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Nisa war im Grunde ihres Herzens ruhig; sie glaubte an Erg Noor. Die fünf Jahre unterwegs waren weder lang noch bedrückend gewesen, besonders nachdem Nisa sich ihres Gefühls immer sicherer geworden war. Außerdem aber konnte man durch die interessanten Beobachtungen, durch Elektronenaufzeichnungen von Büchern, Musik und Filmen sein Wissen ständig ergänzen. Nisas Gefährten waren Menschen mit außerordentlichen Kenntnissen, und wenn die Nerven von den Eindrücken oder der langen, angespannten Arbeit ermüdeten… was tat es! In einem langen, durch hypnotische Schwingungen aufrechterhaltenen Schlaf versanken große Zeiträume im Nichts und flogen wie ein Augenblick vorüber. Neben dem Geliebten war Nisa glücklich. Doch bedrückte sie die schwierige Situation der anderen und besonders die seine. Wenn sie nur helfen könnte! Was ist jedoch ein so unwissendes Mädchen neben solchem Menschen! Aber vielleicht halfen ihm Zärtlichkeit, ihr ständiger guter Wille, der Wunsch, ihm die mühevolle Arbeit zu erleichtern.

Der Expeditionsleiter erwachte und hob den vom Schlaf schweren Kopf. Noch immer summten gleichmäßig die Geräte, hin und wieder von den Schlägen des Hilfstriebwerkes unterbrochen. Wie zuvor versah Nisa ihren Dienst an den Geräten, den Rücken leicht gekrümmt, das junge Gesicht von Müdigkeit überschattet. Erg Noor warf einen Blick auf die kosmische Uhr und war mit einem Satz auf den Beinen.

„Vierzehn Stunden habe ich geschlafen! Und Sie haben mich nicht geweckt! Das ist…“ Er stockte, als er ihr frohes Lächeln bemerkte. „Sie ruhen sich sofort aus!“

„Vielleicht kann ich hier schlafen… wie Sie“, sagte das Mädchen bittend. Nachdem Erg Noor zugestimmt hatte, ging sie essen, wusch sich und machte es sich im Sessel bequem. Heimlich beobachtete sie Erg Noor, als er, von einer Wellendusche erfrischt und vom Essen gestärkt, seinen Platz an den Instrumenten einnahm. Nachdem er ihre Angaben überprüft hatte, begann er mit schnellen Schritten auf und ab zu gehen.

„Warum schlafen Sie nicht?“ fragte er streng.

Nisa schüttelte ihre kurzgeschnittenen roten Locken; die Frauen trugen bei außerirdischen Expeditionen kein langes Haar.

„Ich denke nach“, begann sie zögernd, „und empfinde Ehrfurcht vor der Macht und Größe des Menschen, der so weit in die unermeßlichen Tiefen des Raumes vorgedrungen ist! Für Sie ist hier vieles selbstverständlich, aber ich bin zum erstenmal im Kosmos. Wenn ich nur daran denke: An einer so grandiosen Reise zu neuen Welten darf ich teilnehmen!“

Erg Noor lächelte und strich sich über die Stirn.

„Ich muß Sie enttäuschen oder, besser gesagt, Ihnen die wirkliche Größe unserer Macht zeigen. Hier.“ Er machte sich am Projektor zu schaffen, und an der hinteren Kabinenwand flammte die leuchtende Spirale der Milchstraße auf.

Erg Noor zeigte auf den inmitten der finsteren Umgebung kaum erkennbaren ausgefransten äußeren Zweig der Spirale, der aus spärlich verstreuten Sternen bestand, mattleuchtendem Staub gleich.

„Das ist das Wüstengebiet der Galaxis, wo sich unser Sonnensystem und wir uns gegenwärtig befinden. Eine an Licht und Leben arme Peripherie. Dieser Zweig der Milchstraße erstreckt sich, wie Sie sehen, vom Schwan bis zum Schiff, ist weit von den zentralen Regionen entfernt und enthält außerdem einen Dunkelnebel. Hier. Um an diesem Zweig entlangzufliegen, würde unsere ›Tantra‹ ungefähr vierzigtausend Erdenjahre benötigen. Den leeren Raum, der uns vom nächsten System der Galaxis trennt, würden wir in viertausend Jahren überqueren. Sie sehen, unsere Flüge in die unermeßlichen Tiefen des Raumes sind vorläufig noch ein Herumtreten auf einem winzigen Fleck, der einen Durchmesser von einem halben Hundert Lichtjahren hat! Wie wenig wüßten wir von der Welt, gäbe es nicht den Großen Ring. Mitteilungen, Gedanken und Bilder, gesandt aus dem in einem kurzen Menschenleben nicht zu bezwingenden Raum, werden uns früher oder später erreichen, und immer fernere Welten werden sich uns erschließen. Unser Wissen bereichert sich immer mehr, und ununterbrochen geht diese Arbeit weiter.“

Nisa hörte aufmerksam zu.

„Stellen Sie sich die ersten interstellaren Flüge vor. Kleine Schiffe, die weder über hohe Geschwindigkeiten noch über ausreichende Schutzvorrichtungen verfügten. Ja, und unsere Ahnen lebten nur halb so lange wie wir, doch sie opferten ihr ganzes Leben solch einem Flug. Das ist wahre menschliche Größe!“

Nisa warf den Kopf zurück, wie immer, wenn sie jemand widersprach.

„Später, wenn man Mittel und Wege gefunden hat, den Raum auf andere Weise zu bezwingen, sagt man vielleicht von Ihnen allen — das waren Helden, die mit so unzulänglichen Mitteln den Kosmos erobert haben!“

Der Expeditionsleiter schmunzelte und streckte dem Mädchen die Hand entgegen. „Und auch von Ihnen, Nisa!“

Sie errötete.

„Es macht mich stolz, daß ich mit Ihnen zusammen hier sein kann. Alles würde ich hingeben, um immer wieder im Kosmos zu sein.“

„Ja, ich weiß“, sagte Erg Noor nachdenklich. „Doch nicht alle sind dazu bereit.“

Mit weiblichem Feingefühl erriet Nisa die Gedanken des Expeditionsleiters. In seiner Kajüte hingen zwei Stereofotos von der schönen Weda Kong, Historikerin für die alte Welt. Auf dem einen blickte sie mit ihren tiefblauen Augen unter langen, geschwungenen Brauen auf den Betrachter. Mit strahlendem Lächeln hielt sie ihre sonnengebräunten Hände an das lange aschblonde Haar. Das andere Foto zeigte sie lachend auf einer bronzenen Schiffskanone — einem Denkmal des grauen Altertums.

Erg Noor nahm Nisa gegenüber Platz.

„Wenn Sie wüßten, Nisa, wie roh das Schicksal der Sirda meinen Traum zerstört hat!“ sagte er plötzlich dumpf und legte vorsichtig die Finger auf den Anlasser der Anamesontriebwerke, als wolle er den rasenden Flug des Sternschiffes auf das Äußerste beschleunigen.

„Wenn die Sirda nicht ausgestorben wäre und wir dort Treibstoff erhalten hätten“, setzte er als Antwort auf ihre stumme Frage fort, „hätte ich die Expedition unbesorgt weitergeführt. So war es mit dem Rat vereinbart. Die Sirda hätte alles Erforderliche mitgeteilt, und die ›Tantra‹ wäre weitergeflogen — mit denen, die sich bereit erklärt hätten. Die ›Algrab‹ wäre dann zur Sirda gerufen worden und hätte die übrigen an Bord genommen.“

„Wer wäre denn schon auf der Sirda zurückgeblieben!“ rief das Mädchen erregt. „Etwa Pur Hiss? Aber auch er ist doch ein großer Wissenschaftler! Hätte nicht auch ihn das Neue gereizt?“

„Und Sie, Nisa? Wären Sie mitgekommen?“

„Ich? Selbstverständlich!“

„Aber wohin?“ fragte Erg Noor plötzlich hart und sah das Mädchen unverwandt an.

„Wohin Sie wollen, sogar…“ Sie wies auf den schwarzen Abgrund zwischen zwei Zweigen der Milchstraßenspirale.

„Oh, nicht soweit! Sie wissen, Nisa, vor ungefähr fünfundachtzig Jahren startete die vierunddreißigste Sternenexpedition, die sogenannte Stufenexpedition. Drei Sternschiffe flogen in Richtung des Sternbilds der Leier davon. Die zwei, die keine Forscher an Bord hatten, gaben nacheinander ihr Anameson an das dritte ab und kehrten zurück. Ähnlich bezwangen Bergsteiger in früheren Zeiten die Gipfel der höchsten Berge. Das dritte Schiff, die ›Parus‹…“

„… kehrte nicht zurück!“ flüsterte Nisa erregt.

„Ja, die ›Parus‹ kam nicht zurück. Aber aus ihrem letzten Funkspruch ging hervor, daß sie ihr Ziel, das große Planetensystem der blauen Wega, erreicht hatte. Wie viele Menschen erfreuen sich seit unzähligen Generationen an diesem hellen Gestirn des nördlichen Sternhimmels! Der Abstand der Wega von der Erde beträgt acht Parsek oder einunddreißig Lichtjahre, und für gewöhnlich entfernen sich die Menschen nicht so weit von unserer Sonne. Wie dem auch sei, die ›Parus‹ erreichte ihr Ziel. Man weiß nicht, weshalb sie verschollen ist, ob ein Meteorit oder eine beträchtliche Funktionsstörung die Ursache war. Durchaus möglich, daß sie jetzt noch durch den Raum jagt, daß die Wagemutigen, die wir für tot halten, noch am Leben sind.“