Выбрать главу

Der verrückte Alte klammerte sich an das Dollbord des Bootes und kreischte: »Paul, komm da weg!«

Romaine sah langsam in die feindseligen Gesichter um ihn herum. »Zieh mal erst deine Windeln aus!« Er zuckte mit seinen mächtigen Schultern und wollte sich schon zum Gehen abwenden.

Da krachte Jonahs Faust gegen seine Kieferknochen. Es war ein kraftvoller, gut gezielter Schlag; alle Wut, die sich in Jonah über Wochen angestaut hatte, entlud sich darin. Ein Mann von gewöhnlicher Statur wäre ohnmächtig zu Boden gegangen; Romaine jedoch war stark wie ein Bulle. Er schwankte nur leicht. Seine Augen wurden zu Schlitzen, und ein tiefes Fauchen, das ihm alle Menschenähnlichkeit nahm, drang aus seiner Kehle. Seine keulenartige Faust schnellte vor und verpaßte Jonah einen Aufwärtshaken, mit dem er ihn für

Sekundenbruchteile vom Boden hochhob und ihn dann auf die hölzernen Planken krachen ließ, wo er bewußtlos liegenblieb.

Inspector Vaughn hatte seine gute Laune eingebüßt und mochte überdies nicht länger zusehen. »Zurück!« brüllte er und schoß pfeilschnell vor. Doch Romaine sprang mit erstaunlicher Behendigkeit in das Motorboot, in dem Stryker kauerte, brachte es mit seiner Wucht beinahe zum Kentern und stieß es mit einer einzigen Bewegung seiner Pranke vom Ufer ab.

Der Motor knatterte los, und das Boot zischte in Richtung Oyster Island davon.

»Macht die Barkasse klar!« befahl der Inspector ruhig. »Ihr bringt den armen Kerl zum Haus zurück. Ich bin in ein paar Minuten wieder da. Dieser Vogel braucht ‘ne Lektion!«

Während die Barkasse losschäumte und die Verfolgungsjagd aufnahm, kniete Ellery neben dem geschlagenen Gladiator nieder und bearbeitete vorsichtig seine fahlen Wangen. Yardley legte sich bäuchlings auf die Planken und bespritzte sein Gesicht mit Wasser.

Die Polizisten feuerten über das Wasser hinweg den Inspector an, der wie Captain Ahab im Bug der Barkasse stand und sein Jackett abstreifte.

Ellery träufelte Wasser auf Jonahs Gesicht. »Und wieder einmal«, bemerkte er Yardley gegenüber trocken, »hat die Gerechtigkeit gesiegt. -Sie können ruhig aufwachen, Lincoln, der Krieg ist vorbei!«

Sie hatten es sich gerade auf der Veranda der Kolonialvilla bequem gemacht, als Inspector Vaughn nach einer Viertelstunde um die Ecke bog. Jonah Lincoln saß in einem Schaukelstuhl und umklammerte seinen Unterkiefer mit beiden Händen, als sei er überrascht, ihn noch am alten Platz vorzufinden. Ellery, Isham und Yardley beachteten ihn nicht; sie hatten ihm den Rücken zugekehrt und pafften friedlich vor sich hin.

Vaughns Gesicht, obwohl nicht gerade von engelsgleicher Anmut -seine Nase war blutverschmiert, und eine Platzwunde klaffte unter dem rechten Auge -, verriet dennoch, daß er mit dem Ergebnis des Zweikampfes äußerst zufrieden war.

»Hallo!« rief er vergnügt und nahm die Stufen der Veranda zwischen den großen Säulen. »Nun, Mr. Lincoln, ich hab‘ das mal eben für Sie erledigt. War ein harter Kampf, aber eines kann ich Ihnen versichern: Unser Herzensbrecher wird sich in den nächsten Wochen vor keinen Spiegel mehr trauen!«

Jonah stöhnte. »Ich - Himmel, ich habe einfach die Kraft nicht. Ich bin bestimmt keine Memme. Aber dieser Romaine ist - ist ein Goliath.«

»Tja, und ich war sein kleiner David.« Vaughn lutschte an einem verstauchten Fingerknöchel. »Ich hatte schon befürchtet, den Alten trifft der Schlag, schließlich habe ich seinen Lieblingsjünger versohlt! Ketzerei nennt man das, nicht wahr, Professor? Am besten lassen Sie mal Ihre Wunden säubern, Lincoln.« Er begann zu schmunzeln. »Aber zurück zur Arbeit. Sind Sie Mrs. Brad begegnet?«

Jonah stand plötzlich auf und lief ins Haus.

»Sie wird wohl noch oben sein«, erwiderte Isham.

»Dann würde ich mal vorschlagen«, sagte Vaughn, »wir

unterhalten uns mit ihr, bevor Lincoln es tut. Er wirft sich als echter Gentleman vor sie, aber dies ist eine offizielle Untersuchung, und zur Abwechslung sollte uns mal einer die Wahrheit erzählen.«

Helene, so schien es, war noch immer bei Hester Lincoln. Stallings vermutete auch Dr. Temple im oberen Stockwerk; der Doktor war zumindest nicht mehr die Treppe heruntergekommen, seit er mit der Arzttasche in Hesters Zimmer verschwunden war.

Sie waren gerade rechtzeitig oben, um mitzubekommen, wie Jonah in seinem eigenen Schlafzimmer verschwand. Stallings führte sie schließlich zu einem Zimmer ganz am Ende des Flurs. Der Inspector klopfte an.

Mrs. Brad fragte leise: »Wer ist da, bitte?«

»Inspector Vaughn. Dürfen wir hereinkommen?«

»Wer? - Oh, einen Augenblick bitte!« In ihrer Stimme schwang Panik mit. Nach einer Weile öffnete sich die Tür einen Spaltbreit. Mrs. Brads recht reizvolles Gesicht erschien im Türrahmen; ihre Augen waren feucht und angstgeweitet. »Worum geht es, Inspector? Mir - mir geht es nicht gut.«

Vaughn drückte die Tür sanft auf. »Ich weiß. Aber es ist wichtig.«

Sie trat zurück und ließ die Männer herein. Ihr Schlafzimmer strahlte überbordende Weiblichkeit aus: Es roch nach schwerem Parfüm, überall waren Spiegel, die Fenster zierten Rüschengarden, und der Schminktisch war mit Kosmetika übersät. Mrs. Brad wich immer weiter zurück und zog ihr Neglige fester um die Schultern.

»Mrs. Brad«, begann Isham, »wo waren Sie zwischen halb elf und halb zwölf in der Mordnacht?«

Sie ließ ihr Neglige los, hielt inne, schien kaum noch zu atmen. »Wie meinen Sie das?« preßte sie schließlich hervor. »Ich war mit meiner Tochter im Theater, und mit -«

»Paul Romaine«, fiel Vaughn ihr sanft ins Wort, »behauptet, Sie wären mit ihm auf Oyster Island gewesen.«

»Paul ...« Ihre dunklen Augen blickten die Männer gequält an. »Er - er behauptet das?«

»Ja, Mrs. Brad«, erwiderte Isham ernst. »Wir können uns denken, wie unangenehm die Sache für Sie sein muß, und es geht uns auch nichts an, wenn es nur das ist. Sagen Sie uns einfach die Wahrheit, und wir werden nicht mehr darauf zurückkommen.«

»Er lügt!« schrie sie und setzte sich in einen der Chintzstühle.

»Nein, Mrs. Brad. Er sagt die Wahrheit. Seine Aussage stimmt mit der Tatsache überein, daß Sie und Miss Brad zwar zusammen zum Park-Theater gefahren sind, aber nur ihre Tochter und Mr. Lincoln mit dem Taxi von dort zurückgekehrt sind. Sie stimmt ebenso mit der Tatsache überein, daß der Portier des Theaters beobachtet hat, daß eine Frau Ihrer Beschreibung in der Mitte des ersten Aktes -also etwa um neun Uhr -das Haus verlassen hat ... Romaine sagt, er sei mit Ihnen verabredet gewesen, und Sie seien auch pünktlich an der Anlegestelle erschienen.«

Die Frau hielt sich die Ohren zu. »Bitte«, stöhnte sie. »Ich war von Sinnen. Ich weiß auch nicht, wie es soweit kommen konnte. Ich habe mich benommen wie eine dumme Gans ...« Die Männer tauschten Blicke. »Hester haßt mich. Sie wollte ihn auch. Sie dachte, er -er meint es ehrlich -« Auf ihrem Gesicht erschienen Runzeln, als hätte man sie frisch eingeritzt. »Dabei ist er der falscheste Hund, den man sich überhaupt nur vorstellen kann!«

»Er wird sich bei den Damen eine ganze Weile zurückhalten müssen, Mrs. Brad«, bemerkte Vaughn mit einem Unterton der Genugtuung. »Niemand verurteilt Sie. Schließlich ist es Ihr Leben. Und wenn Sie dumm genug waren, sich mit diesem Aufschneider einzulassen, dann sind Sie damit genug gestraft. Alles, was uns interessiert, ist folgendes: Wie sind Sie nach Hause gelangt, und was ist in der betreffenden Nacht geschehen?«

Sie rang ihre Hände und wurde von heiserem Schluchzen geschüttelt. »Ich -ich habe mich zu Beginn der Vorstellung aus dem Theater geschlichen; Helene habe ich nur gesagt, mir ginge es nicht gut, bestand aber darauf, daß sie blieb und auf Jonah wartete ... Dann bin ich zur Pennsylvania Station gelaufen und

habe den ersten Zug zurück genommen. Ich hatte Glück und brauchte nicht lange zu warten. Ich -ich bin dann eine Station zu früh ausgestiegen und mit dem Taxi in die Nahe von Bradwood gefahren. Den Rest bin ich zu Fuß gelaufen. Niemand schien noch auf zu sein, so ...«