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»Sind Sie sicher, daß das auch klug ist?« fragte Mike. Trautman lachte, leise und auf eine Art, die Mike fröstein ließ. »Nein«, sagte er. »Aber bestimmt wirksam. Auf eure Plätze!«

Es lag etwas so Befehlendes in der Art, wie er das sagte, daß Mike nicht einmal auf den Gedanken kam, sich zu widersetzen oder auch nur noch eine Frage zu stellen, sondern sich auf Skalen und Schalter konzentrierte. Das Motorengeräusch wurde lauter, als die NAUTILUS immer schneller wurde. Mike konnte ihr genaues Tempo auf seinen Instrumenten nicht erkennen, aber er spürte, daß das Schiff seine normale Höchstgeschwindigkeit längst überschritten hatte und immer noch weiter beschleunigte. Eine sonderbare Erregung ergriff von ihm Besitz. Das Gefühl war nicht sehr angenehm, aber er konnte sich ihm auch nicht entziehen. Er glaubte den Anblick, den die NAUTILUS plötzlich bieten mußte, vor seinem inneren Auge zu sehen: Das Schiff schoß wie ein gigantischer, stählerner Raubfisch unter Wasser auf seine Beute zu, nicht mehr länger ein friedliches U-Boot, das die Weltmeere durchkreuzte, sondern ein Ungetüm, das Vernichtung und Tod brachte.

Trautmans Blick war auf eine komplizierte Apparatur gerichtet, auf der er die Entfernung zu ihrem Ziel ablesen konnte. Mike erschrak, als er sah, wie rasch sie sich der LEOPOLD näherten. Sie brauchten die Torpedos, von denen Ben vorhin gesprochen hatte, gar nicht mehr. Bei dieser Geschwindigkeit wurde die gesamte NAUTILUS zu einem einzigen, übergroßen Geschoß.

»Was haben Sie vor?« erkundigte sich Juan. »Sie wollen das Schiff doch nicht wirklich versenken, oder?«

Trautman biß sich auf die Lippen. »Nein«, sagte er dann. »Aber wir werden für ein wenig Aufregung an Bord sorgen.« Er lachte. »Das letzte, womit Winterfeld jetzt vermutlich rechnet ist, daß wir ihn angreifen. Und gerade darum tun wir es.«

»Angreifen?« Juans Stimme verriet weitaus mehr von seiner Unsicherheit als sein Gesichtsausdruck. »Die LEOPOLD ist ein ziemlich großes Schiff, Trautman«, sagte er. »Selbst im Vergleich zur NAUTILUS. Sind Sie sicher, daß wir sie besiegen können?«

»Ja«, antwortete Trautman. »Wir könnten es, wenn es sein müßte. Aber ich habe nicht vor, jemanden zu töten. Wir können das Schiff beschädigen und in dem Durcheinander versuchen, Arronax und seine Leute zu befreien und die Taucherglocke an uns zu bringen - oder notfalls zu zerstören.«

»Und wie wollen Sie das machen?« fragte Mike.

»Wir werden der LEOPOLD ein wenig den Bauch aufschlitzen«, erklärte Trautman vergnügt. »Ein so großes Schiff wird davon nicht untergehen, aber die Mannschaft wird alle Hände voll zu tun haben, um das Wasser aus dem Schiff zu pumpen.«

»Aufschlitzen?!« Mike tauschte einen erschrockenen Blick mit Juan und André. Irgend etwas stimmte hier nicht, das spürte er.

»Natürlich«, erklärte Trautman. »Auf diese Weise hat dein Vater all seine Opfer erlegt. Was glaubst du, wofür die NAUTILUS den Zackenkamm hat? Damit sägen wir das Schiff auf, als bestünde es aus Butter, statt aus massivem Eichenholz.«

»Holz?« stammelte Mike. Er fühlte eisigen Schrecken in sich aufsteigen. Sie hatten die LEOPOLD fast erreicht. »Sagten Sie: Eichenholz?«

Trautman nickte und sah ihn an, als zweifelte er an seinem Verstand. »Was sonst? Kriegsschiffe baut man schließlich nicht aus Schilf, oder? Es wird einen ganz schönen Ruck geben, aber wir -«

»Worauf Sie sich verlassen können«, fiel ihm Juan trocken ins Wort. »Es mag noch viele Segler aus Holz gegeben haben, als Nemo und Sie die Weltmeere unsicher gemacht haben, aber das Ding da vorne -« Er hob die Hand und deutete zum Bug hin. »- besteht aus mindestens fünf Zentimeter starkem Panzerstahl!«

»Stahl?« wiederholte Trautman. Auf seinem Gesicht erschien ein bestürzter Ausdruck.

»Panzerstahl«, verbesserte ihn Juan. Er deutete mit Daumen und Zeigefinger einen Abstand von gut fünf Zentimetern an. »So dick.«

Trautman starrte ihn mit blankem Entsetzen an.

»O mein Gott!« flüsterte er. »Wir müssen -«

Er kam nicht weiter. Die Zahlen auf der Anzeige vor ihm hatten die Null erreicht.

Mike fand gerade noch Zeit, sich am Rand seines Pultes festzuklammern, da ging auch schon ein ungeheurer Schlag durch die NAUTILUS. Das Schiff dröhnte wie eine riesige Glocke, die von einem ebenso riesigen Klöppel getroffen worden war, und diesmal war es, als wären sie unter die Füße eines zornigen Riesen geraten, der sich vorgenommen hatte, sie in den Meeresgrund zu rammen. Mike wurde aus seinem Sessel und in die Höhe gerissen, verlor den Halt und schlug einen Salto in der Luft, während er über sein Pult hinwegsegelte. Gellende Schreie erfüllten den Kommandoraum, Mike stürzte hart, wurde erneut herumgerissen und prallte gegen etwas Hartes, daß er glaubte, sein Rückgrat bräche entzwei. Das Licht flackerte. Ein schriller, mißtönender Laut erklang, als schrie das Schiff wie unter Schmerzen, und er konnte hören, wie irgendwo weiter am Heck etwas zerbrach. Decke, Boden und Wände schienen einen wilden Tanz um ihn herum aufzuführen, und er sah noch, wie sich der Boden immer weiter und weiter nach vorne senkte, als das Schiff regelrecht ins Meer hineingetrieben wurde. Vergeblich suchte er nach irgend etwas, woran er sich festklammern konnte.

Dann sprang plötzlich die stählerne Wand des Raumes auf ihn zu, und das war für etliche Stunden das letzte, was er sah.

Jemand schlug Mike ins Gesicht: so leicht, daß es nicht weh tat, aber auch so hartnäckig und gleichmäßig, daß es ihm unmöglich war, das zu tun, was er am liebsten getan hätte - nämlich weiterzuschlafen. Widerwillig hob Mike das linke Augenlid, sah ein dunkles, von schwarzem Haar umrahmtes Gesicht über sich und schloß das Auge sofort wieder.

»Lßmchnruhe«, nuschelte er. Singh jedoch schlug Mike weiter geduldig abwechselnd auf die rechte und die linke Wange, bis dieser endlich die Augen öffnete und seine Hand festhielt.

»Ich denke, du bist mein Leibwächter«, sagte er. »Wieso schlägst du dann auf mich ein, als würdest du dafür bezahlt?«

Es war eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen tatsächlich ein Lächeln auf Singhs Zügen erschien. »Ihr müßt aufwachen, Herr«, sagte er.

»Wenn das so ist, warum versuchst du dann, mich wieder bewußtlos zu schlagen?« maulte Mike. Er wollte nicht aufwachen. Er hatte einen so spannenden Traum gehabt. Er hatte geträumt, daß die NAUTILUS das deutsche Kriegsschiff angegriffen hatte und dabei so schwer beschädigt worden war, daß -

Geträumt?

Mike setzte sich mit einem so plötzlichen Ruck auf, daß Singh erschrocken ein Stück zurückprallte. Es war kein Traum gewesen! Sie hatten die LEOPOLD angegriffen, und das Schiff war beschädigt worden. Zumindest war das letzte, woran er sich erinnern konnte, daß Trautman wohl gründlich die Kontrolle über die NAUTILUS verloren hatte und sich das Tauchboot auf dem Weg zum Meeresboden befand, fünf Meilen unter der Wasseroberfläche.

»Was ist passiert?« fragte er. »Wo sind wir?«

»Keine Sorge, Herr«, antwortete Singh. »Es ist alles in Ordnung. Niemand ist ernsthaft verletzt.«

»Das ist dein Standpunkt«, sagte eine wohlbekannte, nörgelnde Stimme hinter Mike, die ihn endgültig davon überzeugte, daß er nicht mehr träumte. Er drehte sich herum und sah in Bens Gesicht, der Singh unter einem frischen Stirnverband hervor zornig anfunkelte. »Bei Gelegenheit sollten wir uns über die genaue Bedeutung der Worte ›nicht ernsthaft verletzt‹ unterhalten. Ich habe mir fast den Schädel eingeschlagen.«

»Eben«, sagte André gelassen. »Es wurde kein besonders wertvoller Körperteil in Mitleidenschaft gezogen.« Ben warf ihm einen giftigen Blick zu, den André mit einem Grinsen quittierte - das allerdings wenig überzeugend ausfiel. Es lag wohl daran, daß er kaum einen besseren Anblick bot als der junge Engländer - und die anderen ebenfalls. Chris trug einige Heftpflaster auf der Stirn und einen Verband um das rechte Handgelenk. Andrés linkes Auge war dunkel unterlaufen und halb zugeschwollen, und Juans Wange zierte ein langer, erst halb verschorfter Kratzer. Es schien genauso zu sein, wie Singh behauptet hatte: Keiner von ihnen war ernsthaft verletzt, aber offensichtlich war auch niemand ohne Blessuren davongekommen.