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Der alte Ketcham lebte offenbar mit seiner Frau auf dem östlichen Zipfel der Insel.

Der Inspector machte die Runde bei den dreiundzwanzig nunmehr verängstigten, zum Sonnen-und Nacktkult Neubekehrten -und Angst war noch eine gelinde Untertreibung! Nun, da ihr Ausflug ins verbotene Reich der Sinnlichkeit durch die polizeilichen Ermittlungen ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt war, schienen sich die meisten ihrer selbst aufs Äußerste zu schämen. Einige erschienen in voller Montur und zogen ihr Handgepäck hinter sich her. Der Inspector jedoch schüttelte mit grimmiger Miene den Kopf; keiner durfte die Insel verlassen, bevor er nicht persönlich die Erlaubnis dazu erteilt hatte. Während er die Smiths, Johnsons und Browns an sich vorbei paradieren ließ und deren Namen und Adressen notierte, gönnte er sich ein süffisantes Grinsen.

»Hat jemand von Ihnen gestern die Insel verlassen?« fragte Isham.

Alle schüttelten kurz den Kopf; seit Tagen, so schien es, hatte niemand einen Fuß von der Insel gesetzt.

Als die Ermittler sich zum Gehen wandten, stand Hester Lincoln noch immer neben Romaine. Dr. Temple, der dem ganzen Schauspiel schweigend zugesehen hatte, flehte: »Hester, komm mit!«

Sie schüttelte den Kopf.

»Jetzt sei doch nicht so dickköpfig. Ich kenne dich, Hester. Sei vernünftig -komm weg von dieser Bande von Gaunern, Gangstern und verklemmten Idioten!«

Romaine machte einen Satz nach vom. »Hab‘ ich da recht gehört?« brummte Romaine. »Wie haben Sie uns genannt?«

»Oh, das war noch nicht alles!« Die Stimme des sonst so wohlanständigen Doktors überschlug sich vor Zorn; sein rechter Arm holte aus und traf mit einem dumpfen Knacken Romaines Kiefer.

Hester stand wie vom Donner gerührt da; ihre Lippen begannen zu beben. Dann wandte sie sich ab und lief, von Weinkrämpfen geschüttelt, in den Wald zurück.

Inspector Vaughn sprang auf; doch Romaine warf nach einem Moment der Verblüffung die Schultern zurück und lachte nur. »Mehr haben Sie nicht zu bieten? ... Ich warne Sie, Temple; wenn ich Sie noch einmal auf dieser Insel erwische, brech‘ ich jeden ihrer verdammten Schnüfflerknochen! Und jetzt weg hier!«

Ellery schüttelte nur den Kopf.

9. Die 100-Dollar-Kaution

Der Nebel um den Fall wurde immer dichter. Die »alles entscheidenden« Verhöre der Freizeitinsulaner waren vorüber.

Die Männer verließen die Insel mit einem Gefühl der Trostlosigkeit. Ein Psychopath mit der üblichen Mischung von wirren Reden und lichten Momenten; die verwischte Spur eines verschwundenen Mannes

Das Rätsel war unauflösbarer denn je. Alle waren der Ansicht, daß die Anwesenheit des Mannes, der sich Haracht nannte, in der Nachbarschaft von Bradwood kein Zufall war. Doch welche Verbindung konnte es zwischen dem Mord an einem Schulmeister und dem an einem Millionär, der etliche hundert Kilometer entfernt davon verübt worden war, überhaupt geben?

Die Polizeibarkasse legte ab und tuckerte am grünen Uferstreifen entlang. Am östlichsten Zipfel der Insel war ein zweiter Anlegesteg auszumachen.

»Das muß der private Anlegesteg der Ketchams sein«, sagte Vaughn, »macht sie hier fest.«

Die Insel wirkte auf der östlichen Seite noch trostloser als im Westen. Von der hölzernen Plattform, auf der sie standen, hatten sie freie Sicht auf den Sound und die New Yorker Küste im Norden. Rauher, salziger Wind wehte um ihre Nasen.

Dr. Temple, der apathisch wirkte, blieb mit Professor Yardley im Boot zurück. Staatsanwalt Isham, Vaughn und Ellery stiegen von der morschen Plattform herunter und folgten einem krummen Pfad durch den Wald. Es war kühl dort; und wenn man von dem Pfad absah -der so aussah, als habe ihn zum letzten Mal ein Indianer begangen -, wähnten sie sich in vollkommen unberührter Natur. Nach etwa einhundertfünfzig Metern jedoch trafen sie auf ein primitives Zeugnis menschlicher Zivilisation -ein Blockhaus, das aus sonnengebleichten, grob behauenen Baumstämmen gezimmert war. Neben dem Eingang saß ein großer, braungebrannter alter Mann, der friedlich eine Maiskolbenpfeife rauchte. Als er seine

Besucher sah, stand er hastig auf; seine weißen Augenbrauen bauschten sich über erstaunlich klaren Augen.

»Was machen Sie hier?« fragte er unfreundlich. »Wissense nich‘, daß die ganze Insel Privateigentum is‘?«

»Polizei«, erwiderte Vaughn knapp. »Sie sind Mr. Ketcham?«

Der Alte nickte. »Polizei, wie? Ich wette, Se sin‘ den Nackedeis hinterher. Meine Frau und ich ham nix damit zu tun, verstehnse? Das Stückchen Land hier gehört mir nur zufällig. Wenn meine Pächter Mist gebaut haben, is‘ das denen ihr Pech ...«

»Kein Mensch will Sie für irgend etwas belangen«, brummte Isham. »Aber haben Sie denn noch gar nicht gehört, daß auf dem Festland drüben ein Verbrechen begangen worden ist, genauer gesagt in Bradwood?«

»Was Se nich‘ sagen!« Ketcham fiel der Unterkiefer herunter; die Pfeife zwischen seinen braunen Zähnen wippte auf und ab. »Haste das gehört, Ma?« Er schaute ins Innere des Blockhauses, in dem das faltige Gesicht eines alten Weibes zwischen seinem ausgestreckten Arm und dem Türpfosten zu erkennen war. »Hat drüben in Bradwood ’n Verbrechen gegeben Is‘ das nich‘ schrecklich! Aber was ham wir damit zu tun?«

»Nichts - hoffe ich«, antwortete Isham düster. »Thomas Brad ist ermordet worden.«

»Aber doch nicht der gute Mr. Brad!« schrie die Stimme der Greisin in dem Blockhaus auf. Ihr Gesicht erschien im Türrahmen. »Ist das nicht schauderhaft! Aber hab‘ ich nich‘ immer gesagt -«

»Halt dich da raus, Ma«, befahl der alte Ketcham mit kaltem Blick. Der Kopf der alten Frau verschwand. »Na ja, meine Herren, ich kann nich‘ grad‘ sagen, dasses mich überrascht.«

»So!« sagte Vaughn. »Warum nicht?«

»Nu ja, da hat‘s schon so Sachen gegeben.«

»Wie meinen Sie das? Was für Sachen?«

Mr. Ketcham kniff ein Auge zu. »Mr. Brad un‘ der Bekloppte« -er wies mit einem schmutzverkrusteten Daumen über die Schulter hinter sich -, »ham sich inner Wolle gehabt, seit die Leute die Insel für die Sommersaison gepachtet ham. Die Insel gehört uns Ketchams, wissense, seit vier Generationen jetz‘. Seit den alten Indianertagen, nehm‘ ich an.«

»Ja, das wissen wir jetzt«, unterbrach Vaughn ungeduldig. »Also hat es Brad gar nicht gepaßt, daß Haracht und seine Horde so nah an seinem Grundstück kampiert haben, was? Haben Sie -«

»Einen Moment bitte, Inspector«, sagte Ellery mit leuchtenden Augen. »Mr. Ketcham, wer hat die Insel gepachtet?«

Ketchams Maiskolben spuckte gelblichen Rauch in die Luft. »Nich‘ der Bekloppte. War‘n Mann mit ’nem verdammt komischen ausländischen Namen. Kro-sac«, antwortete er mit einigen Schwierigkeiten, den fremden Namen auszusprechen.

Die drei Männer tauschten Blicke. Krosac -also doch noch eine Spur. Der mysteriöse hinkende Mann von Arroyo.

»Hinkte der Mann?« fragte Ellery eifrig.

»Schaunse«, sagte Ketcham, »ich hab‘n nie gesehn und kann das also nich‘ sagen. Aber wartense mal ’n Augenblick -ich hab‘ da was, wasse interessieren könnte.« Er machte auf dem Absatz kehrt und verschwand in seiner Hütte.

»Nun, Mr. Queen«, begann der Staatsanwalt nachdenklich, »sieht ganz so aus, als hätten Sie das Blatt gewendet. Krosac ... Wenn man bedenkt, daß Van Armenier und Brad Rumäne war ­zumindest sind sie Mitteleuropäer gewesen -und daß Krosac untergetaucht ist, nachdem er zuletzt am Tatort des ersten Mordes gesehen worden ist ... Das ist verdammt heiß, Vaughn.«

»Sieht ganz so aus«, brummte Vaughn. »Wir müssen dringend was unternehmen ... Da ist er wieder.«

Der alte Ketcham kehrte mit rotem, schweißüberströmtem Gesicht zurück und wedelte triumphierend mit einem schmutzigen, abgegriffenen Blatt Papier in der Luft herum.