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Der Spielmann lachte. »Man hat mir schon oft mit dem Tod gedroht, mein Freund, doch wie du siehst, hat sich bislang noch keiner gefunden, der in der Lage war, seinen Worten auch Taten folgen zu lassen. Ich fürchte mich vor keinem Gespenst oder was immer deine Macha auch sein mag. Und nun hilf mir, die Köpfe herunterzunehmen. Es ziemt sich nicht für Christenmenschen, eine solche Barbarei zu dulden. Wir wollen die Körper der Männer suchen und ihnen ein anständiges Begräbnis geben.« Mit einem Ruck zog Volker den Kopf des Barons von dem Pfahl, vor dem er stand. Im selben Augenblick erhob sich ein großer Rabe aus dem Geäst der Trauerweide. Mit schrillem Krächzen flog er zum Sumpf hinaus.

»Beim Blute Marias, was habt Ihr getan, Herr?« Jean hob abwehrend die Hände. »Der Rabe wird Macha von Eurer Tat künden! Ihr seid verloren! Hängt den Kopf zurück. Vielleicht werden die Feen Euch dann einen schnellen Tod schenken?«

»Dein Gewinsel widert mich an, Alter. Mach, daß du mir aus den Augen kommst, oder ich werde dir einen schnellen Tod schenken. Ich verachte dich und die Deinen! Ihr habt euren Herren verraten und die Baronin Gunbrid, die du selbst eben noch großherzig genannt hast. Ich werde tun, was meine Pflicht ist, Alter, und versuche nicht, mich daran zu hindern.« Volker legte die Linke auf den Knauf des Schwertes an seiner Seite. »Ich kann nicht nur bei Nacht und Nebel unangenehm werden.«

Jean spuckte vor ihm aus. »Jetzt nehmt Ihr den Mund noch voll, Herr, doch wartet nur bis zum nächsten Morgengrauen. Dann wird Euer Kopf auf einem der Spieße stecken, und ich bin es, der Euch dann verhöhnt.« Schwer auf seinen Stab gestützt, humpelte der Bauer davon.

Wütend blickte Volker ihm nach. Wie konnte man nur so dumm und verbohrt sein! Feen! Der Spielmann schnaubte verächtlich. Er wußte nur zu gut, wie solche Geschichten zustande kamen. Ein Mädchen ertrank in einem Waldsee, und man erfand eine Geschichte dazu. Irgendein böser Wassergeist, der am Grunde des dunklen Pfuhls hauste. Sein Blick wanderte über die weite Sumpflandschaft. Wer hier seinen Weg verlor, war des Todes. Sicher war schon mancher Reisende in den Schlammlöchern verschwunden, und bestimmt erwischte es auch hin und wieder einen der Bauern und Fischer. Kein Wunder, daß es Geschichten um Feen und böse Geister gab! Wahrscheinlich saß dort draußen in Wahrheit eine Räuberbande, die sich den Aberglauben dieser Tölpel zunutze machte. Und die Frauen und Kinder hatte man nicht aus Barmherzigkeit verschont, sondern um sie als Sklaven an die Mauren zu verkaufen. Aber er würde mit diesem Schwindel aufräumen! Volker zog sein Schwert und kniete nieder. Mit der Stirn berührte er das Heft seiner Waffe. »Ich schwöre bei meinem Herren, Christus, daß ich dich retten werde, Gunbrid, wo immer du jetzt auch sein magst!«

Golo warf eine letzte Schaufel voll Erde in das Loch und schlug dann ein Kreuzzeichen. Endlich waren diese gräßlichen Köpfe verschwunden! Sie hatten bei einem der Bauern Hacke und Spaten geholt, eine Grube ausgehoben und die Schädel bestattet.

Der Knecht blickte ängstlich zum Sumpf, wo hinter den schwarzen Weiden die Sonne versank. Die Bauern hatten ihm zugeflüstert, was geschehen war. Ein Rachezug der Feen... Er legte den Kopf schief und blickte zu seinem Herren. Und Volker hatte natürlich nichts Besseres zu tun gehabt, als sich mitten in den Ärger zu stürzen. Warum nur hatte ihn Gott mit einem solchen Herren gestraft? Die ganze Reise über war der Spielmann jedem Kampf aus dem Weg gegangen, und jetzt das! Selbst wenn er recht haben sollte und es tatsächlich nur eine Bande von Räubern gewesen war, die den Landsitz geplündert hatte, war sein Plan, sie zu verfolgen, der schiere Wahnsinn. Diese Halsabschneider hatten siebzehn normannische Waffenknechte und ihren Herren getötet. Was sollten sie zu zweit gegen eine solche Bande ausrichten? Es war völlig verrückt...

Auf der Weide hinter dem Pfahlkreis hatten sich einige Raben niedergelassen. Es schien, als beobachteten die Vögel sie. Golo lief ein kalter Schauer über den Rücken. Die Bauern behaupteten, die schwarzen Vögel seien die Boten der Todesgöttin Macha.

Volker schien ganz in ein stummes Gebet versunken. Er hatte den Kopf geneigt und starrte auf das halb zugeschüttete Loch zu seinen Füßen.

»Wollen wir nicht gehen, Herr? Ich glaube, die mögen uns hier nicht besonders. Noch ist es Zeit zu verschwinden.«

»Von diesem Bauernpack wird uns keiner ein Leid zufügen. Sobald es dunkel ist, werden sie sich in ihren armseligen Hütten verkriechen. Und was die Räuber aus den Sümpfen angeht... Sie werden gewiß nicht wiederkehren. Hier gibt es nichts Lohnendes mehr für sie zu holen.«

»Und wenn es doch Feen waren...«

»Fängst du jetzt auch schon an?« zischte der Ritter wütend. »Wenn es dich beruhigt, werde ich die Nacht über wachen, du Hasenherz!«

Das haben die Waffenknechte dem toten Baron gewiß auch versprochen, dachte Golo. Die Sonne war untergegangen. Die Wolken im Westen glommen im letzten Abendrot. Sie waren von dunklem Rot... Fast wie frisch vergossenes Blut. Von Osten her zogen dünne Nebelschleier über das Moor.

Irgendwo hinter den Wolken mußte das Meer liegen. Er hatte noch nie einen Ozean gesehen... So wie die Dinge standen, würde es wohl auch nicht mehr dazu kommen.

Sicher lauerten die Feen schon im Nebel und warteten nur noch darauf, daß es völlig finster wurde!

Vom Sumpf her erklang der klagende Schrei einer Eule. Das war kein gutes Omen!

»Wir werden in den Ruinen der Burg unser Lager aufschlagen. Dort sind wir ein wenig geschützt, falls das Wetter umschlägt.«

Die Feuer dort waren mittlerweile fast verloschen. Nur in den Trümmern von Palas und Burgfried schwelten noch einige der eingebrochenen Deckenbalken. Mißmutig blickte Golo den Hügel hinauf. Das war gewiß ein verfluchter Ort! So viele Männer waren dort gestorben. Wahrscheinlich würden ihre Geister sie heimsuchen. Die Hand des Knechts glitt zu dem Schwert an seiner Seite. Er würde sein Leben teuer verkaufen! Und falls Volker doch einschlafen sollte, könnte er sich vielleicht davonschleichen. Sein Herr konnte nicht von ihm verlangen, daß er ihn auf diese vollkommen aussichtslose Suche in die Sümpfe begleitete. Dort würden sie nichts als den Tod finden...

3. KAPITEL

Um Morgen war Jean zu ihrem Lager heraufgestiegen. Der alte Bauer hatte ihnen ein prächtiges Frühstück gebracht. Frisch gebackenes Brot, drei Hühnereier, einen gebratenen Fisch und etwas Pflaumenmus vom Vorjahr. Der Dorfälteste wollte ihnen sogar zehn Silberstücke anbieten, wenn sie nur wieder die Ruinen verließen und sich auf die Reise zurück nach Worms begaben. Er war der festen Überzeugung, daß sie der kleinen Siedlung Unglück bringen würden, wenn sie noch länger verweilten. Volker hatte das Silber in der Rechten abgewogen... Er war sich sicher, daß dies nicht die gesamten Ersparnisse des Dorfes waren. So arm sahen die Leute nicht aus. Er hatte den kleinen Lederbeutel genommen, zusätzlich noch Proviant für drei Reisetage verlangt, und so waren sie sich handelseinig geworden.

Länger an diesem Ort zu verweilen machte ohnehin keinen Sinn. Mit jeder Stunde, die sie noch blieben, vergrößerte sich nur der Abstand zu den Räubern. Vermutlich waren die Plünderer auf dem Weg zur Küste, um dort die Gefangenen an einen maurischen Sklavenhändler zu verkaufen.

Volker hatte Jean nach dem kürzesten Weg zur Küste gefragt, und der Bauer gab ihm eine sehr ausführliche Beschreibung. Der Spielmann fluchte leise. Wie hatte er diesem durchtriebenen Alten nur glauben können? Der Tag war grau und nebelig gewesen. Schon um die dritte Stunde hatte es begonnen zu regnen. Das Wasser rings um sie herum begann zu steigen. Den ganzen Morgen über hatte Golo auf seine griesgrämige Art geschwiegen. Der Knecht war dagegen gewesen, in den Sumpf zu reiten. Er hatte der trügerischen Sicherheit des Knüppeldamms nicht getraut.