Выбрать главу

»Sie wollten verhindern«, sagte Isham einfühlsam, »daß Mr. Brad ihre Rückkehr bemerkt. Wir verstehen.«

»Ja«, flüsterte sie. Ihr Gesicht war von einem ungesunden Grau-Rot durchtränkt. »Ich habe - ihn dann am Kai getroffen.«

»Wann war das?«

»Kurz vor halb elf.«

»Sind Sie sicher, daß Sie nichts gehört oder gesehen haben? Auch, daß Sie niemandem begegnet sind?«

»Ja.« Erschrocken sah sie auf. »Oh, glauben Sie denn nicht, daß ich Ihnen -das alles -erzählt hätte, wenn ich jemanden gesehen oder etwas beobachtet hätte? Als ich zurückkam, bin ich ins Haus geschlichen und sofort in meinem Zimmer verschwunden.«

Isham wollte gerade noch eine Frage nachschieben, als leise die Tür aufging und Helene Brad erschien. Sie blieb stehen und ließ ihren Blick vom zerknirschten Gesicht ihrer Mutter zu den Männern wandern.

»Was ist hier los, Mama?« fragte sie energisch.

Mrs. Brad vergrub ihr Gesicht in den Händen und begann zu weinen.

»Also ist es heraus«, flüsterte Helene und schloß die Tür hinter sich. »Du hast es nicht für dich behalten können.« Voller Verachtung blickte sie von Vaughn zu Isham und ging zu der schluchzenden Frau hinüber. »Hör auf zu weinen, Mama. Wenn es raus ist, ist es raus; und nur der Himmel weiß, wie viele andere Frauen es schon gegeben hat, die versucht haben, romantische Gefühle wiederzubeleben und damit genauso kläglich gescheitert sind ...«

»Lassen Sie uns weitermachen«, sagte Vaughn. »Uns ist die Angelegenheit genauso unangenehm wie Ihnen, meine Damen. Woher haben Sie, Miss Brad, und Lincoln eigentlich gewußt, wo Ihre Mutter sich nachts aufgehalten hat?«

Helene setzte sich neben ihre Mutter und begann, ihren breiten Rücken zu tätscheln. »Tut mir leid, Mama ... Als meine Mutter an dem Abend aus dem Theater verschwand, da -nun ja, da wußte ich es bereits, was sie aber wiederum nicht wußte. Ich hätte ja auch etwas sagen können ...« Sie blickte zu Boden. »Ich beschloß, auf Jonah zu warten; uns beiden waren gewisse - äh ­Dinge aufgefallen. Als er dann kam, habe ich ihm meine Beobachtung mitgeteilt, und wir sind nach Hause gefahren. Ich habe sofort hier nachgesehen, doch Mutter lag in ihrem Bett und schlief fest ... Am nächsten Morgen jedoch, als Sie die -die Leiche fanden ...«

»Hat Sie Ihnen alles gebeichtet?«

»Ja.«

»Wenn ich noch zwei Fragen stellen dürfte«, begann Ellery sachlich. Die großen Augen des Mädchens, die sie eindeutig von der Mutter hatte, richteten sich erstaunt auf ihn. »Wann haben Sie zum ersten Mal bezüglich ihrer Mutter Verdacht geschöpft, Miss Brad?«

»Oh!« Sie schüttelte den Kopf, als hätte sie heftige Schmerzen. »Das liegt viele Wochen zurück.«

»Glauben Sie, Ihr Stiefvater hat davon gewußt?«

Plötzlich hob Mrs. Brad den Kopf, das rotfleckige Gesicht von Tränen übersät. »Nein!« schrie sie. »Nein!«

Helene flüsterte: »Ich bin sicher, daß er nichts geahnt hat.«

»Ich denke, das reicht«, verkündete Isham und ging zur Tür. »Kommen Sie.« Er trat auf den Flur.

Benommen folgten ihm Inspector Vaughn, Professor Yardley und Ellery.

21. Der Streit der Liebenden

»Ein Meer von Nichtigkeiten«, klagte Ellery am Abend, als er mit Yardley auf dem Rasen vor dessen Haus saß, von wo sie zum sternklaren Nachthimmel über Long Island aufblickten.

»Hmm«, brummte der Professor, und seine Pfeife spie glühenden Tabak aufs Gras. »Um ehrlich zu sein, Queen«, stichelte er, »hatte ich gehofft, daß Sie jetzt endlich eines Ihrer berühmten Feuerwerke abfackeln.«

»Immer mit der Geduld. Aber wenn Sie unbedingt ein Feuerwerk sehen wollen, haben Sie heute gar nicht so schlechte Karten, denn heute ist der Tag der Unabhängigkeit Da! Eine Leuchtkugel!«

Schweigend beobachteten sie einen langen, gleißenden Lichtpfeil, der senkrecht in den schwarzen Himmel schoß, zerbarst und in leuchtenden Farben niederregnete. Als wäre damit ein Startsignal gefallen, explodierte plötzlich ganz Long Island; und eine Zeitlang saßen sie nur da und bewunderten die Farbenpracht über der Nordküste. Jenseits des Sundes konnte man im Himmel über dem fernen New York einzelne Lichtblitze wie winzige Leuchtkäfer erkennen.

Der Professor grantelte: »Ich habe so viel überschwengliches Lob über Ihr pyrotechnisches Geschick bei Kriminalfällen gehört, daß die Realität sich vergleichsweise - entschuldigen Sie bitte das Sakrileg -ernüchternd ausnimmt. Wann legen Sie endlich los, Queen? Ich meine -wann macht Sherlock Holmes endlich Simsalabim und läßt die Handschellen klicken?«

Ellery starrte finster auf die verrückten Lichterspiele über dem großen Teich. Manchmal denke ich, ein solches Loslegen wird es nicht geben - und damit auch keine Lösung.«

»Sieht jedenfalls nicht so aus.« Yardley nahm die Pfeife aus dem Mund. »War meines Erachtens auch falsch, die Polizisten

abzuziehen. Temple hat mir heute morgen davon berichtet; er sagte, der Colonel der County Polizei habe den Befehl dazu erteilt. Ich sehe noch immer nicht ein, warum.«

Ellery zuckte die Achseln. »Warum nicht? Krosac ist lediglich hinter zwei Personen her - Stephen Megara und Andrew Van, oder den Tvars, oder wie auch immer Sie sie nennen mögen; Megara ist durch die isolierte Lage auf dem Wasser und Vaughns Leute ausreichend geschützt; und Van verschanzt sich als Old Pete in den Bergen. Im Zusammenhang mit Brads Ermordung habe ich Beobachtungen gemacht, die recht aufschlußreich sein könnten, wenn man sie einander richtig zuordnete. Aber bislang fehlt mir der rote Faden.«

»Was für Beobachtungen? Ich wüßte nicht -«

»Wirklich nicht?« Ellery hielt inne, als sich ein Goldregen in den Himmel ergoß. »Sie haben also übersehen, welch ungemein interessante Geschichte allein die Damesteine erzählen?«

»Die Damesteine?« Yardleys kurzer Bart zeichnete sich umrißhaft vor dem glühenden Pfeifenkopf ab. »Ich muß zugeben, daß keines der Details, die Brads letztes Abendmahl betreffen -wenn ich so sagen darf -, mein spezifisches Interesse geweckt hätte.«

»Dann habe ich vielleicht die Chance, einen Teil meiner verlorenen Selbstachtung wiederzugewinnen«, murmelte Ellery. »Die Geschichte ist klar. Doch verflixterweise ist sie, obwohl sie schlüssiger ist als die spontanen Vermutungen von Vaughn und Isham ...« Er stand auf und rammte seine Hände in die Hosentaschen. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen? Ich muß an die Luft, meinen Kopf klar kriegen.«

»Aber natürlich.« Der Professor lehnte sich zurück, zog an seiner Pfeife und stan7te Ellery mit neugieriger Verwunderung nach.

Ellery wandelte einsam im Licht der Sterne und der künstlichen Lichtblitze, die nur noch vereinzelt den Himmel erhellten. Sonst war es stockfinster, so finster wie es nur fernab der Städte wurde. Er überquerte die Straße, die Yardleys Grundstück von Bradwood trennte, tappte im Dunkeln herum, inhalierte die frische Abendluft, lauschte den Geräuschen, die von den festlich erleuchteten Booten auf dem Wasser herüberschallten und verzweifelte immer mehr an sich selbst.

Bradwood -Ellery sah zwei rauchende Polizisten, als er die Einfahrt hochstolperte -wirkte trostlos und verlassen; lediglich die Nachtleuchte auf der Veranda verriet, daß die Villa bewohnt war. Direkt zu seiner Rechten und in einigem Abstand zu seiner Linken ragten Bäume wie schwarze Riesen auf. Als er sich am Haus entlangschleichen wollte, brüllte eine der Wachen: »Halt! Wer da?«

Ellery hielt sich die Hände vors Gesicht, um den blendenden Strahl der Taschenlampe abzuwehren.

»Oh«, sagte der Polizist. »Verzeihung, Mr. Queen.« Das Licht ging aus.

»Junge, wie wachsam!« murmelte Ellery und setzte seinen Weg um das Gebäude herum fort.