Vaughn bleckte die Zähne. »Das Theater können Sie sich sparen. Sie haben Dienstag nacht Patsy Malone aufgesucht -in der Nacht, in der Brad ermordet wurde!«
»In der Nacht, in der Sie Stallings und Mrs. Baxter am Roxy abgesetzt haben«, half Isham nach. »Das war um acht, Fox.«
Fox war wie versteinert. Seine Lippen wurden weiß.
»Nun?« höhnte der Inspector. »Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung vorzubringen, Freundchen? Was könnte ein unschuldiger kleiner Chauffeur wohl in der Hauptzentrale eines New Yorker Obergangsters zu suchen haben, hm?«
Fox flatterte kurz mit den Augenlidern, sagte jedoch noch immer nichts.
»Sie kriegen wohl die Zähne nicht auseinander, wie?« Der Inspector ging zur Tür. »Mike, das Abdruckset!«
Auf der Stelle erschien ein Mann in Zivil. Er hatte Stempelkissen und Papier bei sich. Fox stieß einen würgenden Laut aus und stürzte zur Tür. Geistesgegenwärtig ließ der Beamte in Zivil Stempelkissen und Papier fallen und packte Fox bei den Armen; der Inspector bekam ihn an den Beinen zu fassen und brachte den wild strampelnden Mann zu Boden. Als er sah, daß alle Gegenwehr zwecklos war, ließ er sich von Vaughn wieder hochziehen, ohne weiteren Widerstand zu leisten.
Helene folgte dem Spektakel mit Entsetzen. Mrs. Brad schien ungerührt. Lincoln stand auf und drehte den anderen den Rücken zu.
»Nimm seine Abdrücke«, befahl Vaughn übellaunig. Der Zivilbeamte nahm Fox‘ rechte Hand, drückte seine Finger erst auf das Stempelkissen, dann mit geübten Bewegungen auf das Papier, um schließlich die Prozedur mit der linken Hand zu wiederholen. Fox wirkte sterbenskrank.
»Sofort überprüfen!« Der Zivilbeamte eilte aus dem Zimmer. »Nun, mein Lieber -nennen wir Sie vorläufig noch Fox, obwohl wir verdammt genau wissen, daß Sie anders heißen -, ich schlage vor, Sie werden jetzt endlich vernünftig und beantworten unsere Fragen. Was haben Sie bei Malone gewollt?«
Keine Antwort.
»Wie heißen Sie wirklich? Wo kommen Sie her?«
Keine Antwort. Der Inspector trat wieder zur Tür und winkte zwei Beamte zu sich, die draußen im Flur standen. »Bringen Sie ihn in seine Hütte, und lassen Sie ihn dort schmoren. Wir kümmern uns später um ihn.«
Fox hielt den Kopf gesenkt, während er zwischen den beiden Beamten hinausschlurfte. Er vermied es, Mrs. Brad oder Helene in die Augen zu sehen.
»Tja.« Der Inspector wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Es tut mir leid, Mrs. Brad, daß wir ein bißchen grob werden mußten. Aber, das kann ich Ihnen sagen, den Unschuldsengel mimt er nur, und das auch noch schlecht.«
Mrs. Brad schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das einfach nicht. Er ist immer ein so zuvorkommender junger Mann gewesen. So höflich. So zuverlässig. Sie glauben doch nicht etwa, daß er derjenige war, der ...«
»Wenn er‘s war, dann gnade ihm Gott!«
»Er war‘s nicht, da bin ich absolut sicher«, sagte Helene schroff; sie schien Mitleid mit ihm zu haben. »Fox ist kein Gangster. Er war zwar immer sehr verschlossen, das stimmt, aber er war nie betrunken oder unfreundlich und hat auch sonst nie etwas zu wünschen übriggelassen. Außerdem ist er gebildet; ich habe ihn oft dabei überrascht, wie er anspruchsvolle Literatur gelesen hat, Lyrik und solche Sachen.«
»Die Jungs sind manchmal ganz schön gewieft, Miss Brad«, entgegnete Isham. »So, wie es aussieht, hat er Ihnen von Anfang an etwas vorgespielt. Seine Referenzen haben wir geprüft, und die waren in Ordnung. Allerdings hat er für den Mann nur ein paar Monate gearbeitet. «
»Hat den Job vielleicht nur angenommen, um eine Empfehlung zu bekommen«, sagte Vaughn. »Die beherrschen die unterschiedlichsten Tricks.« Er wandte sich Ellery zu. »Fox geht auf das Konto Ihres Vaters, Mr. Queen. Kein anderer Kollege in New York hat so viele Spitzel und Informanten wie er.«
»War mir klar, daß Dad seine Finger drin hat«, murmelte Ellery. »War der Tip denn so zuverlässig?«
»Der Informant hat Fox in Malones Zentrale hineingehen sehen, das war alles. Reicht aber vollkommen.«
Ellery zuckte die Achseln. Helene schimpfte. »Das Schlimme an euch Polizisten ist, daß ihr immer nur das Schlechteste von den Menschen denkt!«
Lincoln setzte sich und steckte sich eine Zigarette an. »Vielleicht wäre es besser, wenn wir uns da raushalten, Helene.«
»Vielleicht, Jonah, wäre es noch besser, wenn du dich um deinen eigenen Kram kümmern würdest.«
»Kinder«, begann Mrs. Brad schwach.
Ellery entfuhr ein Seufzer. »Gibt es etwas Neues, Mr. Isham? Ich habe einen Heißhunger auf Informationen.«
Der Inspector begann zu grinsen. »Da haben Sie was zu kauen!« Er zog einen Stapel vollgetippter Blätter hervor und reichte sie Ellery. »Wenn Sie damit was anfangen können, sind Sie genial. Moment ...« fügte er scharf hinzu und drehte sich zu Lincoln herum, der sich gerade erhoben hatte, um den Raum zu verlassen. »Wir brauchen Sie noch, Mr. Lincoln. Ich -äh -hätte da noch eine Frage an Sie.«
Der Inspector verstand es immer, den richtigen Zeitpunkt abzupassen; Ellery bewunderte seine Verhörmethoden. Lincoln blieb wie angewurzelt stehen; Röte stieg in sein Gesicht. Die beiden Frauen richteten sich in ihren Stühlen steif auf. Auf einmal war die Atmosphäre im Raum wie zum Zerreißen gespannt; ein Schwelbrand, der nur noch mühsam unter Kontrolle zu halten war, drohte in ein offenes Feuer auszubrechen.
»Was wollen Sie noch?« fragte Lincoln gequält.
»Warum«, entgegnete Vaughn in freundlichem Tonfall, »haben Sie uns gestern belogen, als Sie behaupteten, daß Sie, Miss Brad und ihre Mutter in der Mordnacht zusammen nach Hause gekommen seien?«
»Ich - ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
Isham wandte sich an Mrs. Brad: »Man gewinnt den Eindruck, Sie tun alles, um die Aufklärung des Mordes an Ihrem Mann zu behindern, anstatt uns dabei behilflich zu sein, Mrs. Brad! Die Männer von Inspector Vaughn haben den Taxifahrer vernommen, der in der fraglichen Nacht zwei von Ihnen vom Bahnhof nach Bradwood gefahren hat.«
»Nur zwei?« murmelte Ellery.
»Und der hat zu Protokoll gegeben, daß lediglich Mr. Lincoln und Miss Brad in seinem Wagen saßen, Mrs. Brad!«
Helene sprang auf. Mrs. Brad hatte es die Sprache verschlagen. »Sag nichts mehr, Mama. Das ist absolut infam! Wollen Sie vielleicht andeuten, daß etwa einer von uns in den Mordfall verstrickt wäre, Mr. Isham?«
Lincoln stammelte. »Sieh mal, Helene, vielleicht sollten wir besser -«
»Jonah!« Sie starrte ihn nieder. »Wenn du es wagst, den Mund aufzumachen, dann -dann rede ich nie wieder ein Wort mit dir!«
Er biß sich auf die Unterlippe, wich ihrem Blick aus und verließ den Raum. Mrs. Brad stieß einen kleinen spitzen Schrei aus. Helene baute sich vor ihrer Mutter auf, als wollte sie sie gegen weitere Angriffe abschirmen.
»Ja«, jammerte Isham, »da haben Sie‘s, Mr. Queen. Mit so was muß sich unsereiner andauernd herumschlagen! Wie Sie wollen, Miss Brad. Dennoch muß ich Ihnen mitteilen, daß von nun ab jeder, ohne Ausnahme jeder, unter Verdacht steht, Thomas Brad ermordet zu haben!«
12. Der Professor erzählt
Mit dem Eifer eines Hundes, der einen Knochen im Maul trägt, kehrte Mr. Ellery Queen, der mittlerweile leicht irritierte Sonderbeauftragte, zum Haus seines Gastgebers auf der anderen Seite der Straße zurück; die Polizeiberichte hatte er bei sich. Die Mittagssonne brannte erbarmungslos auf das Pflaster. Es war zu heiß für die Kleidung, die er trug; aber das kühle Innere des Hauses versprach baldige Erlösung. Er fand den Professor in einer Umgebung vor, die aus Tausendundeinernacht zu kommen schien, eine Art Atrium mit Marmormosaiken und türkischen Arabesken, die an den Innenhof einer Zenana erinnerte; zu Ellerys besonderer Freude gehörte zur Ausstattung ein bis zum Rand mit kostbarem Naß gefüllter Swimmingpool, den ebenfalls ein Mosaikboden zierte. Der Professor, in engen kurzen Hosen, ließ seine langen Beine ins Wasser baumeln, während er friedlich an seiner Pfeife zog.