder eine Gardenie. Der alte Mann bewunderte die Farbe. Hier und da sinnierte eine bei ihrer Arbeit überraschte Biene über die Bedeutung dieser Unterbrechung, über den plötzlichen Einfall von Tageslicht. Ein Exemplar, eine Heldin ihres Volkes, stieg augenblicklich auf und griff ihn an. Falls sie ihn stach, so merkte er es nicht; schon lange hatte er sich an die Stiche gewöhnt. Er stellte die Verdunsterplatte auf die blassen Flächen der Waben und hievte das Dach wieder an seinen Platz. In wenigen Minuten würde der verhasste Gestank von Bittermandel alle noch an den Waben hängenden Bienen auf die tiefere Ebene des Stocks vertrieben haben.