Выбрать главу

Der Mediziner hatte die rechte Hand des Toten angehoben und wies auf deren wächsern bläuliche Innenfläche. In der Mitte befand sich ein kreisförmiger roter Abdruck, den ein Stempel kaum exakter hätte prägen können; lediglich an den Rändern war die Farbe ganz leicht verwischt.

»Was zum Teufel soll ich dazu sagen?« brummte Dr. Rumsen. »Blut ist es nicht. Sieht eher wie Farbe aus. Aber fragen Sie mich bitte nicht, wie die dahin kommt!«

»Ihre Vermutung«, sagte Ellery bedächtig. »scheint sich zu bestätigen, Inspector. Der Spielstein - die rechte Seite des Totempfahls - die rechte Hand des Toten ...«

»Herrgott, ja!« entfuhr es Inspector Vaughn. Er holte den Spielstein erneut hervor und drückte ihn dem Toten in die Hand. Stein und Abdruck paßten nahtlos zusammen. Vaughn erhob sich mit einer Mischung aus Triumph und Verwirrung. »Aber was zum Teufel Isham schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß das irgendwas zu sagen hat, Vaughn. Sie haben Brads Bibliothek noch nicht gesehen. Dort haben wir das zugehörige Damespiel gefunden. Aber das werden Sie ja selbst sehen, wenn wir das Haus besichtigen. Aus irgendeinem Grunde hatte Brad zum Zeitpunkt seiner Ermordung eben einen Spielstein in der Hand, ohne daß der Täter das wußte. Als der Tote dann am Pfahl festgezurrt wurde, muß er ihm aus der Hand gefallen sein. Das ist das ganze Geheimnis.«

»Das Verbrechen ist also im Haus verübt worden?« fragte Ellery.

»Aber nein! Im Gartenhaus da drüben. Dafür haben wir genug Beweise. Wie wir gesehen haben, gibt es für den Spielstein eine harmlose Erklärung. Daß er so verblaßt ist, läßt sich ebenfalls erklären. Vermutlich haben Schweiß und Körperwärme dafür gesorgt, daß die rote Farbe in seiner Hand zerlaufen ist.«

Sie ließen Dr. Rumsen, von schweigenden Detectives umringt, neben der grotesken Gestalt im Gras zurück, um das Gartenhaus zu besichtigen. Es lag nur ein paar Schritte vom Totempfahl entfernt. Ellery ließ seine Blicke nach oben und seitwärts schweifen, bevor er durch den niedrigen Eingang trat.

»Hmm, keine elektrische Außenbeleuchtung. Ich frage mich ­«

»Der Täter muß eine Taschenlampe benutzt haben. Vorausgesetzt natürlich«, erläuterte der Inspector, »daß der Mord im Dunkeln verübt worden ist. Sobald Dr. Rumsen die ungefähre Todeszeit ermittelt hat, klärt sich das von selbst.«

Der Wachposten am Eingang salutierte und trat zur Seite. Sie gingen hinein. Das kleine Gartenhaus war rund gebaut und mit seinem unbehauenen Holz, dem zugespitzten Strohdach und den halbhohen Wänden, die in umranktes Gitterwerk übergingen, ländlicher Lebensart nachempfunden. Innen befand sich ein grober Holztisch mit zwei Stühlen. Einer davon war mit Blut befleckt.

»Ziemlich eindeutig«, sagte Staatsanwalt Isham verhalten und wies in die Mitte des Raumes.

Auf dem Holzboden hatten getrocknete Blutmassen einen klumpigen, rötlich braunen Fleck hinterlassen.

Professor Yardley zeigte nun erste Anzeichen von Nervosität.

»Das - äh - ist doch wohl kein menschliches Blut, dieser entsetzliche Matsch -«

»Und ob es das ist«, brummte Vaughn. »Die Riesenlache ist nur dadurch zu erklären, daß hier Brads Kopf abgetrennt worden ist.«

Ellery fixierte mit seinem Adlerblick den Holzboden. Jemand hatte unterhalb des rustikalen Tisches mit kühnem Schwung ein großes T aus Blut auf den Boden geschmiert.

»Nicht gerade eine Augenweide«, sagte er leise und mußte hart schlucken, als er seinen Blick von dem blutigen Symbol abwandte. »Mr. Isham, wie erklären Sie sich das T auf dem Boden?«

Der Staatsanwalt breitete hilflos die Hände auseinander. »Das kann ich Sie genauso fragen, Mr. Queen! Ich bin weiß Gott ein alter Hase, und Sie haben, soweit ich weiß, ebenfalls genug Erfahrung. Zweifeln Sie auch nur im mindesten daran, daß wir es mit der Tat eines Geistesgestörten zu tun haben?«

»Nein, kein vernünftiger Mensch wird daran zweifeln. Sie haben vollkommen recht, Mr. Isham. Ein Totemsbaum! Gut gewählt, nicht wahr, Professor?«

»Pfahl. Sie vermuten eine etwaige religiöse Bedeutung?« Yardley zuckte die Achseln. »Ich befürchte, daß die wilde Mischung aus nordamerikanischem Fetischismus, christlichen Elementen und privatem Phalluskult die Fantasie selbst eines Geisteskranken überstrapaziert.«

Vaughn und Isham starrten den Professor verständnislos an. Weder Ellery noch Yardley klärten sie auf. Ellery bückte sich und betrachtete einen Gegenstand, der am Boden lag. Es handelte sich um eine langstielige Bruyerepfeife, die sich in der Lache aus geronnenem Blut befand.

»Die haben wir uns längst vorgenommen«, sagte Inspector Vaughn. »Fingerabdrücke drauf. Sind Brads. Ist ja auch seine Pfeife. Er hat sich hierhin zurückgezogen, um in Ruhe zu rauchen. Wir haben sie extra für Sie wieder an den Fundort zurückgelegt.«

Ellery nickte. Die Pfeife war von ungewöhnlicher Form; ihren Kopf, halbgefüllt mit kalter Asche, schmückte ein kunstvoll gearbeiteter Neptunskopf mit Dreizack. Auf dem Boden des Gartenhauses, direkt neben dem Pfeifenkopf, hatte sich, wie Vaughn betonte, Asche von ähnlicher Farbe und Beschaffenheit gefunden; als ob die Pfeife heruntergefallen und die Asche sich dabei verstreut hätte.

Ellery streckte seine Hand aus, um nach dem schmucken Kleinod zu greifen, hielt aber plötzlich inne und sah den Inspector an.

»Sind Sie absolut sicher, daß die Pfeife dem Opfer gehört hat? Ich meine, haben Sie die Hausbewohner dazu vernommen?«

»Wenn Sie mich so fragen, nein«, erwiderte Vaughn pikiert. »Ich wüßte allerdings nicht, warum wir Zweifel haben sollten. Immerhin, seine Finger-«

»Und seine Rauchjacke hatte er ebenfalls an«, warf Isham eifrig ein. »Andere Tabakwaren, zum Beispiel Zigaretten und Zigarren, haben wir nicht bei ihm gefunden. Mir ist absolut unverständlich, warum Sie glauben -«

Professor Yardley schmunzelte in seinen Bart hinein, und Ellery antwortete ruhig: »Ich glaube gar nichts. Ist nur so eine Gewohnheit von mir, Mr. Isham. Vielleicht -«

Er hob die Pfeife vom Boden auf und klopfte vorsichtig die Asche auf die Tischfläche. Als sich nichts mehr löste, untersuchte er den Kopf noch einmal und stellte fest, daß eine Schicht angeschmorten Tabaks dort haftengeblieben war. Dann entnahm er seinem Taschenset eine Klarsichthülle und füllte sie mit den Tabakresten aus dem Pfeifenkopf. Die anderen Männer sahen ihm schweigend zu.

»Wie Sie sehen«, sagte er, während er aufstand, »nehme ich nichts so leicht als Selbstverständlichkeit hin. Damit möchte ich nicht andeuten, daß die Pfeife nicht Brad gehört hätte. Der Tabak darin könnte jedoch höchst aufschlußreich sein. Nehmen wir einmal an, daß die Pfeife zwar Brad gehört, er jedoch den Tabak seines Mörders geraucht hätte, was keinesfalls ungewöhnlich wäre. Wie Sie sehen, ist dieser Tabak hier im Gegensatz zum üblichen Verfahren würfelförmig geschnitten, wie Ihnen vielleicht aufgefallen ist. Nun untersuchen wir Brads Tabakvorräte. Ist würfelförmiger darunter? Wenn ja, dann ist es seiner, und er hatte ihn nicht von seinem Mörder. Verloren haben wir dabei nichts, es ist lediglich unsere Vermutung bestätigt. Finden wir aber keinen würfelförmig geschnittenen Tabak, dann ist mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß der Tabak von Brads Mörder stammt. Ein wichtiger Anhaltspunkt ... Oh, entschuldigen Sie bitte meine Geschwätzigkeit.«

»Ausgesprochen interessant«, murmelte Isham.

»Die Detailarbeit der wissenschaftlichen Detektion«, schmunzelte Professor Yardley.

»Was halten Sie bislang von dem Fall?« fragte Vaughn.

Ellery polierte die Gläser seines Pincenez; seine markanten Züge spiegelten Gedankenverlorenheit. »Es wäre lächerlich, zu diesem Zeitpunkt konkretere Überlegungen anzustellen als etwa folgende: Entweder hat der Täter Brad bereits ins Gartenhaus begleitet, oder er hat es nicht; das läßt sich bislang nicht eindeutig feststellen. Wie auch immer -als Brad seine Gärten durchquerte, um zum Gartenhaus zu gelangen, befand sich ein roter Spielstein in seiner Hand, den er aus einem besonderen Grund aus seiner Villa, oder wo auch immer sich der übrige Teil des Spiels befindet, mitgenommen hat. Im Gartenhaus ist er dann angefallen und ermordet worden. Möglicherweise hat sein Mörder ihn angegriffen, während er rauchte; die Pfeife fiel ihm aus dem Mund und zu Boden. Vielleicht spielte er geistesabwesend in einer seiner Hosentaschen mit dem Spielstein. Während er ermordet, enthauptet und schließlich hochgestemmt und festgebunden wurde, blieb der Stein fest in seinem verkrampften Griff. Irgendwann muß dann der Stein heruntergefallen und auf dem Kiesboden davongerollt sein, ohne daß der Mörder es bemerkt hätte ... Warum Brad allerdings den Spielstein überhaupt zum Tatort mitgebracht hat, scheint mir die entscheidende Frage zu sein. Die Antwort darauf dürfte ein Schlaglicht auf den Fall werfen ... Noch keine sehr erhellende Analyse, was, Professor?«