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Andrew Van hockte irgendwo in den Bergen West Virginias, und Stephen Megara blieb auf seiner Jacht. Seine Crew hatte er ausgezahlt und mit Vaughns Erlaubnis bis auf Captain Swift entlassen. Die beiden rauchenden, trinkenden, kartenspielenden Männer, die abkommandiert waren, Megara auf der Helene zu bewachen, hatte er mit der Begründung fortgeschickt, er könne bestens auf sich selbst aufpassen. Die Wasserpolizei patrouillierte jedoch noch immer den Sund.

Auch ein Telegramm von Scotland Yard vermochte die quälende Eintönigkeit nicht zu durchbrechen:

WEITERE NACHFORSCHUNGEN ZU PERCY UND ELIZABETH LYNN ERGEBNISLOS EMPFEHLEN DIE KOLLEGEN AUF DEM KONTINENT EINZUSCHALTEN

Also führte sich Inspector Vaughn weiterhin auf, als hätte er die Tollwut; und Staatsanwalt Isham zog sich einfach aus der Affäre, indem er sein Büro nicht mehr verließ. Ellery verschaffte sich in Yardleys Pool die nötige Abkühlung, wilderte in dessen Bibliothek und dankte den Göttern für die Gelegenheit, sich körperlich und geistig erholen zu können. Dennoch behielt er die Villa auf der anderen Straßenseite ständig im Auge.

Am Donnerstag morgen schlenderte Ellery zur Villa hinüber und sah Inspector Vaughn auf der Veranda sitzen. Er tupfte sich mit einem Taschentuch den Nacken, fächerte sich Luft zu und verfluchte die Hitze, die Polizei, Bradwood, den ganzen Fall und sich selbst in einem einzigen Atemzug.

»Noch immer nichts, Inspector?«

»Überall Fehlanzeigen.«

Helene Brad trat aus dem Haus; in ihrem weißen Organdy-Kleid wirkte sie frisch wie der Frühlingswind. Sie murmelte »Guten Morgen« und entschwand in westlicher Richtung.

»Der Presse hab‘ ich grad‘ zum soundsovielten Mal den alten Kram aufgetischt. Laufende Ermittlungen. Fortschritte. Wir ersticken noch an lauter Fortschritten, Mr. Queen! Wo zum Henker steckt Krosac?«

»Eine rhetorische Frage.« Ellery legte seine Stirn in Falten und zog an seiner Zigarette. »Offen gestanden bin ich genauso ratlos wie Sie. Hat er aufgegeben? Nein. Ein Psychopath von diesem Kaliber gibt niemals auf. Wartet er vielleicht darauf, daß wir aufgeben und uns zurückziehen?«

»Fragen Sie mich doch so was nicht«, sagte Vaughn leise und dann lauter: »Ich kriege ihn, und wenn ich bis zum Jüngsten Tag hier hocken bleiben muß!«

Beide schwiegen. In dem Gärtchen, das von der Einfahrt gesäumt wurde, war Fox in Kordsamthosen mit einem ratternden Rasenmäher zugange.

Plötzlich schreckte der Inspector auf, und auch Ellery, der mit halbgeschlossenen Augen und einer Zigarette im Mund vor sich hin gedämmert hatte, war sofort wieder wach. Das Rattern hatte aufgehört. Fox horchte -regungslos wie ein Indianer -, ließ den Rasenmäher fallen, übersprang ein Blumenbeet und spurtete los.

Ellery und Vaughn standen irritiert auf. Der Inspector brüllte: »Fox! Was ist los?«

Doch Fox rannte gestikulierend weiter, zeigte auf die Bäume und brüllte etwas Unverständliches zurück.

Dann hörten sie es auch. Ein schwacher Schrei. Er kam vom

Grundstück der Lynns.

»Helene Brad«, schrie Vaughn. »Kommen Sie!«

Als sie auf die Lichtung vor dem Haus der Lynns kamen, kniete Fox am Boden und hielt den Kopf eines bewußtlosen Mannes. Helene, weiß wie ihr Kleid, stand daneben und griff sich an die Brust.

»Was ist passiert?« keuchte Vaughn. »Gott, das ist ja Temple!«

»Er - ich dachte, er ist tot«, wimmerte Helene.

Dr. Temple lag mit geschlossenen Augen im Gras. Sein Gesicht war aschfahl, und ein tiefer, blutiger Striemen zog sich über seine Stirn.

»Sieht nicht gut aus, Inspector«, sagte Fox ernst. »Er kommt einfach nicht zu sich.«

»Wir tragen ihn ins Haus«, beschloß Vaughn. »Fox, besorgen Sie einen Arzt. Und Sie, Mr. Queen, helfen mir bitte, ihn rüberzutragen.«

Fox sprang auf und eilte die Steinstufen des Hauses der Lynns hoch. Ellery und Vaughn hoben den Bewußtlosen vorsichtig an und folgten ihm. Sie betraten ein gemütliches kleines Wohnzimmer -oder was davon übrig war. Der Raum sah aus, als wären wilde Horden durchgezogen. Zwei Stühle waren umgekippt; die Schubladen des Sekretärs waren herausgezogen; die Wanduhr war umgestoßen und das Glas eingeschlagen worden ... Helene eilte aus dem Raum, während Ellery und Vaughn den Bewußtlosen auf das Sofa betteten, und kehrte mit einer Schüssel Wasser zurück.

Fox telefonierte wie wild. »Ich kriege Dr. Marsh, den nächsten Arzt, einfach nicht dran. Aber ich versuche -«

»Augenblick«, sagte Vaughn. »Ich glaube, er kommt zu sich.«

Helene benetzte Dr. Temples Stirn und träufelte Wasser auf seine Lippen. Er stöhnte auf, seine Augenlider zuckten; er stöhnte wieder, seine Arme zitterten, und er machte einen schwachen Versuch, sich aufzusetzen.

»Ich -«

»Nicht sprechen«, sagte Helene sanft. »Legen Sie sich wieder hin, und ruhen Sie ein wenig.« Dr. Temple sank ächzend zurück und schloß die Augen.

»Na, das ist ja ’ne schöne Bescherung«, brummte der Inspector. »Wo zum Teufel stecken die Lynns bloß?«

»Dem Zustand ihres Wohnzimmers nach zu urteilen«, erwiderte Ellery trocken, »dürften sie das Weite gesucht haben.«

Vaughn stürmte in den Nebenraum. Ellery beobachtete, wie Helene Dr. Temples Schläfen streichelte. Bald hörte man die schweren Schritte des Inspectors im ganzen Haus. Fox trat an die Vordertür und blieb dort zögernd stehen.

Vaughn kam zurück, hastete zum Telefon und rief in der Villa der Brads an. »Stallings? Inspector Vaughn. Holen Sie bitte einen meiner Männer an den Apparat ... Bill? Hören Sie zu. Die Lynns haben ’nen Abgang gemacht. Sie haben die Beschreibungen. Gesucht wegen Körperverletzung. An die Arbeit! Später mehr.«

Er drückte auf die Gabel. »Verbinden Sie mich bitte mit Staatsanwalt Ishams Büro in Mineola ... Isham? Vaughn. Alles anleiern. Die Lynns sind weg.«

Er hängte ein und ging zum Sofa hinüber. Dr. Temple schlug die Augen auf und grinste schwach.

»Gott, hat der mich bös‘ erwischt! Hab‘ ich Glück gehabt, daß er mir nicht den Schädel eingeschlagen hat!«

Helene stammelte: »Ich -ich bin rübergelaufen, um den Lynns einen Morgenbesuch abzustatten.« Ihre Stimme setzte aus. »Ich verstehe das alles nicht. Als ich hier ankam, habe ich Dr. Temple da so liegen sehen ...«

»Wie spät ist es?« fragte der Verletzte und richtete sich auf.

»Halb elf.«

Temple sackte wieder in sich zusammen. »Zweieinhalb Stunden lang war ich weg. Unglaublich! Ich erinnere mich, daß ich schon einmal kurz zu mir gekommen war und auf das Haus zu gekrochen bin -oder es zumindest versucht habe. Aber dann muß ich das Bewußtsein wieder verloren haben.«

Als Inspector Vaughn erneut zum Hörer griff, um seinem Oberleutnant die neuen Details durchzugeben, fragte Ellery: »Sie sind gekrochen? Dann sind Sie also gar nicht an der Stelle niedergeschlagen worden, an der wir Sie gefunden haben?«

»Woher soll ich denn wissen, wo Sie mich gefunden haben?« stöhnte Temple. »Aber wenn Sie so fragen -nein. Das ist eine lange Geschichte.« Er wartete, bis Vaughn eingehängt hatte. »Ich hatte Gründe anzunehmen, daß die Lynns nicht so harmlos waren, wie sie taten. Von dem Augenblick an, als ich sie zum ersten Mal sah, wußte ich, daß mit ihnen etwas nicht stimmte. Vor zwei Wochen habe ich mich im Dunkeln hergeschlichen und sie miteinander reden hören. Was ich aufschnappen konnte, bestärkte mich in meinem Verdacht. Lynn hatte gerade etwas vergraben ...«

»Etwas vergraben!« frohlockte Vaughn. Ellery zog die Augenbrauen zusammen und sah zum Inspector hinüber; beide dachten dasselbe. »Um Gottes willen, Temple! Warum haben Sie uns das nicht gleich gesagt? War Ihnen denn nicht klar, was das gewesen sein muß, was Lynn da vergraben hat?«

»Mir klar?« Temple starrte ihn ausdruckslos an, stöhnte auf, als der Schmerz erneut gegen seine Schläfen hämmerte. »Aber natürlich! Sie wissen es auch?«