»Noch etwas, Stallings. Inspector, würden Sie Stallings bitte die Pfeife mit dem Neptunkopf zeigen?«
Vaughn zog die kunstvoll geschnitzte Pfeife erneut hervor. Stallings betrachtete sie einen Moment und nickte dann. »Ja, Sir, die habe ich hier schon gesehen.«
Die drei Männer stöhnten unisono. Die Schicksalsgöttin schien sich mit der Schuld gegen die Sühne verbündet zu haben. »Aber natürlich«, knurrte Isham. »Hat wohl Brad gehört, oder?«
»Da bin ich ganz sicher, Sir«, antwortete der Butler. »Es ist allerdings nicht so, daß er eine Pfeife, welche auch immer, sehr lange am Stück geraucht hätte. Er pflegte zu sagen, daß eine Pfeife, ähnlich einem Menschen, ab und zu einen Urlaub brauche. Seine Schublade ist voll von wertvollen Pfeifen, Sir. Diese hier erkenne ich aber sofort wieder, Sir. Habe sie schon oft gesehen, allerdings nicht in letzter Zeit, wenn ich mich recht besinne.«
»Gut, gut. Wir sind mit Ihnen fertig.« Stallings verbeugte sich einmal steif, war wieder ganz Butler und verließ den Raum.
»Das mit dem Damespiel wäre also geklärt«, murmelte der Inspector, »das mit den Pfeifen und dem Tabak auch. Reine Zeitverschwendung. Aber immerhin haben wir eine interessante Spur, was Fox betrifft.« Er rieb sich die Hände. »Sieht doch eigentlich gar nicht so schlecht aus. Den Haufen von Oyster Island nehmen wir uns gleich vor. Gibt viel zu tun heute, Männer!«
»Schätze, morgen auch noch«, schmunzelte Ellery. »Wie in den guten alten Zeiten.«
Jemand klopfte, Inspector Vaughn ging zur Tür und unterhielt sich minutenlang im Flüsterton mit einem seiner Leute und nickte wiederholt. Endlich schloß der Inspector die Tür und kehrte zu den anderen zurück.
»Was ist los?« fragte Isham.
»Nichts. Lauter Fehlanzeigen, fürchte ich. Meine Männer berichten, daß sie auf dem Grundstück nichts gefunden habe. Nichts und wieder nichts. Mensch, das gibt es doch gar nicht!«
»Wonach haben Sie denn gesucht?« fragte Ellery.
»Nach dem Kopf, Mann, nach dem Kopf!«
Eine längere Zeit sagte niemand etwas, und der kalte Hauch der Tragödie wehte sie wieder an. Wenn man in den sonnendurchfluteten Garten blickte, war es kaum zu glauben, daß der Herr dieser luxuriösen, friedvollen Idylle wie ausgeblutetes Vieh in der Bezirksleichenhalle lag und sich in nichts mehr von einem aus dem Long Island Sound gefischten Landstreicher unterschied.
»Und sonst?«
»Meine Männer haben die Leute von der Eisenbahn vernommen«, sagte Vaughn ruhig. »Und jeden Anwohner im Umkreis von acht Kilometern. Es geht um mögliche Besucher, Mr. Queen. Nach den Aussagen von Lincoln und Stallings zum gestrigen Abend scheint es ja mehr als wahrscheinlich, daß Brad gestern abend Besuch erwartet hat. Ein Mann schickt doch nicht einfach so Ehefrau, Stieftochter, seinen Geschäftsführer und das Personal fort, wenn da nicht was faul ist. Und außerdem ist das vorher nie vorgekommen!«
»Allzu wahr«, sagte Ellery. »Sie haben vollkommen recht, Inspector. Brad muß gestern abend Besuch erwartet haben, das steht außer Frage.«
»Aber nicht einer der Befragten konnte uns einen Anhaltspunkt liefern. Selbst die Schaffner und die Bahnhofsbeamten erinnern sich an keinen Fremden, der gestern abend um neun herum mit dem Zug angekommen wäre.
Nachbarn?« Der Inspector zuckte die Schultern. »Davon konnten wir uns sowieso nichts versprechen. Hier kann jeder kommen und gehen, ohne eine Spur zu hinterlassen.«
»Aber das war doch klar«, unterbrach der Staatsanwalt. »Sie versuchen das Unmögliche, Vaughn. Niemand, der krumme Sachen vorhatte, wäre so dumm gewesen, hier auszusteigen. Er wäre eine Station früher oder später ausgestiegen und den Rest gelaufen.«
»Und wenn der Mörder mit dem Wagen gekommen wäre?« fragte Ellery.
Vaughn schüttelte den Kopf. »Das haben wir schon heute morgen untersucht. Aber auf dem Grundstück liegt Kies; und die Schnellstraßen sind asphaltiert, was uns nicht die Bohne weiterhilft; es hat auch nicht geregnet oder so. Die Möglichkeit besteht natürlich trotzdem.«
Ellery dachte angestrengt nach. »Es gibt da noch eine andere Möglichkeit, Inspector, den Sound, die Meerenge!«
Der Inspector starrte aus dem Fenster. »Daran haben wir natürlich nicht gedacht«, sagte er mit einem häßlichen Lachen. »Welch ein Kinderspiel! Da mietet jemand ein Boot in Connecticut oder in New York -ein Motorboot ... Zwei meiner Leute verfolgen die Spur gerade.«
Ellery begann zu grinsen. »Quodfugit, usque sequar, was, Inspector?«
»Häh?«
Isham stand auf. »Laßt uns verdammt noch mal weitermachen. Wir haben genug Arbeit vor uns!«
7. Fox und die Engländer
Sie gerieten immer tiefer in den Nebel hinein. Von nirgendwo kam ein Licht.
Es war nicht zu erwarten, daß Mrs. Baxter, die Wirtschafterin, etwas Bedeutsames beizutragen hatte. Und doch war es im Namen der Gründlichkeit notwendig, sie zu verhören. Sie kehrten also zum Arbeitszimmer zurück und brachten die unangenehme Pflicht hinter sich. Mrs. Baxter bestätigte lediglich Stallings Aussage. Nein, Mr. Brad hatte nichts von Besuch gesagt. Nein, als sie Mr. Brad allein das Abendessen serviert habe, habe er nicht besonders aufgeregt gewirkt. Vielleicht ein wenig geistesabwesend. Ja, Fox habe sie am Roxy abgesetzt. Ja, sie und Stallings seien mit der Bahn und dann mit dem Taxi nach Bradwood zurückgekehrt und kurz nach Mitternacht angekommen. Nein, sie glaube nicht, daß Mrs. Brad und die anderen schon zu Hause gewesen seien, aber da sei sie sich nicht sicher. War das Haus dunkel? Ja, Sir. Haben Sie etwas Ungewöhnliches beobachtet? Nein, Sir.
Gut, Mrs. Baxter ... Die ältliche Wirtschaftern entschuldigte sich eilig, und der Inspector stieß einige Flüche aus.
Ellery sah dem Schauspiel zu und schien zur Unzeit fasziniert von einem weißen Fleck auf einem seiner Fingernägel. Der Name Andrew Van ging ihm nicht aus dem Kopf.
»Mir reicht‘s«, sagte Isham. »Laßt uns Fox vernehmen!«
Isham und Vaughn stürzten aus dem Haus; Ellery schlenderte hinterdrein, schnupperte nach den Junirosen und fragte sich, wann seine Kollegen mit der Schattenboxerei aufhören würden, um endlich den vielversprechenden, bewaldeten Flecken Erde Oyster Island - in Angriff zu nehmen.
Isham führte die Männer auf einem schmalen Kiespfad um den linken Flügel des Hauses herum; bald waren sie von einem wild belassenen Wäldchen umgeben. Noch ein paar Schritte, und die Bäume wichen einer Lichtung, auf deren Mitte ein freundliches kleines Blockhaus stand. Ein Polizist vor der Hütte nahm ein Sonnenbad.
Isham klopfte an die schwere Holztür, und eine dunkle Männerstimme rief. »Kommen Sie schon herein!«
Als sie eintraten, stand er vor ihnen aufgepflanzt und ballte die Fäuste. Sein Gesicht war von blassen Flecken geradezu marmoriert. Er war groß, hager und gerade gewachsen. Als er jedoch sah, wer seine Besucher waren, ließ er die Schultern hängen, löste die Fäuste und griff nach der Lehne des selbstgebauten Stuhls, vor dem er stand.
»Fox«, begann Isham in Kommandoton. »Ich hatte heute morgen noch keine Gelegenheit, mit Ihnen zu sprechen.«
»Ja, Sir«, antwortete Fox. Seine Blässe war, wie Ellery erstaunt feststellte, keine vorübergehende, sondern die natürliche Gesichtsfarbe des Mannes.
»Wir wissen, wie Sie die Leiche gefunden haben«, fuhr der Staatsanwalt fort, indem er sich in den einzigen anderen Stuhl fallen ließ, den es in der Hütte gab.
»Ja, Sir«, stammelte Fox, »es war einfach entsetz-«
»Wir möchten noch ein paar Dinge von Ihnen wissen«, sagte Isham tonlos. »Warum haben Sie Stallings und Mrs. Baxter gestern draufgesetzt, wo sind Sie hingegangen, und wann waren Sie wieder zu Hause?«
Seltsamerweise wurde der Mann nicht noch fahler im Gesicht, er wich auch nicht zurück. »Ich bin nur ein bißchen in der Stadt herumgefahren«, sagte er, »um kurz vor Mitternacht war ich wieder in Bradwood.«