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„Danke“, sagte Loren nach einer Weile. „Jetzt ist es viel besser. Aber bitte nicht aufhören.“

„Hast du wirklich geglaubt, das würde ich tun?“ flüsterte sie.

Und schließlich wurden sie, zwischen zwei Welten, eins.

Vierter Teil

Krakan

21. Die Akademie

Die Mitgliederzahl der thalassanischen Akademie der Wissenschaften war streng auf die hübsche, runde Binärzahl 100000000 — oder für die, die lieber an den Fingern abzählten, 256, beschränkt. Der Wissenschaftsoffizier der ‚Magellan‘ hielt diese Exklusivität für gut; dadurch wurde das Niveau gewahrt. Und die Akademie nahm ihre Verantwortung sehr ernst; der Präsident hatte ihr gestanden, daß es im Augenblick nur 241 Mitglieder gab, weil es sich als unmöglich herausgestellt habe, alle freien Stellen mit qualifiziertem Personal zu besetzen.

Von diesen 241 waren nicht weniger als 105 persönlich im Hörsaal der Akademie anwesend, und 116 hatten sich mit ihren Komgeräten zugeschaltet. Es war eine Rekordbeteiligung, und Dr. Anne Varley fühlte sich in höchstem Maße geschmeichelt — obwohl sie eine flüchtige Neugier bezüglich der fehlenden 20 nicht unterdrücken konnte.

Es war ihr auch nicht ganz geheuer, als einer der führenden Astronomen der Erde vorgestellt zu werden — obwohl das, leider, zum Zeitpunkt des Starts der ‚Magellan‘ nur allzu wahr gewesen war. Zeit und Schicksal hatten der ehemaligen Leiterin des — ehemaligen — Schklowskij-Mondobservatoriums diese einmalige Chance zu überleben geboten. Sie wußte sehr wohl, daß sie nicht mehr als kompetent war, verglichen mit dem Wissensstand solcher Größen wie Ackerley oder Chandrasekhar oder Herschel — und noch weniger im Vergleich zu Galilei, Kopernikus oder Ptolemäus.

„Hier ist es“, begann sie. „Sicher haben Sie diese Karte von Sagan Zwei alle gesehen — die bestmögliche Rekonstruktion nach Überflügen und Funkhologrammen. Der Ausschnitt ist natürlich sehr klein — bestenfalls zehn Kilometer — aber er reicht aus, um uns die grundlegenden Fakten zu vermitteln.

Durchmesser — fünfzehntausend Kilometer, etwas größer als die Erde. Dichte Atmosphäre — fast ausschließlich Stickstoff. Und — glücklicherweise — kein Sauerstoff.“

Dieses ‚glücklicherweise‘ weckte immer die Aufmerksamkeit; es riß das Publikum ruckartig hoch.

„Ich verstehe ihre Überraschung; die meisten Menschen sind zugunsten des Atmens voreingenommen. Aber in den Jahrzehnten vor dem Exodus ist viel geschehen, was unsere Sicht des Universums verändert hat.

Das Fehlen anderer Lebewesen — in Vergangenheit und Gegenwart — im Sonnensystem und das Scheitern der SETI-Programme, trotz sechzehnhundert Jahre lang fortgesetzter Bemühungen, hat praktisch jeden davon überzeugt, daß Leben anderswo im Universum sehr selten und daher sehr kostbar sein muß.

Daraus folgte, daß alle Lebensformen Achtung verdienten und gehegt werden sollten. Es wurde sogar verlangt, nicht einmal virulente Pathogene und Seuchenüberträger auszurotten, sondern sie unter strengen Sicherheitsvorkehrungen zu schützen. ‚Ehrfurcht vor dem Leben‘ wurde während der letzten Tage eine sehr beliebte Wendung — und nur wenige bezogen sie ausschließlich auf menschliches Leben. Sobald das Prinzip der biologischen Nichteinmischung allgemein akzeptiert war, folgten bestimmte, praktische Konsequenzen. Man war sich schon seit langem darüber einig, daß wir nicht versuchen sollten, Planeten mit intelligenten Lebensformen zu besiedeln; das Sündenregister der menschlichen Rasse auf ihrer Heimatwelt war schon schlimm genug. Glücklicheroder unglücklicherweise ist diese Situation niemals eingetreten.

Aber die Argumentation wurde noch weitergeführt.

Angenommen, wir fänden einen Planeten, auf dem tierisches Leben in seinen ersten Anfängen vorhanden war. Sollten wir beiseitetreten und der Evolution ihren Lauf lassen, weil die Möglichkeit bestand, daß — in Megajahren — Intelligenz entstehen könnte?

Um noch weiter zurückzugehen — angenommen, es gab nur pflanzliches Leben? Nur einzellige Mikroben?

Es mag für Sie überraschend sein, daß sich die Menschen in einer Zeit, in der die ganze Existenz der menschlichen Rasse auf dem Spiel stand, damit abgaben, über solch abstrakte moralische und philosophische Fragen zu diskutieren. Aber der Tod konzentriert das Denken auf die Dinge, die wirklich wichtig sind: warum sind wir hier, und was sollen wir tun?

Der Gedanke des ‚Metagesetzes‘ — diesen Ausdruck haben Sie sicher alle schon gehört — wurde sehr populär. War es möglich, einen Gesetzesund Moralkodex zu entwickeln, der auf alle intelligenten Wesen anwendbar war, nicht nur auf die zweibeinigen, luftatmenden Säugetiere, die kurzzeitig den Planeten Erde beherrscht hatten?

Übrigens war Dr. Kaldor einer der Anführer dieser Diskussion. Das machte ihn bei den Leuten, die der Ansicht waren, nachdem der H. sapiens die einzig bekannte, intelligente Spezies sei, habe sein Überleben Vorrang vor allen anderen Erwägungen, ziemlich unbeliebt. Jemand erfand den einprägsamen Slogan: ‚Wenn es gilt, zwischen dem Menschen und dem Schleimpilz zu entscheiden, dann stimme ich für den Menschen!‘

Glücklicherweise ist es nie zu einer direkten Konfrontation gekommen — soweit wir wissen. Es kann noch Jahrhunderte dauern, bis wir Berichte von allen Saatschiffen bekommen, die gestartet sind. Und wenn einige stumm bleiben — nun, dann haben vielleicht die Schleimpilze gewonnen…

Im Jahre 3505, bei der letzten Sitzung des Weltparlaments, wurden bestimmte Richtlinien — die berühmte Genfer Direktive — für die künftige Kolonisierung von Planeten aufgestellt. Viele fanden sie zu idealistisch, und es gab keinerlei Möglichkeit, sie jemals durchzusetzen. Aber sie waren eine Absichtserklärung — eine letzte Geste des guten Willens gegenüber einem Universum, das vielleicht niemals in der Lage sein würde, sie zu schätzen.

Nur eine Richtlinie dieser Direktive betrifft uns hier — aber sie wurde am meisten gefeiert und führte zu heftigen Streitigkeiten, da sie einige der vielversprechendsten Ziele ausschaltete.

Das Vorhandensein von mehr als ein paar Prozent Sauerstoff in einer Planetenatmosphäre ist ein eindeutiger Beweis dafür, daß dort Leben existiert. Dieses Element ist viel zu reaktionsfreudig, um in freier Form vorzukommen, außer, wenn es ständig von Pflanzen — oder ihren Äquivalenten — ergänzt wird. Natürlich bedeutet Sauerstoff nicht notwendigerweise tierisches Leben, aber er bereitet den Boden dafür. Und auch wenn tierisches Leben nur selten zu Intelligenz führt, so wurde doch nie ein anderer, plausibler Weg dorthin theoretisch entwickelt.

Deshalb wurde, den Prinzipien des Metagesetzes zufolge, die Landung auf Sauerstoff enthaltenden Welten verboten. Ich bezweifle offen gestanden, ob man eine so drastische Entscheidung getroffen hätte, wenn wir durch den Quantenantrieb nicht unbegrenzte Reichweite — und Energie — bekommen hätten.

Lassen Sie mich nun unseren Operationsplan beschreiben, nachdem wir Sagan Zwei erreicht haben. Wie Sie auf der Karte sehen werden, sind mehr als fünfzig Prozent der Oberfläche von Eis bedeckt, in einer geschätzten Dicke von drei Kilometern. So viel Sauerstoff, wie wir jemals brauchen werden!

Wenn die ‚Magellan‘ ihre endgültige Umlaufbahn erreicht hat, wird sie den Quantenantrieb mit einem kleinen Bruchteil der vollen Leistung als Fackel einsetzen.

Damit werden wir das Eis abbrennen und gleichzeitig den Dampf in Sauerstoff und Wasserstoff aufspalten. Der Wasserstoff wird schnell in den Weltraum entweichen; wenn nötig, können wir auch mit funkgesteuerten Lasern nachhelfen.

In nicht mehr als zwanzig Jahren wird Sagan Zwei eine zehnprozentige O2-Atmosphäre haben, aber diese wird zu viele Stickstoffoxide und andere Gifte enthalten, um atembar zu sein. Etwa zu dieser Zeit werden wir anfangen, speziell entwickelte Bakterien und bald darauf Pflanzen abzusetzen, um den Prozeß zu beschleunigen. Aber der Planet wird immer noch viel zu kalt sein; selbst wenn man die Wärmemenge berücksichtigt, die wir hineingepumpt haben, wird die Temperatur überall unter dem Gefrierpunkt liegen, ausgenommen ein paar Stunden um die Mittagszeit, nahe dem Äquator.