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Russo warf einen raschen Blick auf den Felsen. Der Laserstrahl war exakt auf die Stelle gerichtet, von der sie die Probe der versteinerten Klaue genommen hatten. Ein sehr feiner, aber ätzender Geruch lag in der Luft.

»Wie lange läuft der Laser schon?«, fragte Russo hastig.

»Ein paar Minuten, mehr nicht«, sagte Mitchell. »Ich wollte gerade ausprobieren, was der so alles kann.«

»Schalten Sie ihn aus. Sofort!«

»Ich glaube, das darf man nicht machen. Sobald er einmal eingeschaltet ist, muss man ihn mindestens …«

Russo erinnerte sich noch an genug von der Einführung durch den Techniker, um zu wissen, wo sich der Ein-und Ausschalter befand. Er ging um das Gerät herum zur Rückseite und beugte den Kopf über das Bedienungspaneel, doch Mitchell kam ihm zuvor.

»Es wird schon nicht schaden, ihn noch eine Weile laufen zu lassen«, sagte er und legte die Hände über die Kontrollschalter.

»Der Stein ist sehr, sehr gefährlich«, sagte Russo. Der Geruch nach Verbranntem wurde stärker. »Nehmen Sie die Hände weg!«

»Was soll so gefährlich daran sein?«, fragte Mitchell, obwohl er seine Hände fortnahm.

»Gase! Sie sind darin eingeschlossen!« Russo stieß Mitchell grob aus dem Weg.

Mitchell musste den Brandgeruch ebenfalls bemerkt haben. »Ich dachte, der Laser würde auf kalte Weise brennen. Es funktioniert auf Argon-Basis, und das bedeutet …«

Es gab einen Knall, nicht lauter als ein Luftballon, in den jemand eine Nadel gestochen hatte.

Russo wurde plötzlich in die Luft gehoben und von einer ohrenbetäubenden Druckwelle aus sengend heißem Wind und grellem Licht quer durchs Labor geschleudert. Er knallte gegen die gegenüberliegende Wand und rutschte auf den Betonfußboden, während ein Flammenmeer gleich einer blitzartigen Woge durch das Labor auf ihn zukam. Er konnte sich nicht bewegen, doch er hätte ohnehin keine Zeit mehr gehabt. Die Flammen verschlangen den Boden, dann seine Beine, seinen Körper, reinigten ihn, versengten ihn, wuschen über sein Gesicht und knisterten in seinem Haar. Das Labor erbebte unter der Explosion und warf das Brüllen zurück. Die Deckenscheinwerfer barsten, die Luft war erfüllt von einem dichten Schauer aus zerbrochenem Glas. Ein Hagel aus Scherben und Kiesel ging nieder, Steine schossen wie Gewehrkugeln durchs Labor.

Russo konnte nicht atmen und kaum etwas sehen. Die Flammen rasten durch den Raum, leckten an den Wänden und Türen, wie wilde Hunde, die sich zu befreien versuchten. In der Luft lag ein feiner schwarzer Staubnebel, der vom pulverisierten Felsen stammte.

Doch das Labor war nicht dunkel.

Selbst mit seinen verletzten Augen konnte Russo das Licht erkennen. Ein weißes schimmerndes Licht in der Mitte des Raumes, genau dort, wo sich die Felsplatte befunden hatte. Das Licht schien sich zu bewegen, es schien … eine Gestalt zu formen.

Er versuchte zu atmen. Der Geruch seiner eigenen schwelenden Kleidung und Haut stieg ihm in die Nase.

Schwankend erhob sich die Gestalt.

Mitchell?, dachte er. Nein, das war nichts, was er je zuvor gesehen hätte …

Sie schien sich auszudehnen, gleich einem Adler, der seine Schwingen ausbreitete.

War er tot? War dies sein … Hirte?

Die Gestalt leuchtete wie eine Lichtsäule, und sie bewegte sich. Auf ihn zu.

Russo blinzelte, aber nichts schien zu geschehen. Waren seine Lider verschwunden? Seine Augen schmerzten, Teile seines Körpers brutzelten immer noch wie ein Steak, das man gerade vom Grill genommen hatte. Seine Hände lagen nutzlos an den Seiten.

Die Gestalt kam näher. Russo bemühte sich, die brennende Luft einzuatmen. Kämpfte darum, wach zu bleiben. Am Leben.

Er starrte hinauf in den schwarzen Nebel.

Die Gestalt schwebte über ihn und musterte ihn. Beschnüffelte ihn.

Sie war so hell, so glühend heiß, dass Russo sie kaum ansehen konnte, doch ebenso wenig ertrug er die Vorstellung, den Blick abzuwenden.

Denn es war das Schönste, das er je gesehen hatte.

Ein Gesicht aus purem Licht. Ein menschliches Gesicht, aber kein Mensch. Perfekt, wunderschön und furchteinflößend. Das Letzte, das er je erblicken würde.

Du leidest.

Es waren keine wirklichen Worte, sondern eher ein Gedanke, den Russo wahrnahm, als sei er in seinen Kopf gepflanzt worden.

Die Gestalt streckte die Hand aus. Eine Hand, keine Klaue, aus purem Licht, berührte seinen Kopf. Es war, als würde ein Eiszapfen über seinen versengten Schädel streichen.

Leiden ist ein Geschenk Gottes.

Wieder empfing er diesen Gedanken wie durch Telepathie.

Die Gestalt erhob sich und begann sich zu entfernen. Russo hatte entsetzliche Angst, sie könnte bleiben, aber zur gleichen Zeit fürchtete er, sie könnte gehen und ihn in diesem Inferno zurücklassen.

Schimmernd schwebte sie auf die Stahltüren zu, sie wogte und drehte und schlängelte sich … ein strahlendes Licht von der Größe eines Mannes.

Und dann überwältigte ihn die Höllenqual. Als hätte er seine Kräfte für einen letzten Angriff aufgespart, schwoll der Schmerz in ihm an, und Russo kippte auf den Betonfußboden, zu verbrannt, um auch nur zu schreien.

Zweiter Teil

15. Kapitel

Ironischerweise hatte Carter erst am Sonntagnachmittag, als es Zeit wurde zu packen und in den Mahlstrom der Stadt zurückzukehren, das Gefühl, sich allmählich auf dem Land zu entspannen.

Joe hatte das ganze Wochenende über nicht angerufen, aber auf der anderen Seite hatte Carter sich auch nicht gemeldet. Am Samstag hatte er sich ein paar Stunden in die detaillierte Beschreibung des Lasers vertieft, bis Beth schließlich darauf bestanden hatte, dass er das Handbuch beiseitelegte und mit ihr einen Spaziergang durch den Wald machte. Abbie und Ben schienen ihren Streit, den sie auf der Fahrt hierher ausgetragen hatten, beigelegt zu haben und luden sie zum Apfelpflücken auf eine nahegelegene Apfelplantage ein. Jetzt hatten sie einen Zentner frische Äpfel, und Carter fragte sich, was um Himmels willen sie damit anfangen sollten.

Nicht einmal Joe wäre in der Lage, mehr als ein Dutzend davon zu vertilgen.

Auf dem Rückweg in die Stadt duftete es im Wagen nach Äpfeln und dem Kürbiskuchen, den Abbie und Beth am Morgen gebacken hatten. Ben schaltete das Radio ein, um die Verkehrsmeldungen zu hören. »Solange ich nichts anderes höre«, sagte Ben, »halte ich mich an den Saw Mill River Parkway.«

Doch zuerst mussten sie eine ganze Reihe von Werbespots über sich ergehen lassen, anschließend den Wetterbericht und mehrere Minuten idiotischen Geplänkels zwischen den beiden überkandidelten und nervtötenden Moderatoren Gary und Gil. Carter achtete nicht auf ihre Betrachtungen über Elvira, die großzügig ausgestattete Herrin der Dunkelheit – »Ich meine, sind diese Brüste wirklich echt? Sie sind seit dreißig Jahren genau an der gleichen Stelle!« Aber dann spitzte er doch die Ohren, als Gil sagte: »Und was ist das für eine verrückte Geschichte mit den New Yorker Kirchenglocken letzte Nacht?«

»Das ist unheimlich, was?«, klinkte Gary sich ein.

»Für alle, die immer noch zu verkatert von der Halloweenparty sind, um sich daran zu erinnern, was gestern Abend um genau sechzehn Minuten nach zehn passiert ist: Jede Kirchenglocke in Manhattan …«

»… und wir meinen jede Glocke in jeder Kirche«, mischte sich Gary erneut ein.

»… hat wie verrückt zu läuten angefangen.«

»Wie eine Art Warnsignal bei einem Luftangriff«, sagte Gary.