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»Und nach Ende des Krieges sind Sie in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt?« »Ich bin erst noch ein paar Jahre herumgezogen -ich war im Krieg zu einer beträchtlichen Erbschaft gekommen -und dann erst in die Heimat zurückgekehrt. Sie wissen ja, wie es vielen von uns ergangen ist -Freunde verloren, keine Familie, das Übliche halt. Ich habe mich hier niedergelassen und spiele seitdem den Großgrundbesitzer.«

»Ich danke Ihnen, Doktor«, sagte Isham deutlich herzlicher. »Wir setzen Sie hier ab und -« Ihm schien plötzlich ein Gedanke gekommen zu sein. »Sie, Miss Lincoln, kehren besser zu Brads Villa zurück. Könnte sein, daß es auf der Insel gleich ordentlich kracht. Ich werde aber dafür sorgen, daß Sie Ihre Sachen wiederbekommen.«

Hester Lincoln hielt ihren Blick gesenkt, ihre Stimme verriet jedoch unnachgiebige Sturheit: »Ich werde nicht hierbleiben. Ich gehe zurück!«

Dr. Temple hörte auf zu lächeln.

»Zurück!« brüllte er. »Hast du den Verstand verloren, Hester? Nach allem, was gewe-«

Sie warf mit einer plötzlichen Bewegung das Jackett ab. Die Sonne brannte auf ihre nackten, gebräunten Schultern nieder, und ihr Blick loderte nicht minder heiß. »Ich werde mir weder von dir noch von sonst jemandem vorschreiben lassen, was ich zu tun oder zu lassen habe, Dr. Temple! Ich gehe zurück; und Sie werden mich nicht daran hindern. Wagen Sie es ja nicht!«

Vaughn blickte hilflos zu Isham, der leise vor sich hin schimpfte.

Ellery beschwichtigte: »Immer ruhig Blut! Ich schlage vor, daß wir alle zurückfahren. Wird bestimmt amüsant!«

Und so durchpflügte die Barkasse einmal mehr die Wasser der Ketcham‘s Bay, diesmal allerdings erreichte sie das kleine Dock ohne Zwischenfall. Sie gingen an Land, wobei Hester jede Hilfestellung verweigerte, und erschraken. Vor ihnen stand ein Gespenst.

Ein greisenhafter Zwerg mit verfilztem Haar und braunem Bart, dessen ausgemergelten Körper ein leuchtend weißes Gewand umhüllte, fixierte sie mit fanatischen Augen. Seine Füße steckten in eigenartigen Sandalen. In seiner rechten Hand hielt er einen kuriosen Stab, den eine primitive, grob geschnitzte Schlange krönte ... Er trat aus dem Busch hervor, drückte die mageren Schultern durch und sah die Neuankömmlinge hoheitsvoll an.

Hinter ihm tauchte der muskulöse Schwimmer auf; er hatte in der Zwischenzeit eine kurze weiße Hose und ein Unterhemd übergestreift. Seine Füße waren noch nackt.

Einen Augenblick lang beäugte man sich feindselig; dann jedoch lächelte Ellery in freundlicher Ehrerbietung. »Na, wenn das nicht der erhabene Haracht persönlich ist!«

Professor Yardley schmunzelte in seinen Bart hinein.

Der schmächtige Geist fuhr zusammen. Seine Augen wandten sich Ellery zu; es spiegelte sich jedoch keinerlei Erkennen darin.

»Ja, so lautet mein Name«, verkündete er mit schneidender Krächzstimme. »Seid ihr gekommen, um vor dem Altar zu beten?«

»So sehe ich aus, du armseliger Spinner!« fauchte Inspector Vaughn, machte einen Schritt vorwärts und packte Haracht beim Arm. »Du bist der Oberboß von diesem Zirkus, Freundchen, stimmt‘s? Wo ist deine Hütte? Wir müssen mit dir reden!«

Haracht sah sich ratlos nach seinem Begleiter um. »Paul, siehst du nicht? Paul!«

»Der Name muß es ihm angetan haben«, murmelte der Professor. »Was für ein Jünger!«

Paul Romaine stierte Dr. Temple haßerfüllt an; dieser ließ sich nicht lumpen und gab den Blick ebenso liebevoll zurück. Hester hatte sich, wie Ellery nun auffiel, seitwärts in die Büsche geschlagen.

Haracht wandte sich wieder um. »Wer seid ihr? In welcher Mission seid ihr hier? Wir sind eine friedliche Gemeinschaft!«

Isham schnaubte verächtlich, und Vaughn höhnte: »Kann kein Wässerchen trüben! -Jetzt hör mal zu, Opa! Wir sind von der Polizei -klar? - und wir ermitteln in einer Mordsache!«

Der kleine Greis zuckte zurück, als ob Vaughn ihn geschlagen hätte, und keuchte: »Wieder, wieder und wieder!«

Nun erwachte Paul Romaine zum Leben; er fegte Haracht achtlos zur Seite und baute sich vor dem Inspector auf. »Sie reden mit mir, klar? Der Alte ist ein bißchen überspannt. Sie suchen einen Mörder? Tun Sie das von mir aus! Aber was hat das, bitteschön, mit uns zu tun?«

Ellery sah ihn bewundernd an; der Mann besaß den geschmeidigen, kraftvollen Körper eines Raubtiers. Angesichts seiner Virilität erübrigte sich die Frage, warum frustrierte Frauen reihenweise ihr Herz an ihn verloren.

»Wo sind Sie und dieser Spinner gestern abend gewesen?«

fragte Isham in ruhigem Ton.

»Hier auf der Insel natürlich. Wer ist ermordet worden?«

»Das wissen Sie nicht?«

»Nein! Wer?«

»Thomas Brad.«

Romaine verengte die Lider. »Brad! Nun ja, das hat er vielleicht nicht anders verdient ... Aber was wollen Sie von uns? Uns betrifft das nicht. Wir haben nichts mit den alten Heulsusen vom Festland zu tun. Wir wollen einfach nur unsere Ruhe!«

Inspector Vaughn schob Isham sanft beiseite. Der Inspector war ebenfalls ein ordentliches Kaliber von einem Mann; seine und Romaines Augen trafen sich auf gleicher Höhe, während sie sich gegenseitig taxierten. »Uns gefällt Ihr Ton nicht, mein Lieber«, knurrte Vaughn, während er seine Fingernägel in Romaines linkes Handgelenk grub. »Sie haben das Vergnügen mit dem Bezirksstaatsanwalt und dem Polizeichef von Nassau County persönlich! Und jetzt sind Sie ein braver Junge und beantworten höflich unsere Fragen!«

Romaine wollte sich losreißen, aber Vaughns Griff blieb eisern. »Also gut«, zischte er, »wenn Sie dann besser schlafen können. Ich frage mich nur, wann man uns endlich in Ruhe läßt! Was wollen Sie wissen?«

»Wann haben Sie und dieser Schrumpfkopf hinter Ihnen zum letzten Mal die Insel verlassen?«

Haracht heulte auf: »Paul, komm da weg! Das sind Ungläubige!«

»Sei still! ... Der Herr hier hat die Insel nicht verlassen, seit wir hier sind. Ich selbst bin vor einer Woche das letzte Mal rübergefahren, um Vorräte heranzuschaffen.«

»Na, also! Warum denn nicht gleich?« Der Inspector ließ Romaine los. »Und jetzt vorwärts, Marsch! Wir wollen uns euren Tempel ansehen, oder euer Hauptquartier, oder wie immer ihr dazu sagt!«

Im Gänsemarsch folgten sie der schrägen Gestalt des Alten auf einem Fußweg, der direkt vom Ufer durch das Unterholz ins Herz der Insel führte. Es war unnatürlich still; es schien kaum Insekten noch Vögel auf der Insel zu geben; geschweige denn Menschen. Romaine stapfte gleichgültig durch das Gehölz und schien Dr. Temple vollkommen vergessen zu haben. Der folgte ihm, ohne einmal den Blick von seinem muskulösen Rücken abzuwenden.

Offenbar hatte Romaine vor Ankunft der Polizei die anderen Sonnenanbeter gewarnt; denn als sie aus dem Wald auf eine große Lichtung kamen, auf der ihr Haus stand -ein mit losen Latten verkleideter, riesiger Holzbau -, wurden sie bereits von den Mitgliedern des Nudistenvereins erwartet, doch alle waren bekleidet. Die Warnung mußte jedoch kurzfristig erfolgt sein, denn die Novizen -etwa zwanzig Männer und Frauen jeden Alters und Typs -trugen nur Kleiderfetzen am Leibe. Romaine gab einen unverständlichen Befehl; und wie eine Horde Höhlenmenschen verkrochen sie sich in verschiedenen Winkeln des Holzbaus.

Der Inspector sagte nichts; Verletzungen des öffentlichen Anstands interessierten ihn im Moment nicht.

Haracht schwebte unbekümmert voraus, hielt seinen hausgemachten Uräus hoch und murmelte Gebetsformeln. Er führte die Besucher die Stufen des Hauptgebäudes zum Allerheiligsten hinauf. Es handelte sich um eine Anlage von ungeheuren Ausmaßen, die mit astronomischen Karten, Gipsstatuen der falkenköpfigen ägyptischen Gottheit Horus, Rindergehörn, einem Sistrum, einer emblematischen Weltscheibe, die den Sockel eines Throns bildete, sowie einer Art Kanzel ausgestattet war. Um diese Kanzel standen seltsame Holzliegen herum, auf die sich zumindest Ellery keinen Reim machen konnte ... Die Anlage war nicht überdacht, und die