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»Mr. Yaadley«, sagte sie mit sanfter, weinerlicher Stimme, »da haut uns gleich einer de Türe ein, weiler umbedink rein will.«

»Häh?« Der Professor erwachte jäh aus seinen Gedanken. »Wer ist es denn?«

»Na, der Herr vonner Polizei. Is‘ total aus‘m Häuschen, sach ich Ihn‘!«

»In Ordnung, Nanny. Laß ihn herein.«

Einen Augenblick später platzte Vaughn herein und wedelte mit einem kleinen Blatt Papier herum. »Queen!« brüllte er hochrot vor Aufregung. »Großartige Neuigkeiten!«

Ellery begann sich zu regen, doch sein Blick verriet völlige Geistesabwesenheit. »Häh? Oh, Tag Inspector. Was gibt‘s?«

»Da! Lesen Sie selbst!« Der lnspector schleuderte das Blatt auf den Marmorboden und ließ sich nun -brennend vor Ungeduld -am Beckenrand nieder; er schnaufte vor Erwartung wie ein Eindringling in einem seraglio.

Ellery und der Professor tauschten Blicke, bevor sie sich der Lektüre widmeten. Es handelte sich um einen Funkspruch von der Insel Jamaika.

HEUTE HIER ANGELEGT HABE VON BRADS TOD GEHÖRT NEHME DIREKTEN KURS AUF NEW YORK

Unter der Mitteilung prangte die Unterschrift: Stephen Megara.

DRITTER TEIL 

Die Kreuzigung eines Gentlemans

»Als oberster Justizbeamter am Brüsseler Gericht habe ich heraus gefunden, daß die Denkweise eines verbrecherischen Gehirns von Motiven bestimmt wird, die dem gesetzestreuen Bürger häufig unbegreiflich sind.«

FELIX BROUWAGE

13. Neptuns Geheimnis

Stephen Megaras Jacht Helene segelte in Rekordgeschwindigkeit auf nördlichem Kurs von Jamaika zu den Bahamas bis in die Nähe von New Providence Island, wo sie einen ernsten Motorschaden erlitt. Captain Swift war gezwungen, Kurs auf den Hafen von Nassau zu nehmen, um sie dort reparieren zu lassen. Es dauerte mehrere Tage, bis sie wieder seetüchtig war.

Am ersten Juli -ganze acht Tage, nachdem Inspector Vaughn Megaras Funkspruch erhalten hatte -tauchte die Helene endlich in Sichtweite der Küste von Long Island auf. Die Polizei hatte in Zusammenarbeit mit den Zuständigen dafür gesorgt, daß Megara im New Yorker Hafen zügig abgefertigt wurde und nach nur kurzer Verzögerung den Long Island Sound ansteuern konnte. Ein Polizeischiff und eine Schar kleinerer, von Reportern gemieteter Boote, die nur mit Mühe davon abzuhalten waren, das blankgescheuerte Deck der Jacht zu entern, begleiteten die Helene.

Acht Tage ... Acht Tage beschaulicher Ruhe ohne jedes nennenswerte Ereignis. Mit Ausnahme der Beerdigung. Doch selbst die war eine stille Angelegenheit. Brad war ohne übertriebenen Pomp auf einem Friedhof auf Long Island bestattet worden; Mrs. Brad, so berichtete die Presse, hatte die Prozedur bewundernswert gefaßt überstanden. Selbst ihre Tochter, keine Blutsverwandte des Toten, hatte erheblich mitgenommener gewirkt als die Witwe.

Die Fahndung nach Velja Krosac hatte inzwischen die Dimensionen einer landesweiten Menschenjagd angenommen; seine Beschreibung war an sämtliche Polizeihauptquartiere, Sheriffbüros und Häfen der Vereinigten Staaten gegangen; selbst in Kanada und Mexiko hielt man die Augen offen. Trotz der feinmaschigen Netze hatte man bislang noch keinen Fisch gefangen. Krosac schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Auch von Kling fehlte jede Spur.

Fox, der Chauffeur, schmorte noch immer unter ständiger Bewachung in seiner Hütte; zwar war er nicht offiziell verhaftet worden; und doch war er ein Gefangener - ebensogut hätte er in Sing-Sing sitzen können. Die Polizei ermittelte fieberhaft; doch war es zum Zeitpunkt von Megaras Ankunft noch immer nicht gelungen, seine Fingerabdrücke mit Hilfe der für den Osten der Staaten gültigen »Verbrecheralben« zu identifizieren. Der Inspector sandte -unbeirrbar, wie er war -Kopien an die weiter westlich gelegenen Staaten. Fox indessen schwieg eisern. Zwar beschwerte er sich nicht über die nicht ganz rechtmäßige Freiheitsberaubung; doch sein brennender Blick verriet, was in ihm vorgehen mochte. Vorsichtshalber verdoppelte der Inspector die Wachen. Vaughns souveränes Können zeigte sich darin, daß er Fox, wenn man einmal von der Bewachung absah, vollkommen ignorierte. Fox wurde weder verhört noch schikaniert; er wurde einfach sich selbst überlassen, verlor aber trotz der Isolationsfolter nicht die Nerven. Tagelang saß er schweigend in seinem Blockhaus; rührte das Essen kaum an, das man ihm aus Mrs. Baxters Küche reichte; bewegte sich kaum, ja atmete kaum.

Alle standen bereit, als am Freitag, dem ersten Juli, die Helene auf dem Long Island Sound durch die westliche Meerenge von Ketcham‘s Cove segelte und schließlich in den tiefen Wassern zwischen Oyster Island und dem Festland vor Anker ging. Auf Bradwoods Anlege-Ponton wimmelte es nur so von Polizeibeamten, die das gemächliche Manövrieren der Jacht verfolgten. Die Helene war strahlend weiß, elegant und schnittig. In der klaren Morgenluft waren glitzernde Messingteile und die fernen Gestalten, die an Deck entlang liefen, deutlich zu erkennen. Kleinere Boote schaukelten um ihren schlanken Körper.

Inspector Vaughn, Staatsanwalt Isham, Ellery Queen und Professor Yardley standen auf dem Kai und warteten schweigend. Nun wurde ein Beiboot seitlich heruntergelassen und klatschte aufs Wasser; mehrere Leute kletterten die eiserne Schiffsleiter herunter und stiegen hinein. Sofort setzte sich ein Polizeiboot in Bewegung, und das kleine Boot folgte ihm, während sie auf die Anlegestelle zu hielten. Die Menge rührte sich ...

Stephen Megara war ein tiefgebräunter Mann von stattlichem Wuchs. Er trug einen schwarzen Schnurrbart, und seine Nase hatte eine Schlägerei offenbar nicht ungebrochen überstanden. Megara wirkte vital und finster zugleich. Mit einer schnellen, sicheren, geschmeidigen Bewegung sprang er an Land; jeder seiner Schritte war wohlgesetzt. Dieser Mann, dachte Ellery, während er ihn mit großem Interesse beobachtete, war ein Mann der Tat; Welten trennten ihn von dem schmerbäuchigen, vorzeitig gealterten Mann, wie es Thomas Brad gewesen sein mußte.

»Ich bin Stephen Megara«, sagte er mit leichtem Eton-Akzent. »Was für ein Empfangskomitee! Helene!« Er ging zuerst auf die junge Frau zu. Er nahm ihre Hände und schaute ihr zärtlich in die Augen. Die Riege der anderen Hauptdarsteller -Mrs. Brad, Jonah, Dr. Temple -ignorierte er. Helene errötete und zog ihre Hände zurück. Megara lächelte kurz, wobei sich sein Schnurrbart leicht in die Höhe zog, und flüsterte Mrs. Brad etwas ins Ohr, nickte kurz Dr. Temple zu und kehrte dann zu den Beamten zurück. »Tom ist ermordet worden? Ich stehe

jedem zur Verfügung, der sich mir vorstellt.«

»Ach nee!« murmelte Isham. »Mein Name ist Isham, Staatsanwalt des Bezirks. Das ist Inspector Vaughn von der Polizei Nassau. Mr. Ellery Queen, Sonderbeauftragter. Professor Yardley, Ihr neuer Nachbar.«

Megara gab allen flüchtig die Hand. Dann wandte er sich um und winkte einen alten, unfreundlich dreinblickenden Gesellen in blauer Uniform herbei, der mit ihm in das Beiboot gestiegen war. »Captain Swift, mein Skipper.« Swifts Kiefer mahlten geräuschvoll, und seine Augen funkelten wie die Linsen eines Fernglases kristallklar in einem Gesicht, das so zerfurcht war wie das des Ewigen Juden.

»Tach«, bellte Captain Swift in die Runde und salutierte mit der linken Hand, der, wie Ellery auffiel, drei Finger fehlten. In schweigendem Einverständnis setzte sich die Gruppe schließlich in Richtung Haus in Bewegung. Captain Swift hatte den typisch rollenden Gang eines gestandenen Seemanns.

»Beschämend für mich, daß ich es erst so spät erfahren habe«, sagte Megara zu Isham im Gehen. Die Brads, Lincoln, Dr. Temple -alle folgten ihnen mit ausdruckslosen Gesichtern. »Aber ich bin monatelang auf hoher See gewesen, da ist man von der Außenwelt so gut wie abgeschnitten. War ein harter Schlag für mich, das mit Tom.« Ellery drängte sich der Eindruck auf, daß der Schlag so hart kaum gewesen sein konnte, denn Megara sprach in so sachlichem Ton über den Mord an seinem Kompagnon, als bestellte er neue Teppichlieferungen.