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Alles versank im nächtlichen Dunkel. Noch eine Zeitlang beleuchtete das milde aschgraue Zodiakallicht — die von den Gasen der oberen Atmosphärenzone zerstreuten Sonnenstrahlen — das Skelett des künftigen Satelliten. 180 Grad Frost — die Supraleitung wirkte sich noch störender aus als bei Tage. Hatte sich die Isolation der Instrumente, Batterien oder Akkumulatoren nur im geringsten abgenutzt, so überzogen sich die benachbarten Gegenstände sofort mit dem blauen Schein des direkt über die Oberfläche zerfließenden Stroms, den man nicht lenken konnte.

Das tiefe Dunkel des Kosmos brach an, und der Frost verstärkte sich. Die Sterne leuchteten wie strahlendhelle bläuliche Nadeln. Das unsichtbare und lautlose Flirren der Meteorite wirkte nachts besonders gespenstisch. An der Oberfläche der dunklen Kugel dort unten, in den Strömungen der Erdatmosphäre, flackerten verschiedenfarbene Wolken elektrischen Lichtes auf, Funkenentladungen von gigantischem Ausmaß oder Streifen zerstreuten Lichts von Tausenden Kilometer Länge. In den oberen Schichten der Lufthülle tobten Orkane, stärker als jeder Sturm auf der Erde.

Plötzlich veränderte sich etwas in der kleinen, von Finsternis umgebenen Welt. Dar Weter nahm nicht sogleich wahr, daß die Scheinwerfer des Planetenschiffes eingeschaltet worden waren. Das Dunkel ringsum wirkte tiefer, die strahlenden Sterne verblaßten, die Plattform und das Gerüst dagegen hoben sich im weißen Licht scharf ab. Wenige Minuten später verminderte die „Altai“ die Spannung, und das Licht wurde gelblich. Das Planetenschiff ging mit der Energie seiner Akkumulatoren sparsam um. Wie am Tage begannen sich die Quadrate und Ellipsen der Verkleidungsplatten, die Gitter der Stützträger, die Zylinder und Rohre der Reservoire zu bewegen und nahmen allmählich ihren Platz an dem Gerüst des Satelliten ein.

Dar Weter befestigte sein Sicherungsseil an der Rolle eines Leitseils zur „Altai“, stieß sich mit den Füßen von einem Querbalken ab und schwebte nach oben. Kurz vor der Luke des Planetenschiffes drückte er auf die in der Rolle eingebaute Bremse und stoppte gerade im rechten Augenblick, sonst wäre er gegen die geschlossene Tür gestoßen.

In der Luftschleuse unterhielt man keinen normalen Erddruck, um den Luftverlust bei dem ständigen Aus-und-ein-Gehen der vielen Mitarbeiter zu verringern. Deshalb ging Dar Weter, ohne den Schutzanzug auszuziehen, in die kleine provisorisch eingerichtete Nebenkammer und legte erst hier Helm und Batterien ab.

Um den ermüdeten Körper zu entspannen, trat Dar Weter fest auf dem inneren Deck auf. Er genoß das Gefühl, wieder fast erdenähnliche Schwerkraft zu spüren. Die künstliche Gravitation des Planetenschiffes arbeitete ohne Unterbrechung. Wie ungemein wohl tat es, wieder fest auf dem Boden zu stehen und nicht wie eine Fliege in schwankender und unsicherer Leere zu torkeln. Das milde Licht, die warme Luft und die bequemen Sessel verlockten dazu, sich auszustrecken und sich voll und ganz der Erholung hinzugeben.

Doch Dar Weter widerstand der Verlockung. Er mußte Verbindung mit der Erde herstellen. Die nächtliche Beleuchtung könnte bei den Beobachtern des kalifornischen Observatoriums, das den Bau überwachte, Unruhe hervorrufen. Außerdem mußte er mitteilen, daß eine Ablösung vor dem festgesetzten Termin notwendig sei.

Die Verbindung war diesmal ausgezeichnet, und Dar Weter benutzte für das Gespräch mit Grom Orm nicht verschlüsselte Signale, sondern das Televisiofon. Der frühere Vorsitzende war einverstanden und kümmerte sich unverzüglich um die Auswahl der neuen Besatzung und eine verstärkte Lieferung von Einzelteilen.

Als Dar Weter die Steuerzentrale der „Altai“ verließ, ging er durch die Bibliothek, die mit Hilfe von zweistöckigen Betten längs der Wände in einen Schlafsaal umgebaut worden war. Die Kajüten, der Speiseraum, die Küche, die Korridore und der vordere Saal für die Triebwerke waren ebenfalls zusätzlich mit Betten ausgestattet. Das Planetenschiff, in eine stationäre Basis verwandelt, war überfüllt. Dar Weter ging den Korridor entlang, der mit braunen Kunststoffplatten verkleidet war; träge öffnete und schloß er die hermetischen Türen.

Er dachte an die Astronauten, die Jahrzehnte in einem solchen Schiff verbrachten ohne die geringste Hoffnung, es vor Ende des Fluges verlassen und in die Außenwelt gelangen zu können. Er lebte hier erst den fünften Monat, verließ jeden Tag die engen Räume, arbeitete in der Weite des interplanetaren Raumes — und schon sehnte er sich nach der Erde, nach den Steppen, dem Meer und den lebenerfüllten Zentren der Wohnzone. Aber Erg Noor, Nisa und die anderen zwanzig Besatzungsmitglieder der „Lebed“ mußten im Sternschiff zweiundneunzig abhängige Jahre oder hundertvierzig Erdenjahre verbringen. Keiner von ihnen würde überleben! Ihre Körper würden auf den Planeten des grünen Zirkoniumsterns verbrannt und beerdigt werden. Vielleicht ging auch ihr Leben schon während des Fluges zu Ende; dann würden sie, in die Totenrakete eingeschlossen, in den Kosmos fliegen. So waren die Totenschiffe der Ahnen mit den toten Kriegern aufs Meer hinausgefahren. Doch solche Helden hatte es in der Geschichte der Menschheit noch nicht gegeben! Helden, die eine lebenslängliche Einkerkerung auf sich nahmen, ohne jede Hoffnung auf Rückkehr.

Nein, so ganz recht hatte er nicht, Weda würde ihn tadeln. Wie konnte er die namenlosen Kämpfer für Würde und Freiheit des Menschen vergessen, deren Los weit schlimmer gewesen war — hoffnungslose Einkerkerung in feuchten Kellern, qualvolle Folterungen! Ja, sie hatten sich mehr verdient gemacht als seine Zeitgenossen, die sich auf einen großartigen Flug in den Kosmos vorbereiteten.

Und er, Dar Weter, der den Heimatplaneten noch nie für längere Zeit verlassen hatte, war nur ein einfacher und unbedeutender Mensch im Vergleich zu ihnen.

Die Stahltür

Zwanzig Tage lang arbeitete die automatische Streckenvortriebsmaschine im feuchten Dunkel, bis sie die Zehntausende von Tonnen heruntergebrochenen Gesteins beseitigt und die eingestürzten Gewölbe neu befestigt hatte. Der Weg in die Höhle war wieder passierbar; es mußte nur noch überprüft werden, ob er gefahrlos war. Automatische Karren, die sich mit Hilfe von Raupenketten und einer archimedischen Schraube bewegten, glitten lautlos in die Tiefe. Alle hundert Meter gaben Instrumente Luftzusammensetzung, Temperatur und Feuchtigkeitsgehalt an. Erst als die Karren vierhundert Meter tief eingedrungen waren, betrat Weda Kong mit einer Gruppe von Mitarbeiterinnen die Höhle. Vor neunzig Jahren, als man die unterirdischen Gewässer erforschte, hatten die Indikatoren mitten in Kalk- und Sandstein plötzlich ein großes Metallvorkommen angezeigt. Rasch stellte sich heraus, daß in dieser Gegend eine aus uralten Sagen bekannte Höhle liegen muß, die „Den-Of-Kul“, was in der früheren Sprache soviel wie „Zufluchtsort der Kultur“ hieß. Als damals ein schrecklicher Krieg drohte, hatten die Völker, die ihre wissenschaftlichen und kulturellen Errungenschaften für die fortgeschrittensten hielten, die Schätze ihrer Zivilisation in einer Höhle versteckt. In jenen längst vergangenen Zeiten waren Geheimhaltung und Verbergung noch gang und gäbe.

Weda Kong war ebenso aufgeregt wie die jüngste ihrer Mitarbeiterinnen, als sie den schräg abfallenden glitschigen Lehmpfad hinunterstieg.

In ihrer Phantasie sah sie schon imposante Säle mit großen Safes voller Filmarchive, Zeichnungen und Karten, Schränke mit Magnetofonaufzeichnungen oder den Bändern von Gedächtnismaschinen, Regale mit Proben von chemischen Verbindungen, Legierungen und Medikamenten. Ausgestopfte Bälge längst ausgestorbener Tiere in hermetisch abgeschlossenen Vitrinen, präparierte Pflanzen, versteinerte Skelette der Urbevölkerung des Planeten. Und Silikollplatten mit Darstellungen der berühmtesten Künstler, ganze Galerien von Skulpturen schöner menschlicher Gestalten und bedeutender Persönlichkeiten der Epoche, meisterhaft dargestellte Tiere, Modelle berühmter Bauwerke, Aufzeichnungen denkwürdiger Ereignisse, verewigt in Stein und Metall…