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»Worüber, verdammt noch mal, lachen Sie eigentlich?« fragte der Inspector gereizt. »Wer sind Sie überhaupt? Und was haben Sie sich dabei gedacht, diese Frau hier zu entführen?«

Der Mann ohne Jacke wischte sich eine Träne von der Wange. »Ich kann Ihnen Ihr Mißtrauen nicht verdenken«, japste er. »Himmel, war das komisch!« Er schüttelte die letzten Spuren von Heiterkeit aus seinem dunklen Gesicht und stand auf. »Entschuldigen Sie bitte. Mein Name ist Temple; das ist Miss Hester Lincoln. Ich danke Ihnen für unsere Errettung!«

»Kommen Sie an Bord«, brummte Vaughn.

Isham und Ellery halfen der stummen Frau ins Polizeiboot.

»Augenblick mal«, fuhr Temple dazwischen, und sein Blick verriet aufkeimenden Argwohn. »Wer sind Sie überhaupt?«

»Polizei! Kommen Sie schon!«

»Polizei!« Temple verengte skeptisch die Augen, während er in die Barkasse stieg. Einer der Beamten befestigte die Fangleine an Temples Außenborder. Dr. Temple schaute von Vaughn zu Isham und dann zu Ellery hinüber. Die junge Frau war in einen der Sitze gerutscht und starrte auf den Boden.

»Sagen Sie, was ist denn passiert?«

Staatsanwalt Isham klärte ihn auf. Dr. Temple wurde leichenblaß; und Hester Lincoln riß entsetzt die Augen auf.

»Brad!« wiederholte Dr. Temple leise. »Ermordet ... Das gibt‘s doch nicht ... Gestern morgen noch habe ich ihn gesehen, und -«

»Jonah«, stammelte das zitternde Mädchen. »Ist er okay?«

Keiner antwortete ihr. Dr. Temple nagte auf seiner Unterlippe herum; seine farblosen Augen schienen auf einmal nachdenklich. »Waren Sie schon - bei den Lynns?« fragte er mit einem seltsamen Unterton.

»Warum sollten wir?«

Temple zögerte, dann lächelte er und zuckte die Achseln. »Ach, nur so. War nur so eine Frage ... Der arme Tom.« Er

setzte sich hin und ließ seinen Blick über das Wasser zur Insel gleiten.

»Kurs auf Brads Anlegestelle!« befahl Vaughn. Sofort beschrieb die Barkasse eine scharfe Kurve und steuerte wieder auf das Festland zu.

Ellery entdeckte die eigenwillige Silhouette des Professors, der auf dem Anlegesteg stand, und winkte ihm zu. Professor Yardley winkte schlaksig zurück.

»Und jetzt, Dr. Temple«, sagte der Staatsanwalt, »reden wir einmal Tacheles! Was sollte das ganze Theater mit der Entführung, und wer zum Henker ist der nackte Idiot, der Sie verfolgt hat?«

»Zu dumm auch ... Na ja ... Es ist vielleicht besser, wenn ich direkt mit der Wahrheit herausrücke. Hester, bitte verzeih mir!«

Das Mädchen sagte nichts; die Nachricht vom Tod des Thomas Brad schien sie gelähmt zu haben.

»Miss Lincoln«, fuhr der braungebrannte Mann fort, »ist, sagen wir, ein wenig kopflos gewesen. Sie ist noch sehr jung; und junge Menschen sind leicht zu verführen.«

»Ach, Victor«, stöhnte das Mädchen unendlich traurig.

»Jonah Lincoln«, fuhr Dr. Temple angestrengt fort, »hat sich nicht -wie soll ich das sagen -hat gegenüber seiner Schwester ­wie ich es sehe -versagt.«

»Wie du es siehst«, ergänzte das Mädchen erbittert.

»Ja, Hester, weil ich -« Er nagte wieder auf seiner Lippe herum. »Auf jeden Fall war ich, als eine Woche verstrichen und Hester immer noch nicht von der verdammten Insel zurück war, zu dem Schluß gekommen, daß jemand sie schleunigst zur Vernunft bringen müsse. Da kein anderer sich dazu berufen fühlte, habe ich die Aufgabe übernommen. Nudismus!« schnaubte er verächtlich. »Pervers so was; erst recht, wie die Leute drüben ihn praktizieren. Schließlich hat man als Arzt so seine Erfahrungen. Das ist ein Haufen von Betrügern, die sich mit dem Schamgefühl anständiger Leute eine goldene Nase verdienen.«

»Victor Temple!« fauchte das Mädchen. »Ist dir eigentlich klar, was du da sagst?«

»Entschuldigen Sie bitte«, wandte der Inspector ein. »Aber es würde mich schon interessieren, was Sie das angeht, wenn Miss Lincoln beschließt, nackt auf der Insel herumzulaufen. Immerhin dürfte sie volljährig sein.«

Dr. Temple verzog den Mund. »Wenn Sie es unbedingt wissen wollen«, antwortete er zornig, »dann nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß ich mich berechtigt sehe einzugreifen, weil sie in geistiger und seelischer Hinsicht noch ein Kind, eine Heranwachsende ist. Sie hat sich von seiner Tarzanmasche und seinen schmierigen Schmeicheleien verführen lassen.«

»Sie sprechen von Paul Romaine, nehme ich an?« fragte Ellery mit einem nüchternen Lächeln.

Der Arzt nickte. »Dreckskerl! Er ist das lebende Aushängeschild dieser hirnverbrannten Sonnenanbeter -nichts gegen die Sonne als solche, aber ... Nun ja, ich bin also heute morgen rüber, um die Insel auszukundschaften. Zwischen Romaine und mir gab es ein kleines Gerangel. Wie die Wilden! Das muß zum Schreien komisch gewesen sein! Zunächst einmal sah es jedoch verdammt ernst aus, schließlich ist er viel kräftiger als ich. Als ich merkte, daß ich nicht gegen ihn ankam, habe ich mir Miss Lincoln geschnappt und gemacht, daß ich fort kam.« Er grinste ironisch. »Wenn Romaine nicht gestolpert und mit seinem Dickschädel gegen einen Felsen gekracht wäre, hätte ich, fürchte ich, eine ordentliche Tracht Prügel bezogen. Soweit also die Geschichte von der rätselhaften Entführung.«

Hester starrte ihn düster an; sie zitterte immer noch vor Schrecken.

»Trotzdem sehe ich immer noch nicht ein«, begann Isham, »mit welchem Recht -«

Dr. Temple erhob sich und blickte Isham böse an. »Das geht Sie nun wirklich nichts an, wer immer Sie auch sein mögen! Aber bitte: Ich beabsichtige, die junge Dame eines Tages zum Traualtar zu führen; da kann ich doch nicht tatenlos zusehen, wenn dieser -« Er schluckte. »Sie liebt mich, weiß es nur noch nicht. Aber, das schwöre ich Ihnen, ich werde dafür sorgen, daß sie es merkt!«

Er sah sie eindringlich an, und einen Augenblick lang schien in ihren Augen ein bestätigendes Funkeln zu liegen.

»Das«, sagte Ellery trocken, »ist wahre Leidenschaft.«

Isham schüttelte den Kopf.

Ein Polizist holte die Leinen der Barkasse ein. Professor Yardley rief: »Hallo, Queen! Bin noch mal zurück, um zu sehen, wie Sie vorankommen ... Tag, Temple. Stimmt was nicht?«

Dr. Temple nickte. »Ich habe gerade Hester gekidnappt. Die Herren hier wollen mich dafür hängen.«

Yardleys Lächeln verblaßte. »Oh, das tut mir aber leid ...«

»Professor -Sie kommen besser mit«, sagte Ellery. »Wir werden auf der Insel Ihre Hilfe brauchen.«

»Großartige Idee!« befand Vaughn. »Dr. Temple, Sie haben Brad gestern noch gesehen?«

»Nur ganz flüchtig, als er gerade in Richtung Stadt losfuhr. Auch Montag abend, vorgestern, habe ich ihn gesehen. Er war so wie immer. Ich begreife es einfach nicht! Haben Sie denn schon einen Verdacht?«

»Die Fragen stelle ich«, brummte Vaughn. »Wie haben Sie den gestrigen Abend verbracht, Doktor?«

Temple schmunzelte. »Ich hoffe, ich bin nicht der erste, den Sie vernehmen! Ich war den ganzen Abend zu Hause; ich lebe allein. Eine Zugehfrau kommt jeden Tag zum Kochen und Putzen.«

»Wir haben ein paar Fragen zu Ihrer Person«, erklärte Isham.

»Reine Formsache.«

Temple winkte ab. »Schießen Sie schon los!«

»Seit wann wohnen Sie hier?«

»Seit 1921. Ich bin aus dem Dienst ausgeschiedener Offizier; Truppenarzt, um genauer zu sein. Als der Krieg ausbrach, war ich in Italien und bin ganz in eine italienische Sanitätseinheit eingetreten. Ich war gerade aus den Windeln raus und mit dem Studium fertig. Ich habe es bis zum Major gebracht; zwei-oder dreimal verwundet -ich war im Balkankrieg dabei, und bin dort in Kriegsgefangenschaft geraten. Das war nicht lustig.« Er lächelte flüchtig. »Damit war meine Militärlaufbahn beendet. Für die Dauer des Krieges kam ich dann in ein österreichisches Internierungslager bei Graz.«