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„Die Station ist ausgestorben und während der fünfundsiebzig Jahre nicht wieder besetzt worden! Höchstwahrscheinlich hat sich eine Katastrophe auf dem Planeten ereignet. Wir müssen niedriger gehen, die Atmosphäre durchstoßen und möglicherweise landen. Alle sind hier versammelt — ich erbitte die Meinung des Rates.“

Lediglich der Astronom Pur Hiss wollte Einwände machen. Empört betrachtete Nisa seine raubvogelähnliche Nase und die tiefsitzenden häßlichen Ohren.

„Wenn auf dem Planeten eine Katastrophe eingetreten ist, haben wir keinerlei Chance, Anameson zu erhalten. Ein Umfliegen des Planeten in geringer Höhe und erst recht eine Landung würden unseren Treibstoffvorrat fast verbrauchen. Außerdem wissen wir nicht, was geschehen ist. Wir können gewaltigen Strahlungen ausgesetzt sein, die uns zugrunde richten.“

Alle anderen Expeditionsmitglieder unterstützten dagegen den Vorschlag des Leiters.

„Keinerlei planetarische Strahlungen“, erläuterte Erg Noor, „können ein Schiff mit kosmischem Schutz gefährden. Und sind wir nicht hierher gesandt worden, um zu klären, was sich ereignet hat? Was wird die Erde dem Großen Ring antworten? Festzustellen, daß etwas geschehen ist, ist wenig, wir müssen eine Erklärung dafür finden. Entschuldigen Sie meine schülerhaften Überlegungen!“ In seiner metallischen Stimme klang Spott. „Wir können uns wohl kaum dieser Pflicht entziehen.“

„Die Temperatur in den oberen Schichten der Atmosphäre ist normal!“ rief Nisa erfreut, nachdem sie die Messungen ausgeführt hatte.

Lächelnd begab sich Erg Noor an das Steuerpult und ließ das Schiff tiefer gehen, wobei er vorsichtig, Schleife um Schleife, den Spiralflug des Sternschiffes verlangsamte. Die Sirda war etwas kleiner als die Erde, daher war bei einem niedrigen Umfliegen keine große Geschwindigkeit erforderlich. Die Astronomen und die Geologin verglichen die Karten von dem Planeten mit den Beobachtungen der optischen Geräte der „Tantra“. Die Kontinente hatten ihre früheren Umrisse genau bewahrt, die Meere glitzerten ruhig in der roten Sonne. Auch die Gebirgskämme, von früheren Aufnahmen bekannt, hatten ihre Formen nicht verändert — der Planet aber schwieg.

Fünfunddreißig Stunden lang verließ keiner der Expeditionsteilnehmer seinen Beobachtungsposten, nur von Zeit zu Zeit lösten sie einander an den Geräten ab. Die Zusammensetzung der Atmosphäre, die Ausstrahlung des roten Himmelskörpers — alles deckte sich mit den früheren Angaben über die Sirda. Erg Noor las im Handbuch der Sirda die Zahlenangaben über ihre Stratosphäre nach. Die Ionisierung war höher als gewöhnlich. Erg Noor ahnte, was geschehen war.

Auf der sechsten Schleife der absteigenden Spirale des Sternschiffes wurden die Konturen großer Städte sichtbar. Doch noch immer war kein einziges Signal in den Empfangsgeräten der „Tantra“ zu hören.

Nisa war abgelöst worden, zum Essen gegangen und dann wahrscheinlich eingenickt. Ihr schien, als habe sie nur wenige Minuten geschlafen. Das Sternschiff überflog die Nachtseite der Sirda nicht schneller als ein gewöhnliches Flugschiff die Erde. Da unten mußten Städte, Fabriken und Häfen liegen. Doch kein einziges Licht blinkte in dieser Finsternis, wie sehr auch die starken Stereoteleskope danach suchten. Das alles übertönende Donnern, mit dem das Sternschiff die Atmosphäre durchstieß, mußte kilometerweit zu hören sein. Eine Stunde verrann. Die Qual des Wartens wurde unerträglich. Erg Noor schaltete die Warnsirene ein. Ein furchtbares Heulen durchdrang die schwarze Leere, und die Schiffsbesatzung hoffte, daß es, wie auch das Donnern der Atmosphäre, von den immer noch schweigenden Bewohnern der Sirda gehört werde.

Purpurrotes Licht verdrängte die unheilverkündende Finsternis: die „Tantra“ hatte die Tagseite des Planeten erreicht. Doch unten blieb weiterhin alles schwarz. Die schnell vergrößerten Aufnahmen zeigten einen dichten Teppich von Blumen, die dem samtschwarzen Mohn auf der Erde ähnelten.

Über Tausende Kilometer erstreckte sich das Dickicht des schwarzen Mohns. Wie die Rippen riesiger Skelette hoben sich von dem schwarzen Teppich die Straßen der Städte ab, wie rote Wunden muteten die rostigen Eisenkonstruktionen an. Nirgends ein Lebewesen oder ein Baum — nichts als schwarzer Mohn!

Die „Tantra“ warf eine automatische Beobachtungsstation ab und gelangte wieder auf die Nachtseite. Sechs Stunden darauf meldete die automatische Station die Zusammensetzung der Luft, die Temperatur, den Druck und die sonstigen Verhältnisse unmittelbar über dem Boden. Alles war normal für den Planeten, mit Ausnahme der erhöhten Radioaktivität.

„Eine entsetzliche Tragödie!“ flüsterte Eon Tal, der Biologe der Expedition, während er die letzten Angaben der Station notierte. „Sie haben sich und ihren ganzen Planeten umgebracht.“

„Wirklich?“ fragte Nisa betroffen. „Entsetzlich! Dabei ist die Ionisierung gar nicht so stark.“

„Seitdem sind viele Jahre vergangen“, antwortete der Biologe rauh. „Solch ein radioaktiver Zerfall ist gerade dadurch gefährlich, daß die Strahlung unmerklich zunimmt. Jahrhundertelang vergrößern sich die Biodosen der Strahlen, bis plötzlich der qualitative Sprung erfolgt! Zerstörung der Erbanlage, Aufhören der Reproduktion des Menschen, Strahlenepidemien… Das geschieht nicht zum erstenmal. Dem Ring sind ähnliche Katastrophen bekannt.“

„Zum Beispiel auf dem sogenannten Planeten der violetten Sonne“, ließ sich Erg Noors Stimme aus dem Hintergrund vernehmen.

„Das Tragische dabei ist, daß die merkwürdige Sonne seine Bewohner ohnehin mit starker Energie versorgte“, bemerkte finster Pur Hiss. „Ihre Leuchtkraft beträgt das Achtundsiebzigfache unserer Sonne, und sie gehört zur Spektralklasse A null.“

„Wo ist dieser Planet?“ erkundigte sich Eon Tal. „Ist es etwa der, den der Rat besiedeln will?“

„Ja, der. Nach ihm ist die ›Algrab‹ benannt worden.“

„Algrab oder auch Delta Corvi!“ rief der Biologe. „Aber er ist doch ungeheuer weit entfernt!“

„Sechsundvierzig Parsek. Was macht das! Wir bauen ja Sternschiffe für immer größere Entfernungen.“

Der Biologe nickte und brummte; man hätte das Sternschiff lieber nicht nach einem ausgestorbenen Planeten benennen sollen.

„Aber der Stern ist doch nicht untergegangen, und auch der Planet nicht.“

„Kein Jahrhundert wird vergehen, und wir haben ihn wieder besiedelt“, antwortete Erg Noor überzeugt.

Er entschloß sich zu dem schwierigen Manöver, die Flugbahn des Sternschiffes von den Breitengraden auf die Meridiane zu verlegen. Wie könnte man den Planeten verlassen, ohne festgestellt zu haben, ob alle umgekommen waren? Vielleicht hatten die Überlebenden das Sternschiff nicht zu Hilfe rufen können, weil die Energiestationen und die Geräte versagt hatten?

Nicht das erstemal sah Nisa den Leiter während eines verantwortungsvollen Manövers am Steuerpult stehen. Mit seinem markanten Gesicht, seinen knappen, exakten Bewegungen kam Erg Noor dem jungen Mädchen wie ein legendärer Held vor.

Und wieder zog die „Tantra“ ihre Bahn um die Sirda, diesmal von Pol zu Pol. Bisweilen tauchten weite Strecken kahlen Bodens auf, besonders in den mittleren Breiten. Durch den Nebel schimmerten rote Sandwellen, die der Wind über weite Flächen geweht hatte. Dann dehnte sich erneut die samtene Trauerdecke schwarzen Mohns aus — die einzige Pflanze, die der Radioaktivität widerstanden oder unter ihrem Einfluß eine lebensfähige Mutation entwickelt hatte.

Eines war klar: Es würde aussichtlos, ja sogar gefährlich sein, auf dem Planeten Anameson zu suchen, von dem auf Empfehlung des Großen Rings für Gäste aus anderen Welten Vorräte angelegt worden waren. (Die Sirda besaß noch keine Sternschiffe, sondern nur kleinere Raketen.) Die „Tantra“ schraubte sich wieder langsam spiralförmig in die Höhe. Nachdem das Sternschiff mit Hilfe der Ionentriebwerke, die bei Flügen von einem Planeten zum anderen sowie für Start und Landung eingesetzt wurden, seine Geschwindigkeit auf siebzehn Kilometer pro Sekunde erhöht hatte, verließ es den ausgestorbenen Planeten und nahm Kurs auf ein unbewohntes, nur unter einer Chiffre bekanntes System, wo kosmische Markierungszeichen gesetzt worden waren und wo die „Algrab“ sie erwarten sollte. Dann wurden die Anamesontriebwerke eingeschaltet, die das Sternschiff innerhalb von zweiundfünfzig Stunden auf seine normale Reisegeschwindigkeit von neunhundert Millionen Kilometern in der Stunde brachten. Bis sie den Treffpunkt erreichten, würde es noch fünfzehn Monate dauern oder elf nach der abhängigen Zeitrechnung des Sternschiffes. Alle Besatzungsmitglieder, mit Ausnahme derjenigen, die Dienst hatten, konnten in Schlaf versenkt werden. Einen Monat nahmen jedoch noch die gemeinsame Diskussion, die Berechnungen und die Ausarbeitung des Berichts an den Rat in Anspruch. Aus dem Handbuch über die Sirda hatten sie von gewagten Versuchen mit spaltbarem Material erfahren. Sie hatten Ausführungen hervorragender Wissenschaftler des toten Planeten gefunden, die rechtzeitig auf Anzeichen schädlicher Auswirkungen auf das Leben hingewiesen und die sofortige Einstellung aller Versuche gefordert hatten. Vor einhundertundachtzehn Jahren war eine kurze Warnung über den Großen Ring erfolgt, für vernunftbegabte Wesen deutlich genug, von der Regierung der Sirda aber offensichtlich nicht ernst genommen.