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»Seit wann wohnen Sie hier, Mr. Lincoln?« fragte Vaughn.

»Schon seit langem. Wie lange genau, Helene?« Der hochgewachsene Neuengländer wandte sich um und sah Helene direkt in die Augen. Als sich ihre Blicke trafen, spiegelte sich Zuneigung darin.

Lincoln spannte die Schultern an und atmete tief durch. Sein glasiger Blick verschwand.

»Seit acht Jahren, meine ich, Jonah.« Ihre Stimme zitterte, und zum ersten Mal füllten sich ihre Augen mit Tränen. »Ich war noch ein Kind, als du und Hester hergekommen seid.«

»Hester?« fragten Vaughn und Isham im gleichen Augenblick. »Wer ist die Dame?«

»Meine Schwester«, entgegnete Lincoln mit nunmehr fester Stimme. »Wir haben früh die Eltern verloren. Seitdem habe ich sie immer im Schlepptau.«

»Wo ist sie? Warum ist sie uns nicht vorgestellt worden?«

»Sie ist auf der Insel«, sagte Lincoln ungerührt.

»Oyster Island?« fragte Ellery träge. »Wie interessant. Sie ist aber nicht zufällig den Sonnenanbetern beigetreten, Mr. Lincoln?«

»Wie -wie haben Sie das herausgefunden?« rief Helene aus. »Jonah, du hast doch nicht etwa -«

»Meine Schwester«, begann Lincoln umständlich, »ist der Typ Frau, der auf so was fliegt. Dieser alte Spinner, der sich Haracht nennt, hat die Insel von den Ketchams gemietet -ältere Leute; sie wohnen auch dort -und diesen Hokuspokus angefangen - eine Art Sonnen- und ähm -Nacktkult ...« Etwas schien ihm die Kehle zuzuschnüren. »Ja, und Hester begann sich für ... die Leute auf der Insel zu interessieren, und wir hatten eine heftige Auseinandersetzung darüber. Aber, stur wie sie ist, ist sie einfach von Bradwood abgehauen und hat sich der Nudistenkolonie angeschlossen. Diese verdammten Scharlatane!« preßte er ungehalten hervor. »Es würde mich nicht im Geringsten wundern, wenn sie etwas mit dieser grauenvollen Angelegenheit zu tun hätten.«

»Schlau kombiniert, Mr. Lincoln«, murmelte Professor Yardley.

Ellery hüstelte höflich und wandte sich an die schreckensstarre Mrs. Brad. »Ich hoffe, es macht Ihnen nicht viel aus, wenn ich Ihnen ein paar persönliche Fragen stelle.« Sie sah zu ihm auf und senkte dann den Blick auf ihre Hände im Schoß. »Soweit wir wissen, ist Miss Brad Ihre Tochter und die Stieftochter Ihres verstorbenen Mannes. Waren Sie in zweiter Ehe verheiratet, Mrs. Brad?«

Die attraktive Frau bejahte.

»War auch Ihr Mann vor Ihnen schon einmal verheiratet?«

Sie biß sich auf die Lippen. »Wir -wir waren zwölf Jahre verheiratet. Tom -er hat nie viel über seine erste Frau gesprochen. Ich weiß nur, daß er sie in Europa geheiratet hat. Sie ist wohl sehr jung gestorben.«

»Ts, ts«, sagte Ellery, der mitfühlend die Stirn runzelte. »In welchem Teil Europas, Mrs. Brad?«

Sie sah ihn an und errötete leicht. »Ich weiß es nicht genau. Thomas war Rumäne. Vermutlich - hat er dort geheiratet.«

Helene Brad machte eine mißbilligende Kopfbewegung. »Also wirklich! Sie traktieren uns hier mit lächerlichen Nebensächlichkeiten. Was macht es schon aus, wo Leute vor Urzeiten hergekommen sind oder wen sie geheiratet haben? Warum kümmern Sie sich nicht darum, den Mörder zu finden?«

»Mir will die Vermutung nicht aus dem Kopf, Miss Brad«, antwortete Ellery mit einem traurigen Lächeln, »daß die Geographie dieses Falles von immenser Wichtigkeit sein könnte

... Ist Mr. Megara ebenfalls Rumäne?«

Mrs. Brad sah ihn verständnislos an. »Grieche«, antwortete Lincoln knapp.

»Was in aller Welt -«, begann der Staatsanwalt hilflos. Inspector Vaughn grinste. »Grieche, so, so. Aber ansonsten sind Sie alle gebürtige Amerikaner?«

Sie nickten. Helenes Augen funkelten wütend; sogar der Rotschimmer in ihrem Haar leuchtete intensiver. Sie sah zu Jonah hinüber, als erwarte sie Protest von ihm. Er jedoch blieb stumm und blickte nur auf seine Fußspitzen hinunter.

»Wo steckt dieser Megara überhaupt?« fuhr Isham fort. »Irgendwer hat doch gesagt, er sei auf einer Kreuzfahrt. Mit ’nem Luxusdampfer um die Welt, oder wie darf ich das verstehen?«

»Nein«, erwiderte Lincoln zögernd. »Nichts dergleichen. Mr. Megara ist eine Art Abenteurer und Hobbyentdecker. Er besitzt eine eigene Jacht, mit der er die meiste Zeit des Jahres über die Meere segelt. Er verabschiedet sich einfach und bleibt dann drei oder vier Monate auf dem Wasser.«

»Wie lange ist er dieses Mal schon unterwegs?« fragte Vaughn.

»Fast ein Jahr.«

»Wo hält er sich auf?«

Lincoln zuckte die Achseln. »Ich habe keine Ahnung, er schreibt ja nie. Schneit einfach so herein, ohne Ankündigung. Ich habe mich allerdings auch schon gefragt, warum er diesmal so lange fortbleibt.«

»Ich meine mich zu erinnern«, fügte Helene stirnrunzelnd hinzu, »daß er in die Südsee wollte.« Ihre Augen leuchteten, und ihre Lippen bebten. Ellery, der sie aufmerksam beobachtete, fragte sich, warum.

»Wie heißt seine Jacht?«

Helene trat die Röte ins Gesicht. »Die Helene

»Dampfgetrieben?«

»Ja.«

»Befindet sich an Bord ein Funkgerät?« fragte Vaughn.

»Ja.«

Der Inspector kritzelte mit hochbefriedigter Miene etwas in sein Notizbuch. »Und er segelt selbst?« fragte er, während er schrieb.

»Natürlich nicht! Er beschäftigt einen Kapitän mit Besatzung -Captain Swift, mit dem er schon seit Jahren über die Weltmeere segelt.«

Ellery setzte sich unvermittelt hin und streckte seine langen Beine aus. »Hätte mich auch gewundert ... Wie lautet Megaras Vorname?«

»Stephen.«

Isham gab einen Unmutslaut von sich. »Herrgott noch, warum können wir nicht einfach beim Wesentlichen bleiben! Wie lange waren Brad und Megara Geschäftspartner beim Teppichimport?«

»Sechzehn Jahre«, antwortete Jonah. »Haben die Firma zusammen gegründet.«

»Mit einigem Erfolg, nicht wahr? Gab es nie finanzielle Schwierigkeiten?«

Lincoln schüttelte den Kopf. »Beide haben ein beträchtliches Vermögen angehäuft. Die Depression ist zwar auch an unserer Firma nicht spurlos vorbeigegangen, aber das Geschäft ist stabil geblieben.« Er unterbrach seine Rede, und ein seltsamer Ausdruck trat in sein unverbrauchtes schlankes Gesicht. »Ich glaube keinesfalls, daß finanzielle Probleme das Tatmotiv bilden.«

»Schön«, brummte Isham. »Worin könnte dann Ihrer Meinung nach das Tatmotiv bestehen?«

Lincoln schloß den Mund.

»Sie halten aber nicht etwa für möglich«, fragte Ellery lässig,

»daß es religiöser Natur sein könnte?«

Lincoln blickte ihn irritiert an. »Das habe ich so nicht gesagt. Aber das Verbrechen - die Kreuzigung ...«

Ellery setzte sein charmantes Lächeln auf. »Ganz nebenbei gefragt - welcher Konfession hat Brad angehört?«

Mrs. Brad, deren üppiger Rücken noch immer durchgedrückt war -Brust vorgewölbt, Kinn erhoben -antwortete leise: »Er hat einmal erwähnt, daß er griechisch-orthodox erzogen worden sei. Er war allerdings nicht fromm, hielt nicht viel vom kirchlichen Ritus; manche haben ihn für einen Atheisten gehalten.«

»Und Megara?«

»Der glaubt an rein gar nichts.« Etwas in ihrem Tonfall erzeugte bei den anderen warnende Blicke. Doch ihr Gesicht blieb ausdruckslos.

»Griechisch-orthodox«, äußerte Professor Yardley nachdenklich, »das ist mit Rumänien gut vereinbar ...«

»Sie sind auf der Suche nach Unstimmigkeiten?« murmelte Ellery.

Inspector Vaughn hustete, wobei ihn Mrs. Brad angespannt beobachtete. Sie schien die nächste Frage zu wittern. »Wies der Körper Ihres Mannes unveränderliche Kennzeichen auf, Mrs. Brad?«

Helene wandte würgend den Kopf ab. Mrs. Brad stammelte: »Er hatte ein Feuermal am rechten Oberschenkel.«

Der Inspector seufzte erleichtert. »Das hätten wir also. Und nun, Leute, kommen wir zum Kern der Sache. Wie steht es mit Feinden? Wer könnte ein Interesse daran gehabt haben, Brad aus dem Weg zu räumen?«