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Da er im ersten Moment nur einen flatternden Schatten sah, eine umherschlagende Plane aus Öltuch, leer und herrenlos, die vom Holzstoß eines Bauern geweht worden zu sein schien, machte er sich bereit, geradewegs hindurchzustoßen und sich seinem Schicksal anzuvertrauen, das herauszufordern schon immer sein Wunsch gewesen war. Aber gerade als es ihn wie eine Wolldecke umhüllen wollte, entpuppte sich die Plane als Cape mit Klauen, als eine ihm entgegentaumelnde Fledermaus aus braunem Tweed. Es war ein Mann, es war der alte Mann, der verrückte alte Imker mit dem langen blassen Gesicht, der mit rudernden Armen auf die Straße stolperte. Eine gigantische, panische Motte, die ihm in den Weg schwirrte. Mr Panicker riss das Lenkrad nach links. Die seinem elenden Sohn entwendete offene Flasche, die bisher die einzige Gefährtin seiner Qualen gewesen war, flog von ihrem Ehrenplatz auf dem Sitz neben ihm gegen das Handschuhfach und verteilte auf dem Flug durch die Luft den Brandy wie ein Weihwedel. Als habe der Imperia nun endlich den Zustand erreicht, nach dem er sich in seiner läppischen Laufbahn aus Bocksprüngen, Hustern, Gestotter und Geröchel schon lange sehnte, beschrieb er nun mit spürbarem Freiheitsgefühl eine Folge ausgeprägter, ballettartiger Schleifen, jede über ein kreisförmiges Muster mit der vorherigen verbunden, sodass auf dem glatten schwarzen Asphalt der Straße nach London die halbfertige Kinderzeichnung eines Gänseblümchens entstand. In diesem Moment zeigten Mr Panickers Beziehungen zu seiner Gottheit wieder einmal ihre langjährigen hämischen Tendenzen. Der Wagen verlor das Interesse an seinen Eskapaden, und kam gute sieben Meter weiter zitternd zum Stehen; hoffnungsfroh wies seine Kühlerhaube gen London, der Motor rumpelte, der einsame Scheinwerfer blinzelte in den Regen, als sei er für seine Streiche gescholten worden und nun wieder bereit, demütig seinen Weg fortzusetzen. Mr Panickers Gedankengänge, bisher ungeregelte Verbrennungsprozesse, die aus einem Doppeltank von ungewohnter Trunkenheit und vergnügtem Zorn gespeist wurden, schienen ebenfalls zitternd zum Stehen zu kommen. Wohin wollte er nur, was tat er hier bloß? War er letztendlich doch davongelaufen? Konnte man einfach seine Hose zusammenlegen, in den Koffer packen und gehen?

Eine ihm entgegentaumelnde Fledermaus aus braunem Tweed.

Die Beifahrertür wurde aufgerissen. Mit Windesheulen und Regentropfen im Gefolge drängte der alte Mann ins Auto. Er schlug die Tür zu und schüttelte sich in seinem Cape wie ein magerer, nasser Hund.

»Danke«, sagte er knapp. Er richtete seinen furchtbar klaren Blick auf seinen Retter, auf die umgekippte Brandyflasche, auf das zerschlissene Sitzleder, die freiliegenden Kabel und das ramponierte Armaturenbrett, auf den wahren Zustand, so schien es jedenfalls Mr Panicker, seiner durchweichten, erschrockenen Seele. Die großen, geblähten Nüstern des alten Mannes erschnupperten jeden Brandytropfen in der Luft. »Einen guten Morgen.«

Mr Panicker vermutete, dass nun von ihm erwartet wurde, den Vorwärtsgang einzulegen, nach London weiterzufahren und, als sei es vorher abgesprochen worden, seinen neuen, nach nasser Wolle und Tabak riechenden Beifahrer dorthin zu befördern. Doch offenbar konnte er sich nicht dazu entschließen. Unbewusst identifizierte er sich nun so stark mit dem 1927er Imperia, dass er das Gefühl hatte, dieser gewaltige, nasse alte Mann habe sich in der düsteren Heiligkeit seines ramponierten Schädels breit gemacht.

Wie mit einem Seufzer verfiel der Motor in einen geduldigen Leerlauf. Der Beifahrer schien Mr Panickers Bewegungslosigkeit und Schweigen als Bitte um Erklärung aufzufassen, was in gewisser Weise auch zutraf, dachte Mr Panicker.

»Die Zugverbindung ist ›unterbrochen‹«, sagte der alte Mann trocken. »Truppenbewegungen, nehme ich an. Zweifellos Verstärkung für Mortain. Glaube, die Kämpfe dort sind festgefahren. Ich habe jedenfalls keine Möglichkeit, London heute noch per Eisenbahn zu erreichen, gleichwohl fühle ich mich höchst verpflichtet, dorthin zu fahren.«

Er spähte nach vorn, blickte in den Fußraum zwischen seine schlammverkrusteten Stiefel, hochgeschnürte, dickrippige alte Kommissstiefel, wie sie auf Khartoum und Bloemfontein marschiert waren. Mit einem Stöhnen und einem Knirschen der Knochen, das Mr Panicker ziemlich alarmierend fand, beugte der alte Mann sich vor und hob die Brandyflasche sowie den kleinen Korkstöpsel auf, der kurz nach Mr Panickers verstohlenem, aber nicht heimlichen Aufbruch im Pfarrhaus herausgesprungen und aus seinem Blickfeld gerollt war. Der alte Mann schnupperte am Flaschenhals, verzog das Gesicht und hob eine Augenbraue. Dann bot er die Flasche Mr Panicker mit derart undurchdringlicher Miene an, dass man nicht umhin konnte, den Spott darin zu vermerken.

Mr Panicker schüttelte trüb den Kopf und betätigte die Schaltung. Der alte Mann drückte den Stopfen zurück auf die Flasche. Dann brachen sie durch den Regen auf in Richtung Stadt.

Lange Zeit fuhren sie schweigend, und als Mr Panicker merkte, dass das Maß seines Zorns abnahm und seine Trunkenheit nachließ, versank er in einem Tief verblüffter Scham über sein jüngstes Benehmen. Zuvorderst und in erster Linie war er immer ein Mann gewesen, dessen Taten und Ansichten von Gradlinigkeit, von einem bewussten Meiden aller Überraschungen geprägt waren. Diese Haltung als eine Kardinaltugend von erfolgreichen Pfarrern zu schätzen, hatte man ihm viele Jahre zuvor am Priesterseminar von Kottajam beigebracht. Das Schweigen, die tiefen, ältlichen Seufzer und gelegentlichen Seitenblicke seines ungebetenen Beifahrers erschienen ihm wie das Vorspiel zu der unvermeidlichen Bitte um Erklärung.

»Ich nehme an, Sie fragen sich …«, begann er, die Hände ums Lenkrad geklammert und vornübergebeugt, damit das Gesicht näher an der Windschutzscheibe war.

»Ja?«

Er beschloss – die Idee tauchte, wie von einer listigen Hand geworfen, perfekt und glänzend in seinem Kopf auf –, dem alten Mann zu sagen, er sei auf dem Weg nach London, um dort an einer – völlig frei erfundenen – Synode der anglikanischen Geistlichkeit von Südostengland teilzunehmen. Das würde erklären, warum neben den Dosen mit wertvollem Benzin auf der Rückbank ein Handkoffer lag, der für eine Reise von zwei, drei Tagen gepackt war. Ja, eine Synode im Church House. Er würde im Crampton mit seinem guten Restaurant Quartier nehmen. Morgens würde es nachdenkliche Diskussionen über liturgische Fragen geben, gefolgt von einem Mittagessen. Am Nachmittag würde dann eine Reihe eher praktischer Seminare stattfinden, die sich der Aufgabe stellten, das Amt des Geistlichen in die Nachkriegszeit hinüberzuführen. Der ehrwürdige Bischof Stackhouse-Hall, Archidiakon von Bromley, würde mit der ihm eigenen akademischen Jovialität die unerwarteten Spannungen ansprechen, die selbstredend in Familien zu erwarten waren, in denen man aus dem Krieg heimkehrende Väter und Ehemänner begrüßte. Während Mr Panicker seine Ausrede dekorierte und auf Hochglanz polierte, wuchs ihre Anziehungskraft auf ihn, sodass ihn die Aussicht auf die Tagung schließlich sonderbar aufmunterte.

»Ich weiß, dass ich mich Ihnen in einer schwierigen Zeit aufgedrängt habe«, sagte der alte Mann.