Выбрать главу

So machten sie sich auf den Weg - in die Richtung, aus der sie gerade gekommen waren. In der Nähe des Tennisplatzes trafen sie auf Dr. Temple, der, offensichtlich in wichtiger Mission, mit seiner Arzttasche und einem flüchtigen Lächeln an ihnen vorbeieilte. Er war offensichtlich von seinem eigenen Grundstück im Osten nach Bradwood herübergekommen und den beiden Besuchern von Oyster Island nicht begegnet.

In Jonahs Gesicht war ein schweres Gewitter aufgezogen.

Bald ragte die mächtige, braungebrannte Gestalt Paul Romaines bedrohlich vor ihnen auf. Der knochige, vergleichsweise winzige Stryker hockte schlotternd in einem kleinen Motorboot, das am Landesteg festgemacht war. Beide Männer waren bekleidet; der unsterbliche Ra-Haracht hatte auf sein weißes Gewand und sein Zepter verzichtet, ganz so als ahne er vage, daß dieser Aufzug ihn eher sterblich denn göttlich erscheinen ließ. Das Polizeiboot schaukelte nicht weit vom Ufer auf dem Wasser, und mehrere Polizisten leisteten Romaine Gesellschaft.

Der brünette Hüne stand breitbeinig auf den Holzplanken; das lebhafte Inselgrün am Horizont und der weiße, schlanke Bootskörper der in den Fluten treibenden Helene bot in gewisser Weise den passenden Hintergrund. Was immer sonst von ihm zu halten war -er war sicher kein Mann, der offene Worte scheute. Dennoch war es nicht schwer, seinem unsicheren Grinsen zu entnehmen, daß er sich zur Abwechslung vorgenommen hatte, freundlich zu sein.

Ohne Umschweife begann er: »Wir wollen Sie nicht lange aufhalten, Inspector. Aber eine Sache möchten wir gerne klären.« Er klang friedfertiger als sonst, und sein Blick war fest auf Vaughn gerichtet. Es gelang ihm, Jonah Lincoln völlig zu ignorieren -der seinerseits ruhig atmete und Romaine beinahe neugierig betrachtete.

»Kommen Sie zur Sache«, brummte der Inspector. »Worum geht’s?«

Romaine sah sich kurz nach der eingefallenen Gestalt hinter ihm um. »Sie haben es bald geschafft, das Geschäft Seiner Herrlichkeit vollends zu ruinieren. Noch immer halten Sie unsere Gäste auf der Insel fest.«

»Kommt Ihnen doch entgegen, oder?«

»Schon«, fuhr Romaine geduldig fort, »aber nicht so, wie wir es gerne hätten. Sie sind total verängstigt, wie ein Haufen Kleinkinder. Die wollen einfach weg, und Sie lassen sie nicht. Trotzdem geht es uns nicht um diese Leute, sondern um die potentiellen Kunden, die Sie uns verscheuchen.«

»So, so.«

»Wir bitten um Erlaubnis, die Insel zu verlassen.«

Plötzlich erhob sich Stryker in seinem Motorboot. »Das ist Verfolgung!« krächzte er. »Der Prophet gilt nirgends weniger als im eigenen Vaterland! Haracht verlangt das Recht, das Evangelium der Sonne zu predigen ...«

»Ruhe!« zischte Romaine. Der verrückte Alte starrte ihn an und setzte sich wieder.

»Schwachsinn«, sagte der Professor leise; er war ganz blaß geworden. »Gesammelter Schwachsinn! Der Mann hat völlig den Verstand verloren. Zitiert Matthäus, bringt ägyptische und christliche Theologie durcheinander ...«

»Die kann ich Ihnen nicht geben«, erwiderte der Inspector ungerührt.

Romaines rassiges Gesicht wurde zur furchterregenden Fratze. Er machte einen Schritt nach vorn und ballte die Fäuste, woraufhin die Polizisten zu beiden Seiten voller Erwartung naher an ihn heranrückten. Doch kurioserweise obsiegte Romaines Bemühen um Friedfertigkeit, und die Zorneswogen glätteten sich wieder.

»Warum nicht?« fragte er und mußte gewaltig schlucken. »Sie haben nichts gegen uns in der Hand, Inspector. Wir haben uns doch mustergültig benommen, oder sehen Sie das anders?«

»Ich wiederhole mich ungern: Ich lasse Sie und den alten Ziegenbock da vorerst nicht ziehen. Klar waren Sie schön brav, aber ich brauche Sie ja nicht erst darauf hinzuweisen, daß Sie sich ohnehin am Rande der Legalität bewegen, Romaine. Wo waren Sie an dem Abend, an dem Thomas Brad ermordet wurde?«

»Wie ich schon sagte: auf der Insel.«

»Ach ja?« erwiderte der Inspector ausgesucht freundlich.

Anstatt erneut aufzubrausen, wurde Romaine -zu Ellerys Erstaunen -auf einmal sehr nachdenklich. Die Nasenflügel des Inspectors bebten; durch schieren Zufall, so schien es, war er auf etwas gestoßen. Isham öffnete den Mund, doch Vaughn stupste ihn an, und so schloß er ihn wieder.

»Nun?« brummte Vaughn. »Ich kann hier nicht bis in alle Ewigkeit rumstehen. Spucken Sie‘s schon aus!«

»Angenommen«, begann Romaine vorsichtig, »ich könnte zweifelsfrei beweisen, wo ich in dieser Nacht war, aufgrund der Aussage eines absolut glaubwürdigen Zeugen -wäre ich damit aus dem Schneider?«

»In einem solchen Fall«, sagte Isham, »würden wir darüber sicher noch einmal nachdenken, Romaine.«

Hinter ihnen regte sich etwas; doch nur Ellery nahm es wahr. Jonah Lincoln konnte sich offenbar nicht mehr zurückhalten; er knurrte leise und versuchte, in den Kern der Gruppe vorzustoßen. Doch ehe er dazu ansetzen konnte, spürte er Ellerys Griff um seinen Bizeps. Der Muskel spannte sich und schwoll, doch Jonah nahm rechtzeitig Vernunft an.

»Also gut«, sagte Romaine. Er war recht blaß um die Nase. »Ich hatte zwar eigentlich nicht vor, darüber zu reden, weil ­nun ja, weil es von manchen Leuten mißverstanden werden könnte. Aber wir müssen endlich hier weg ... Ich war -«

»Romaine!« fauchte Jonah. »Noch ein Wort, und ich bring‘ dich um!«

Vaughn drehte sich verärgert herum. »Na, na! Jetzt machen Sie mal halblang, Lincoln! Halten Sie sich gefälligst da raus!«

»Du hast verstanden, Romaine!«

Romaine schüttelte seinen wuchtigen Kopf und lachte nur, ein hartes, bellendes Lachen, bei dem sich Ellerys Nackenhaare sträubten. »Pah!« bellte er. »Du brauchst wohl mal wieder ‘ne kalte Dusche! Hör zu: Mir verbietet hier keiner das Wort, schon gar nicht so‘n Milchgesicht wie du! -So, und jetzt zu meinem Alibi, Inspector. Zwischen halb elf und halb zwölf in der Mordnacht -«

Ohne ein weiteres Wort machte Jonah einen Satz nach vorn und drosch mit den Armen um sich. Mit einem Ächzen gelang es Ellery gerade noch, mit einem Arm seinen Hals zu umschließen und ihn zurückzureißen, bis einer der Polizisten sich in das Handgemenge einmischte und Jonah in den Würgegriff nahm. Nach kurzem Kampf gab Jonah schließlich auf, er keuchte heftig und fixierte Romaine mit ohnmächtiger Mordlust.

Romaine sagte knapp: »Ich war mit Mrs. Brad auf der Insel.«

Jonah schüttelte Ellerys Arm ab. »Also gut«, sagte er kalt. »Er hat es gewagt. Dann lassen Sie ihn seine dreckige Geschichte eben erzählen.«

»Wie meinen Sie das -mit Mrs. Brad auf der Insel?« hakte der Inspector nach. »Mit ihr allein?«

»Mein Gott, seid ihr Hornochsen schwer von Begriff!« höhnte Romaine. »Genau das habe ich doch gerade gesagt! Wir haben etwa eine Stunde nah beim Ufer verbracht, unter dem Schutz der Bäume.«

»Wie ist Mrs. Brad an dem Abend zur Insel gelangt?«

»Wir waren verabredet. Ich habe am Anlegesteg von

Bradwood in meinem Boot auf sie gewartet. Kurz nachdem ich festgemacht hatte, ist sie auch schon aufgetaucht. Das war kurz vor halb elf.«

Inspector Vaughn entnahm einer seiner Taschen eine traurig zugerichtete Zigarette und stopfte sie sich in den Mund. »Fahren Sie jetzt zurück zur Insel«, sagte er, »wir werden Ihre Aussage überprüfen. Und vergessen Sie Ihren Opa nicht ... Und Sie, Mr. Lincoln«, brummte er, indem er Romaine den Rücken zuwandte, »dürfen dieser stinkenden Hyäne hier jetzt gern ein paar aufs Maul geben, wenn Sie möchten. Ich -äh -gehe zum Haus zurück.«

Romaine stand mit zusammengezogenen Augenbrauen auf dem Kai. Die Polizisten rückten von ihm ab. Jonah zog hastig sein Jackett aus, rollte die Hemdsärmel hoch und trat auf Romaine zu.

»Erstens«, keuchte Jonah, »weil du meine Schwester belästigt hast. Und zweitens, weil du einer sehr törichten Frau den Kopf verdreht hast ... Los, wehr dich, Romaine!«