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Niemand rührte sich. Ein sehr sonderbares Gefühl breitete sich in Mike aus. Er sollte jetzt erleichtert sein

–immerhin waren sie nicht nur mit dem Leben davongekommen, sondern auch wieder frei, aber das genaue Gegenteil war der Falclass="underline" Er fühlte sich noch niedergeschlagener als bisher, und das Gefühl von Hilflosigkeit war so intensiv geworden, daß es fast körperlich weh tat. Es mußte doch irgend etwas geben, was sietunkonnten!»Winterfeld«, sagte er noch einmal, »bitte denken –«»Genug!«Winterfelds Stimme war nicht lauter, aber plötzlich so scharf, daß sie trotzdem fast wie ein Schrei klang. »Geht jetzt–bevor ich es mir anders überlege. « Vielleicht hätte nicht einmal diese Drohung Mike davon abbringen können, Winterfeld weiter ins Gewissen reden zu wollen, aber Trautman wandte sich in diesem Moment um und ging langsam auf die Reling zu, und die anderen folgten seinem Beispiel, so daß sich Mike ihnen

wohl oder übel anschließen mußte. Winterfeld blieb reglos und mit starrem Gesicht stehen und sah ihnen nach. Die Soldaten, die sie bisher bewacht hatten, schlossen sich ihnen an: Zwei der Bewaffneten betraten als erste die schmale Planke, die zum Deck der NAUTILUS hinunterführte, während die anderen darüber wachten, daß sie auch tatsächlich taten, was Winterfeld ihnen befohlen hatte. Ihre Waffen deuteten zwar nicht direkt auf Mike und die anderen, aber sie hielten sie griffbereit in den Händen, und Mike zweifelte nicht daran, daß sie sie einsetzen würden, wenn es sein mußte.

Mike war nicht der letzte, der die LEOPOLD verließ. Sie durften nur einzeln von Bord gehen, und hinter Mike warteten noch Serena und Brockmann. Die schmale Planke vibrierte heftig unter seinen Schritten, so daß er die Arme ausbreitete, um das Gleichgewicht zu halten, und den Blick starr nach vorne richtete

– immerhin lag das Deck der NAUTILUS gute fünfzehn Meter unter dem des gewaltigen Kriegsschiffes, und Mike war nicht schwindelfrei.

Und um ein Haar wäre er dann doch noch ins Wasser gefallen, denn er hatte die Entfernung zur NAUTILUS noch nicht zur Hälfte überwunden, als plötzlich die Maschinen der LEOPOLD ansprangen. Mike fuhr erschrocken zusammen, als das ganze Schiff zu zittern begann. Mit heftig rudernden Armen und schneller, als vielleicht gut war, hastete er die letzten Meter dahin und legte das letzte Stück zum Deck des Unterseebootes hinab schließlich mit einem gewagten Sprung zurück. Prompt glitt er auf dem feuchten Metall aus und wäre gestürzt, hätte ihn Trautman nicht aufgefangen. »Was ist denn jetzt los?« fragte Mike erschrocken. Er sah nach oben. Serena und Brockmann waren ihm nicht gefolgt, sondern standen an der Reling und zögerten, die jetzt heftig zitternde Planke zu betreten. »Sie haben die Maschinen angelassen«, sagte Stanley. »Keine Sorge

das Zittern hört gleich wieder auf. Ich nehme an, sie verlegen die Flotte noch ein kleines Stück. Du

hast es ja selbst gesagt – sie müssen eine oder zwei Meilen weiter nach Norden. « Das war sicher

die Wahrheit, und eigentlich hätte diese Erklärung Mike beruhigen müssen, aber sie tat es nicht.

Ganz im Gegenteil – plötzlich hatte er ein sehr ungutes Gefühl. Irgend etwas würde passieren, das spürte er ganz deutlich. Da war irgend etwas, was sie übersehen oder vergessen hatten, und es war etwas ungemein Wichtiges.

Mike hat bis zu diesem Moment niemals an Vorahnungen geglaubt, aber von diesem Tage an tat er es. Er sah Stanley noch einen Moment lang zweifelnd an, dann wandte er sich wieder um und blickte zu Serena und Brockmann hoch. Der deutsche Kapitän machte gerade Anstalten, mit einem entschlossenen Schritt auf die Planke hinauszutreten. Einer der Männer, die Serena und ihn bewachten, streckte den Arm aus, um ihn zurückzuhalten – und Brockmann packte ihn blitzschnell, brachte ihn mit einem Ruck aus dem Gleichgewicht und schleuderte ihn über Bord. Der Mann stürzte kreischend in die Tiefe und schlug dicht neben der NAUTILUS ins Wasser, aber noch bevor er versank, hatte Brockmann einen zweiten Soldaten gepackt und über Bord geschleudert, dann wirbelte er herum und verschwand mit einem gewaltigen Satzaus Mikes Sichtfeld. Überraschte Schreie und die Geräusche eines heftigen Kampfes drangen zu ihnen herab. Und praktisch im selben Moment stürzte sich Stanley auf die beiden Soldaten, die zusammen mit ihnen auf dem Deck der NAUTILUS standen. Der Angriff kam vollkommen überraschend. Die Männer hatten nicht einmal Gelegenheit, ihre Waffen zu heben – Stanley riß sie mit weit ausgebreiteten Armen von den Beinen, begrub den einen unter sich und setzte ihn mit einem gewaltigen Faustschlag schachmatt. Der zweite wollte sich aufrappeln und seine Waffe heben, aber da war Singh schon über ihm, riß ihm das Gewehr aus der Hand und versetzte ihm einen Stoß, der ihn zum zweiten Mal zu Boden schickte. Als er sich diesmal wieder aufrichtete, blickte er in den Lauf seiner eigenen Waffe.

»Nein!« keuchte Mike. »Seid ihr verrückt geworden? Serena ist noch dort oben!«

Aber es war zu spät. Mike wollte die Planke wieder hinaufstürmen, doch er kam nicht einmal zwei Schritte weit. Plötzlich erschienen zwei Soldaten am oberen Ende des Steges, und Mike reagierte ganz instinktiv und warf sich zur Seite. Dicht hintereinander krachten zwei Schüsse. Die Kugeln bohrten sich genau dort in das Holz, wo er gerade noch gestanden hatte. Zu einem dritten Schuß kamen die Männer nicht, denn Stanley und Singh hatten die erbeuteten Waffen gehoben und erwiderten das Feuer. Winterfelds Soldaten zogen sich hastig zurück.

Doch sie gaben keineswegs auf. Mike beobachtete voller Entsetzen, wie sich das obere Ende der Laufplanke hob – und dann über Bord gestoßen wurde. Mit einem gewaltigen Platschen stürzte der Laufsteg ins Wasser. Die einzige Verbindung zur LEOPOLD existierte nicht mehr.

»Serena!« keuchte Mike. »Um Gottes willen – Serena!« Von der Atlanterin war nichts zu sehen. Die Schreie und der Kampflärm auf dem Deck der LEOPOLD hielten an, und jetzt hörten sie wieder Schüsse

– aber weder von Serena noch von Brockmann zeigte sich auch nur eine Spur.

Mike fuhr zornig zu Stanley herum. »Warum haben Sie das getan?« fuhr er ihn an. »Jetzt wird er Serena bestimmt nicht mehr gehen lassen!«

»Und wir haben eine Chance, ihn aufzuhalten«, antwortete Stanley in kaum weniger scharfem Ton. Seine Augen funkelten kampflustig. Offenbar verstand er gar nicht, warum Mike ihn angriff. Wahrscheinlich war er sogar noch stolz auf das, was er getan hatte. »Verdammt, wir sollten etwas tun, statt hier herumzustehen und zu jammern!«

Mike ballte zornig die Fäuste. »Sie –«

»Laß ihn, Mike«, unterbrach ihn Trautman. »Er hat recht. Und

es ist nicht seine Schuld. Immerhin war es Brockmann, der als

erster angegriffen hat. «

Er schüttelte seufzend den Kopf. »Wenn wir jemandem Vorwürfe machen müssen, dann höchstens mir. Ich hätte wissen müssen, daß Brockmann nicht einfach tatenlos zusieht, was geschieht. «

Mikes Blick glitt verzweifelt an der LEOPOLD hinauf. Das Schiff wuchs wie ein Berg aus Stahl über ihnen empor. Nirgends gab es eine Möglichkeit hinaufzukommen. Was sie sahen, war eine senkrechte, unübersteigbare Wand. Das hieß – nicht ganz.EineMöglichkeit gab es vielleicht doch. Bei dem bloßen Gedanken sträubten sich Mike schier die Haare, aber sie hatten keine andere Wahl, wenn sie Serena nicht einfach im Stich lassen wollten.