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Carter wandte den Kopf ab und schnappte erneut nach Luft.

War es nicht merkwürdig? Erst Russo, und nun dieser Kerl, beide übel verbrannt. Fast am selben Ort, und innerhalb weniger Tage. Wie standen die Chancen, dass es sich um einen Zufall handelte? Carter schätzte sie als nicht besonders groß ein.

Er sah sich im dunklen Kelleraufgang um, aber alles, was er fand, waren Asche und Fetzen von verbranntem Zeitungspapier. Mehr nicht. Er konnte nichts mehr für den toten Donald Dobkins tun, außer die Polizei zu rufen.

In der Telefonzelle an der Ecke wählte er 911, und eine Minute später kreuzte ein Streifenwagen auf. Ein Mord, vermutete Carter, stand bei der Polizei immer noch hoch im Kurs.

Er reichte einem der Beamten den Führerschein, den er gefunden hatte, und war gerade dabei zu erklären, wie er die Leiche gefunden hatte, als ein weiterer Wagen, dieses Mal ein Zivilfahrzeug, auftauchte. Ein Mann mittleren Alters stieg aus. Er trug einen alten grauen Regenmantel sowie eine große schwarze Brille mit mindestens einem Zentimeter dicken Gläsern. »Haben Sie angerufen?«, fragte er Carter, und dieser nickte. »Dann bin ich derjenige, mit dem Sie sich unterhalten sollten.« Er öffnete seinen Mantel, um die goldene Plakette vorzuzeigen, die an seinem herabhängenden Gürtel befestigt war. »Ich bin Detective Finley.«

Er warf einen kurzen Blick in den Kelleraufgang, dann sagte er müde: »Warten Sie hier.«

Carter tat wie befohlen, obwohl er bereits bedauerte, jemals in diese Sache hineingeraten zu sein. Warum hatte er nicht einfach anonym angerufen, den Führerschein dort gelassen, wo er ihn gefunden hatte, und sich davongemacht? Das wäre nicht richtig gewesen, aber zumindest würde er jetzt nicht hier herumstehen und darauf warten, die kostbaren spärlichen Informationen weiterzugeben, die er hatte.

Detective Finley kam die Stufen hoch und steckte sich die Finger in die Ohren, als der Krankenwagen mit heulenden Sirenen am Tatort ankam. Als der Wagen anhielt und die Sirenen verstummten, nahm Detective Finley die Finger wieder raus. »Das machen sie immer«, sagte er zu Carter. »Ich werde noch taub davon.«

Carter lächelte mitfühlend. »Berufsrisiko, schätze ich.«

»Nicht das schlimmste.«

Nein, vermutlich nicht. Der Detective zog einen Notizblock aus der Tasche seines Regenmantels und nahm pflichtbewusst Carters Namen, seine Telefonnummer und ein paar Stichworte auf, wie er die Leiche gefunden hatte und warum er überhaupt hier gewesen war. Als Carter erwähnte, dass er in dem Labor auf der anderen Straßenseite arbeitete, schien der Detective die Ohren zu spitzen. »Ich wurde an dem Abend dazugerufen«, sagte er. »Wir haben eine Leiche da rausgeholt, die genauso übel verbrannt war wie diese hier, und einen Kerl, der noch geatmet hat.«

»Das ist ein Freund von mir, derjenige, der noch lebt. Er liegt jetzt im St. Vincent’s Hospital.«

»Ich weiß. Ich habe ihm die Hand gehalten, bis sie ihn in die Notaufnahme gebracht hatten.« Traurig schüttelte er den Kopf. »Armer Kerl – ich bin froh, dass er durchgehalten hat.« Er deutete auf den Kelleraufgang, wo die Sanitäter die Leiche auf eine Bahre legten. »Und jetzt sieht es so aus, als hätten wir ein weiteres Brandopfer, bloß dass dieses bereits seit ein oder zwei Tagen tot ist.«

»Ich weiß, wer es ist«, erklärte Carter freiwillig. »Ich habe sogar …«

»Wir kennen ihn ebenfalls. Er ist einer der Transvestiten, die in dieser Ecke arbeiten. Er wurde hin und wieder zusammengeschlagen, das werden sie alle. Aber so etwas Übles ist noch nie vorgekommen.«

»Sie meinen also, einer seiner … Kunden hätte ihm das angetan?«

Detective Finley trat zur Seite, um die Bahre vorbeizulassen. Selbst jetzt, wo die Leiche in eine Plastikdecke gehüllt war, war der Gestank noch heftig. Die Sanitäter trugen Zellstoffmasken.

»Das kann ich im Moment noch nicht sagen. Aber was mich stutzig macht, ist die Tatsache, dass es genau gegenüber von dem Ort passiert ist, wo ich die letzten Brandopfer gesehen habe.«

Obwohl es schwierig war, Finleys Augen durch die dicken Brillengläser zu erkennen, hatte Carter das Gefühl, eindringlich gemustert zu werden.

»Was haben Sie eigentlich in diesem Labor gemacht?«, fragte Finley.

»Wir haben an einem Fossil gearbeitet. Ein seltener Fund, aus Italien.«

»Haben Sie brennbare Stoffe verwendet, wie zum Beispiel chemische Mittel? Schneidbrenner?«

Er griff nach Strohhalmen, so viel war Carter klar, aber zum ersten Mal dämmerte es Carter, dass er vielleicht aufpassen sollte, was er sagte. »Es wurden ein paar zusätzliche Scheinwerfer provisorisch angebracht«, räumte er ein. »Der Brandinspektor glaubt, dass das Feuer dadurch verursacht wurde.«

Detective Finley schürzte die Lippen. »Ziemlich großer Rums für eine falsche Sicherung.«

Natürlich könnte Carter erklären, was wirklich geschehen war, wenn er wollte. Er könnte ihm sagen, was Russo ihm mitgeteilt hatte, dass Mitchell den Laser auf die Felsplatte gerichtet hatte, einen Felsen, in dessen Inneren sich Kammern mit explosiven Gasen befanden. Doch aus irgendeinem Grund tat er es nicht. Er erzählte auch nicht, was Russo in seinem verwirrten Zustand über das lebendig gewordene Fossil gesagt hatte.

»Haben Sie jemals mit diesem Typ, Donald Dobkins, der Hure, geredet?«

»Nein«, sagte Carter, ehe er sich verbesserte und sagte: »Ach, doch, einmal.« Verdammt, dachte er. Finley würde seine Verwirrung bemerken. »Ich war auf dem Land, als sich der Unfall ereignete, aber direkt danach bin ich zum Labor, am Tag nach dem Unfall. Da habe ich ihn auf der Straße gesehen. Er faselte etwas davon, dass er jemanden aus dem brennenden Gebäude hatte kommen sehen.« Warum hatte er immer stärker das Gefühl, ein Alibi abzugeben?

»Und wer, glaubte er, war herausgekommen?«

Carter zögerte. Er wusste, wohin das führen könnte. Vielleicht dachte Finley, dass Donald Dobkins den Brandstifter erkannt hatte und dieser zurückgekommen war, um sich des Zeugen zu entledigen. Aber Carter wusste, dass es nicht so gewesen war. »Wenn Sie es genau wissen wollen, er sagte, er habe einen nackten Mann aus Licht gesehen«, antworte Carter. Das würde zumindest der Befragung in diese Richtung ein Ende bereiten.

Doch Finley wirkte merkwürdigerweise nicht überrascht. »Passt zu der allgemeinen Beschreibung.«

Passte zu was?

»Obwohl Mr Russo immer wieder das Bewusstsein verlor, als er hier rausgebracht wurde«, fügte der Detective hinzu, »murmelte er etwas ganz Ähnliches.«

»Ach ja?«

Der Detective nickte, während er in seinen Taschen herumwühlte und eine Visitenkarte zutage förderte, die so abgewetzt aussah, als hätte er sie bereits Dutzende Male überreicht. »Wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt, rufen Sie mich an.« Er wandte sich zu seinem Wagen. »In der Zwischenzeit werden wir Ausschau halten nach jemandem, der aus Licht besteht und durch die Gegend spaziert.«

Der Krankenwagen fuhr davon, und einen Augenblick später folgte ihm das Auto des Detectives. Einer der Polizisten stand immer noch oben am Kelleraufgang und sprach in ein Walkie-Talkie. Schließlich begriff Carter, dass er jetzt frei war zu gehen, obgleich niemand ihm eine besondere Erlaubnis erteilt hatte.

Es wirkte alles so … unspektakulär. Er hatte eine Leiche entdeckt, einen toten, verbrannten Körper, und jetzt war schon alles vorbei. Er ging davon. Niemand hatte mehr weitere Fragen an ihn, es gab nichts mehr, das er tun könnte. Möglicherweise war das der Grund, warum ihn das ganze Grauen, das er gerade erlebt hatte, in einer verspäteten Reaktion erst jetzt traf. Da er nichts zu tun hatte und mit niemandem reden musste, konnte er sich plötzlich ganz auf die Realität konzentrieren, auf die grausige, haarsträubende Entdeckung, die er gemacht hatte. Es war nicht die erste Leiche, die er je gesehen hatte. Bei seinen Expeditionen hatte er es gelegentlich mit Todesfällen zu tun, mit den sterblichen Überresten von Menschen, die auf natürlichem Weg oder durch ein Unglück gestorben waren. Aber das hier war etwas ganz anderes. Dies war einer jener Anblicke, die einen bis in die Träume hinein verfolgten. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Als hätte er im Moment nicht schon genug Probleme, Schlaf zu finden.