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Er sollte besser umkehren. Nicht, dass irgendjemand noch glaubte, er würde der eigentlichen Beerdigung nicht beiwohnen wollen.

Unten am offenen Grab war der Sarg auf eine Art mechanische Vorrichtung gestellt worden, die ihn in die Grube senken würde. Der Priester, der jetzt einen schwarzen Überzieher und Galoschen trug, stand am einen Ende des offenen Grabes. Eine weiße Stola lag um seinen Hals drapiert, und in der Hand hielt er ein Buch mit dem Titel Die häufigsten Gebete. Suzanne, Bills Eltern und mehr als ein Dutzend Leute hatten sich versammelt und stampften gelegentlich mit den Füßen auf, um sich warm zu halten. Der harte karge Boden schien die Kälte regelrecht abzustrahlen.

Der Priester dankte ihnen allen dafür, dass sie gekommen waren. Dann, als spürte er ebenfalls die Auswirkungen des Wetters, öffnete er rasch das Buch und begann zu lesen. Während er sprach, hielt Carter den Kopf gesenkt, aber er konnte es sich nicht verkneifen, hin und wieder aufzuschauen. Die meisten Trauergäste hielten den Kopf gesenkt und den Blick zu Boden gerichtet, doch einige starrten auch einfach in die Ferne. Bills Mom betete leise, aber innig, die Worte mit, die der Priester laut vorlas. Glaube, dachte Carter nicht zum ersten Mal, musste eine wunderbare Sache sein. In Momenten wie diesen musste er eine ungeheure Hilfe sein. Aber das war etwas, das er in seinem Leben nie gekannt hatte, und er wusste, dass er es nie erleben würde. War es nicht Kardinal Newman gewesen, der gesagt hatte, wenn die Kirche dich mit sechs Jahren kriegt, hat sie dich für den Rest deines Lebens? Wenn das stimmte, war Carter außer Gefahr. Keine Kirche, egal welcher Richtung, hatte ihn bisher in die Finger bekommen.

Der Priester las immer noch, in einem gleichmäßigen, wenn auch etwas hastigen Rhythmus. Erst jetzt bemerkte Carter die schwarze Limousine, die auf der anderen Seite der Böschung stand. Der Fahrer, ein stämmiger, älterer Mann, saß auf dem Vordersitz und blätterte in einer Zeitung. Weder diesen Mann noch den Wagen hatte Carter zuvor auf der Trauerfeier gesehen.

»Erde zu Erde, Asche zu Asche …«, sagte der Priester, und diese Worte hatte selbst Carter schon oft gehört.

Bills Mom sprach sie laut mit. Ihr Mann hatte seinen Arm schützend um ihre Schultern gelegt.

»Staub zu Staub; in der sicheren Gewissheit …«

Irgendwann auf dem Friedhof zu landen, dachte Carter. Aber wenn das ein Trost war …

»… der Wiederauferstehung zum ewigen Leben.« Der Priester schloss das Buch und sagte: »Amen.«

Die anderen murmelten ebenfalls »Amen«. Bills Mom stieß einen gedämpften Klagelaut aus, und ihr Mann drückte sie an sich. Jemand gab das Zeichen, und Stück für Stück wurde der Sarg in die Erde hinabgelassen. Unwillkürlich fühlte Carter sich an die Ausgrabungen in der Knochengrube auf Sizilien erinnert. Die Erde dort hatte ausgesehen wie hier, die Farbe von nassem Kaffeesatz, und am Boden, ebenfalls wie hier, lagen nur Knochen.

Eine Minute später war alles vorbei. Die Trauergäste verabschiedeten sich voneinander und zerstreuten sich. Suzanne kam zu Carter herüber und sagte: »Sie können mit der Limousine zurück in die Stadt fahren, aber wir müssen zuerst zum Haus von Bills Eltern und sie dort rauslassen.«

Es war Carter gar nicht in den Sinn gekommen, dass nicht jeder direkt zurück nach Manhattan fahren würde, und sein erster Gedanke war: Wo bekomme ich ein Taxi her? Innerhalb des Friedhofs war das natürlich unmöglich, und er hatte keine Ahnung, wo er sich eigentlich befand.

»Ja, sicher«, murmelte er und überlegte immer noch, welche andere Möglichkeit er hatte. »Aber ich will die Familie wirklich nicht stören. Sie wollen jetzt sicherlich allein sein.« Er suchte bereits mit Blicken die übriggebliebenen Autos ab, um zu sehen, ob er vielleicht bei irgendwem mit zurück in die Stadt fahren könnte. Ein grauer Toyota fuhr gerade los, und der einzige Wagen, der noch übrig war, war der schwarze Lincoln. Ein junger Mann stand jetzt daneben. Es war der Typ von der Trauerfeier, der so aussah wie ein professioneller Trauergast, und er schaute sogar direkt in Carters Richtung.

»Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment«, sagte er zu Suzanne. Das war vielleicht seine letzte Chance. »Ich bin gleich wieder da.«

Als Carter zum Lincoln hinüberging, riss der Trauergast die Augen auf. Vielleicht hatte das Bestattungsinstitut ihn als eine Art Kontrolleur geschickt, dachte Carter, nur für den Fall, dass bei der Beerdigung irgendetwas schiefging.

»Gehören Sie zufällig zu O’Banion Brothers?«, fragte Carter.

Der Mann machte ein ziemlich verwirrtes Gesicht. »Nein.«

»Es ist nur so, ich brauche eine Mitfahrgelegenheit zurück nach Manhattan, und ich wollte wissen, ob Sie vielleicht in die Richtung fahren.«

Die Augen des Mannes leuchteten auf, als sei er gerade mit einem völlig unerwarteten Geschenk überrascht worden. »Ja! Aber natürlich! Ich kann Sie absetzen, wo immer Sie wollen.«

»Danke.« Das war mehr, als Carter gehofft hatte. »Lassen Sie mich nur schnell Bills Familie Bescheid sagen, dass Sie mich mitnehmen.«

Überaus erleichtert ging Carter zurück und erklärte es Suzanne, die ihrerseits ebenfalls erleichtert wirkte. Vielleicht hätte die Familie für die Extrafahrt mit der Limo zahlen müssen.

Als er zum Lincoln zurückkehrte, bemerkte er in diskretem Abstand zwei Arbeiter mit Schaufeln. Totengräber, die darauf warteten, ihre Arbeit zu Ende zu bringen.

»Ich bin Carter Cox«, sagte er und streckte dem Mann die Hand entgegen, der ihn in die Stadt mitnahm.

»Ezra Metzger«, erwiderte dieser. Er deutete auf den Wagen. »Bitte.«

Carter stieg auf der einen Seite ein, während Ezra zur anderen ging und sich beinahe vor Begeisterung die Hände rieb. Vielleicht, dachte Ezra, wendete sich das Blatt jetzt doch zu seinen Gunsten. Erst gestern war er nach dem Tumult im UN-Park gegen Kaution und unter der Auflage, dass Sam und Kimberly für ihn bürgten, aus dem Gefängnis entlassen worden. Und heute bekam er eine Exklusivaudienz bei dem Mann in New York, mit dem er am dringendsten sprechen wollte.

»Das ist mein Onkel Maury«, sagte Ezra, als der Fahrer sich auf dem Vordersitz umdrehte.

»Nett, Sie kennenzulernen«, sagte Maury. »Und, wo sollen wir Sie rauslassen?«

»Irgendwo in Manhattan wäre fein«, erwiderte Carter. »Aber je näher am St. Vincent’s Hospital, desto besser.« Er hatte Joe heute noch nicht besucht.

»St. Vincent also«, sagte Maury. »Ich werde mir ein Spiel anhören, wenn ihr nichts dagegen habt«, fügte er hinzu und schaltete das Radio ein. Carter fragte sich, ob das ihre Methode war, um sich auf dem Rücksitz ungestört unterhalten zu können. Nicht, dass er glaubte, es gäbe irgendeine Veranlassung dazu.

Während der Wagen die gewundenen Wege über den Friedhof entlangfuhr, fragte Carter Ezra, woher er Bill Mitchell kannte.

»Tut mir leid, ich kannte ihn gar nicht.«

»Oh. Dann Sind Sie also ein Freund der Familie?«

»Nein, auch nicht. Ich habe aus der Zeitung von der Trauerfeier erfahren. Mein eigentliches Interesse bestand, wie ich zugeben muss, darin, Sie zu treffen.«

»Mich? Warum?«

»Weil ich von dem Unfall in Ihrem Labor gelesen habe und sehr neugierig bin, was genau geschehen ist. Ich denke, Sie werden es besser wissen als jeder andere.«

»Sind Sie ein Brandermittler?«, fragte Carter, obwohl die vornehme Limousine nicht gerade dafür sprach.

»Nein.«

»Ein Reporter?«

»O nein. Ich habe selbst in vielen Labors gearbeitet, zuletzt im Nahen Osten, und ich bin immer neugierig, wenn so ein grässliches Missgeschick geschieht wie bei Ihnen.« Im Moment bestand noch keine Veranlassung, Mr Cox seine wahren Gründe anzuvertrauen. »Darf ich fragen, was für eine Arbeit Sie genau in Ihrem Labor erledigten, als das Feuer ausbrach?«