»Wer hat das gesagt?«, verlangte er zu wissen. »Wer hat gerade zu mir gesprochen?«
Niemand antwortete. Ein Mann blickte ihn fragend an, und Ezra sagte: »Waren Sie das? Haben Sie etwas zu mir gesagt?«
Der Mann schreckte zurück, und mehrere Frauen wichen ihm ebenfalls aus. Sie murmelten etwas und kicherten verhalten unter ihren Schleiern, was Ezra nur noch wütender machte. Was sagten sie da? Versuchten sie, ihn irgendwie hereinzulegen?
»Jemand hier hat gerade mit mir gesprochen, und ich möchte wissen, wer es war.«
»Ich versichere Ihnen, Sir«, sagte der Reiseleiter, »niemand aus dieser Gruppe hat etwas zu Ihnen gesagt. Niemand aus dieser Gruppe spricht Englisch.«
»Derjenige hat auch kein Englisch gesprochen«, blaffte Ezra zurück, »sondern Aramäisch.«
Die Haut des Reiseleiters war faltig und hatte die Farbe einer Walnuss. Seine Miene verriet noch größere Verwunderung als zuvor. »Das, Sir, ist ebenfalls nicht möglich, Sir. Wir bedauern sehr, falls wir Sie irgendwie gestört haben«, sagte er und führte die Gruppe weiter. Leise sagte er etwas auf Arabisch zu ihnen, doch Ezra verstand genug von der Sprache, um das Wort majnoon aufzuschnappen, Verrückter.
»Erzählen Sie ihnen, ich sei ein majnoon?«, sagte er. »Wollen Sie behaupten, ich sei verrückt?«
»Bitte entfernen Sie sich, Sir«, sagte der Reiseleiter, »oder ich werde Maßnahmen ergreifen müssen.«
»Sie wollen Maßnahmen ergreifen? Was für Maßnahmen können das schon sein!«
Ezra ging auf den Mann zu, aber ehe er näher herankam, stellten sich ihm plötzlich zwei Sicherheitsleute der Vereinten Nationen in den Weg. »Okay, und jetzt beruhigen Sie sich erst einmal«, sagte der eine.
»Was ist das Problem?«, fragte der andere.
»Einer dieser Leute hat etwas zu mir gesagt«, erklärte Ezra, »und ich will wissen, wer es war.«
»Dieser Mann belästigt uns«, sagte der Reiseleiter und scheuchte rasch die letzten Nachzügler der Gruppe auf die Treppe des Gebäudes zu. »Er sollte unter Arrest gestellt werden!«
»So etwas machen wir nicht in diesem Land!«, schrie Ezra ihn an. »Habt ihr das immer noch nicht kapiert? Ihr seid hier in Amerika! Nicht in irgendeinem mittelalterlichen arabischen Provinznest! Amerika!«
Selbst Ezra wusste nicht, wo diese Wut herrührte. Es war, als hätte sie sich hinter dem schwächsten Damm angestaut, der jetzt unvermittelt brach.
»Ihr Land ist ein Land der Ungläubigen und Teufel«, fauchte der Reiseleiter zurück. Und dann, nachdem er seinen Feind korrekt eingeschätzt hatte, fügte er in deutlichem, aber leisem Arabisch hinzu: »Und der zionistischen Schweinehunde.«
Ezra stürzte sich auf ihn, die Arme nach der Kehle des Mannes ausgestreckt, doch einer der UN-Sicherheitsleute schlug plötzlich seinen Arm nach unten, während der andere ihn von hinten packte.
»Ich warne Sie«, rief Ezra, »der Gott Israels ist sehr lebendig!«, doch ehe er seinen Gedanken zu Ende führen konnte, wurde die Luft aus seinen Lungen gepresst, und er fand sich bäuchlings auf dem Gehweg wieder. Er hörte, wie einer der Wächter die Araber aufforderte, weiterzugehen, während der andere sein Knie in Ezras schmalen Rücken presste, eine Codenummer in sein Walkie-Talkie murmelte und um sofortige Unterstützung bat.
Wenn er nur genug Luft bekäme, könnte Ezra ihm erklären, dass das nicht nötig sei. Er war bereits bedient, und ihm war nicht nach Kämpfen zumute.
Doch diese Chance bekam er nicht. Als Nächstes wurden seine Hände mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt, und er wurde auf die Füße gezerrt. Ein paar Touristen sahen erschrocken zu, einige machten sogar Fotos, dann wurde er zum Ausgang des Parks zur First Avenue geschleift, wo ein Polizeiwagen mit rotem Blinklicht und quietschenden Reifen zum Stehen kam.
Ein Cop sprang heraus und riss die hintere Tür auf.
»Sie müssen das nicht tun«, brachte Ezra heraus, aber der Cop legte nur die Hand auf Ezras Kopf, drückte ihn nach unten und schob ihn auf die Rückbank.
Krachend schlug die Tür zu. Ezra musste sich bis zu einem Drahtgitter vorbeugen, damit die Handschellen nicht in seine Handgelenke schnitten. Die Sicherheitsleute reckten die Daumen in die Höhe, und der Wagen fuhr rasch vom Bordstein los. Als Ezra aus dem Rückfenster und das Eisengitter schaute, das den Park umgab, konnte er sehen, wie der arabische Reiseleiter hinterhältig über seinen Sieg lächelte. Lächle, wenn du willst, dachte Ezra. Deine Tage sind gezählt … und schwinden rasch.
18. Kapitel
Sobald Raleigh die Galerie verlassen hatte, schob Beth die unvollständigen Pläne für die Weihnachtsfeier in den Ordner und eilte zur Tür hinaus. Sie nahm ein Taxi direkt nach Hause, doch Carter war wie erwartet nicht dort. Die letzte Nacht hatte er im St. Vincent’s Hospital verbracht, und sie vermutete, dass er heute ebenfalls dort bleiben wollte. Sie schnappte sich die kleine Tasche, die sie nach ihrem Ausflug aufs Land gerade ausgepackt hatte, und warf seinen Rasierer, Rasiercreme, frische Socken, Unterwäsche und ein sauberes Hemd hinein.
Im Krankenhaus machte sie den Fehler, das Gebäude durch den Eingang der Notfallambulanz zu betreten. Es war, als sei sie in ein Tollhaus geraten. Dutzende von Menschen, von denen manche noch bluteten, irrten herum, andere waren auf Tragen geschnallt, die im Flur aufgereiht standen wie Flugzeuge auf einem Flughafen, die auf die Starterlaubnis warteten. Über die Sprechanlage gab eine Krankenschwester Namen wieder, forderte diverse Ärzte auf, sich auf der Stelle zu melden, erinnerte Neuankömmlinge daran, dass sie zuerst ihre Formulare ausfüllen mussten und, was das Wichtigste überhaupt war, ihren Versicherungsnachweis bereithalten sollten.
Beth folgte den Schildern und Pfeilen durch mehrere lange Flure bis zum Haupteingang und Empfangsschalter. Dort wurde ihr mitgeteilt, dass Giuseppe Russo auf der Intensivstation im fünften Stock behandelt wurde. Die Tasche mit den Übernachtungssachen in der Hand, nahm sie den Fahrstuhl nach oben.
Verglichen mit der Notaufnahme war der fünfte Stock wie eine Raumstation. Alles war in weißes Licht getaucht, die Geräusche waren gedämpft, die Gänge glänzten, die Türen waren geschlossen. Als sie zum Empfangsbereich außerhalb der eigentlichen Intensivstation kam, sah sie zwei Ärzte, die sich leise über ein Diagramm auf einem Klemmbrett unterhielten. Ein Pfleger schob einen schlafenden Patienten im Rollstuhl, ein großer Mann in einem Mantel, der verdächtig nach einem roten Damenmantel aussah, beugte sich über einen Wasserbrunnen. Auf einem blauen Plastikstuhl saß Carter mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern.
»Irgendwelche Neuigkeiten?«, fragte Beth und stellte die Tasche neben seinem Stuhl ab.
Carter blickte auf. Er war unrasiert, die Augen müde und blutunterlaufen. »Nein, bisher nichts. Er ist immer noch ohne Bewusstsein.«
Beth setzte sich neben ihn, legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Hattest du schon Gelegenheit, mit den Ärzten zu sprechen?«
»Vor ein paar Stunden. Die zuständige Ärztin, Dr. Baptiste, sagte, sie würden mich informieren, sobald es etwas Neues gäbe.«
Beth rieb seine Schulter. »Hat sie irgendetwas gesagt, wann das sein könnte? Ich meine«, sagte sie und suchte nach den richtigen Worten, »glaubt sie, dass Joe heute Nacht wieder zu sich kommt? Oder morgen?« Und obwohl sie es nicht aussprach, dachte sie: Jemals?
Carter schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.« Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück und streckte die langen Beine von sich. »Darum will ich nicht gehen. Keiner weiß, wann er wieder aufwacht, es kann jeden Moment so weit sein, und ich will sichergehen, dass ich dann da bin.«