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»Was meinen Sie, Mr. Queen?« fragte Isham nach langem Schweigen mit pathetischer Wißbegier.

Ellery wand sich verlegen und starrte zur Jacht zurück. »Ich meine, daß wir von der Lösung des Falles genauso weit entfernt sind wie vor drei Wochen. Ich zumindest bin, wie ich gestehen muß, vollkommen ratlos. Der Mörder ist Velja Krosac -das Phantom eines Mannes, der nähezu jeder von uns sein könnte. Noch immer stehen wir vor der Frage: Wer ist er wirklich?« Er nahm sein Pincenez ab und rieb sich die Augen. »Er hat unverwechselbare Spuren hinterlassen ... ja, geradezu zur Schau gestellt!« Seine Gesichtszüge verhärteten sich, und er verstummte.

»Was ist los mit Ihnen?« fragte Professor Yardley, dem der untröstliche Gesichtsausdruck seines Schützlings nicht entgangen war.

Ellery ballte eine seiner Fäuste. »Verflixt noch mal -warum komme ich bloß nicht drauf?«

26. Ellery spricht

Zügig marschierten sie durch Bradwood, um Begegnungen mit den vom Grauen gezeichneten Gestalten zu vermeiden, die sich marionettenhaft durch die Szenerie bewegten. Jonah Lincoln sagte kein einziges Wort; die jüngste Tragödie hatte ihm die Sprache verschlagen. So beschränkte er sich darauf, den anderen den Pfad hinauf zu folgen, obwohl man seiner Miene ansah, daß ihm jedwede Aktivitäten beliebig und sinnlos vorkamen. Megaras Tod schien ein unsichtbares Leichentuch über die Landschaft geworfen zu haben; makabererweise wirkte Bradwood noch trostloser als nach der Ermordung des Hausherrn. Ein kreidebleicher Fox kauerte mit dem Kopf auf den Knien auf den Stufen der Veranda. Helene saß in einem Schaukelstuhl und starrte in die Gewitterwolken, die sich am Himmel zusammenzogen, ohne auch nur eine von ihnen wahrzunehmen. Mrs. Brad war zusammengebrochen; Stallings murmelte, Dr. Temple solle doch einmal nach ihr schauen. Sie war oben in ihrem Zimmer und wurde von hysterischen Weinkrämpfen geschüttelt; doch nicht einmal Helene brachte die Kraft auf, sich um ihre Mutter zu kümmern. Aus dem hinteren Teil des Gebäudes drang Mrs. Baxters Jammern und Stöhnen.

In der Einfahrt zögerten sie kurz, setzten ihren Weg dann jedoch fort. Lincoln folgte ihnen benommen bis zum äußeren Tor und blieb dort -gegen eine Steinsäule gelehnt -zurück. Der Inspector und Isham schritten unbeirrt weiter und waren bald außer Sichtweite.

Die alte Nanny öffnete Ellery und Yardley zitternd die Vordertür. »Das is‘ Teufelswerk, is‘ das, Mister, Sie wer‘n noch an meine Worte denken!«

Der Professor stürzte, ohne etwas zu erwidern, zu seiner Bibliothek, und Ellery folgte ihm, als wäre sie der einzige Zufluchtsort auf Erden.

Sie setzten sich. Doch auch hier schien eine unsichtbare Macht ihre Zungen zu lähmen. Wenn man von den Spuren absah, die der Schock auf Yardleys zerklüftetem Gesicht hinterlassen hatte, war der Ausdruck herausfordernder Gereiztheit nicht zu übersehen. Ellery sank tiefer in seinen Sessel und durchsuchte fahrig seine Taschen nach einer Zigarette, bis Yardley ihm einen großen Kasten aus Elfenbein über den Tisch schob. »Entspannen Sie sich erst einmal«, sagte er sanft. »Sie werden schon noch drauf kommen!«

Ellery zog hektisch an seiner Zigarette. »Kennen Sie diese diffusen Gedanken, die Ihnen -ewig auf der Flucht -durch den Hinterkopf schwirren, und Sie kriegen sie doch nie zu fassen? Ein verschwommenes Bild nach dem anderen zieht an Ihnen vorbei, und es wird niemals klar? Dann wissen Sie, wie mir zumute ist. Wenn ich es bloß endlich klar vor Augen hätte ... Es ist wichtig. Ich habe das bestimmte Gefühl, daß es von überwältigender Wichtigkeit ist.«

Der Professor stopfte Tabak in seinen Pfeifenkopf. »Ein verbreitetes Phänomen. Ich habe an mir selbst beobachtet, daß es in einer solchen Situation vollkommen sinnlos ist, sich verzweifelt zu konzentrieren. Viel erfolgversprechender ist es, den vagen Gedanken vorläufig aus dem Gedächtnis zu verbannen und von ganz anderen Dingen zu sprechen. Ich bin immer noch jedesmal erstaunt darüber, wie zuverlässig diese Methode funktioniert. Es scheint fast, als könne der Gedanke es nicht ertragen, ignoriert zu werden, und als müsse er um jeden Preis wieder auf sich aufmerksam machen. Und dann erscheint aus dem Nichts, aus Nebensächlichkeiten heraus, das vollständige, klare Bild, dem Sie so lange vergeblich hinterhergejagt sind.«

Ellery äußerte einen Laut, der sich jeder Deutung entzog. Plötzlich erschütterte ein Donnerschlag das Gemäuer.

»Gerade eben noch - vor einer Viertelstunde«, fuhr der Professor mit einem melancholischen Lächeln fort, »sagten Sie, Sie seien von der Lösung genauso weit entfernt wie vor drei Wochen. Nun gut, sieht ganz so aus, als hätten Sie gründlich versagt. Dennoch haben Sie immer wieder auf ominöse Schlußfolgerungen angespielt, zu denen Sie gelangt seien, ohne daß Isham, Vaughn oder ich irgendeine Ahnung gehabt hätten, wovon Sie sprachen. Warum gehen wir sie nicht gemeinsam durch? Vielleicht hat Ihre Versteifung auf den einen Gedanken dazu geführt, daß Sie den Wald vor Bäumen nicht mehr sehen und den Überblick erst dann zurückgewinnen, wenn Sie versuchen, Ihre Gedankengänge in Worte zu fassen? Sie haben mein Wort drauf -ich habe diese Erfahrung in meinem Leben immer wieder gemacht -, es besteht ein fundamentaler Unterschied zwischen der Leblosigkeit einsamer Grübeleien und angeregten Diskussionen mit einem lebendigen, denkenden Gegenüber! Sie haben zum Beispiel von den Damesteinen gesprochen. Offenbar hat Brads Arbeitszimmer, der Dametisch, die Verteilung der Steine auf dem Brett Saiten in Ihnen zum Klingen gebracht, die bei uns anderen stumm blieben. Erklären Sie mir, woran Sie da gedacht haben!«

Unter dem Einfluß der sanften dunklen Stimme des Professors beruhigten sich Ellerys bis zum Zerreißen gespannte Nerven wieder. Er zog nun gelassener an seiner Zigarette, und die Runzeln, die sich in seine junge Stirn gefressen hatten, glätteten sich.

»Keine schlechte Idee, Professor.« Er nähm eine bequemere Sitzhaltung ein und schloß halb die Augen. »Lassen Sie es uns einmal so angehen. Was für eine Theorie haben Sie sich aus den Aussagen von Stallings und dem Dametisch, wie wir ihn vorfanden, zusammengebastelt?«

Der Professor paffte ein paar Rauchkringel zur Decke. In der Bibliothek war es deutlich dunkler geworden; die Sonne versteckte sich hinter einer grauschwarzen Wolkenbank. »Mir ist so mancher Gedanke durch den Kopf gegangen; keine meiner Theorien hätte sich jedoch durch konkrete Fakten stützen lassen. Ich sehe allerdings keinen zwingenden Grund, dem äußeren Erscheinungsbild zu mißtrauen.«

»Und das wäre?«

»Als Stallings Brad zum letzten Mal sah -und er war vermutlich der letzte, der Brad lebend gesehen hat -, saß Brad am Dametisch und spielte gegen sich selbst. Das war nichts Ungewöhnliches; Stallings hat uns bestätigt, daß Brad oft gegen sich selbst spielte und genüßlich am jeweils nächsten Zug herumknobelte -wie es nur leidenschaftliche Spieler tun -, und auch ich selbst kann das bestätigen. Es sieht so aus, als wäre es Krosac gelungen, sich Zugang zu Brads Arbeitszimmer zu verschaffen, nachdem Stallings gegangen war. Brad spielte noch immer gegen sich selbst, als der Mörder ihn angriff und tötete und so weiter. Zum Zeitpunkt seiner Ermordung hatte Brad einen der roten Steine in der Hand, womit erklärt wäre, warum wir ihn in der Nähe des Totempfahls gefunden haben.«

Ellery rieb sich müde die Stirn. »Sie sagten gerade, ›er verschaffte sich Zugang zum Arbeitszimmer‹. Was genau verstehen Sie darunter?«

Yardley grinste. »Genau diesen Punkt wollte ich gerade ausführen. Ich sagte eben, ich hätte viele, leider unbeweisbare Theorien gehabt. Eine davon war die, daß Krosac - der sich, wie Sie wiederholt betont haben, möglicherweise in allernächster Nähe aufhielt -mit dem Gast identisch war, den Brad an diesem Abend erwartete. Das würde erklären, wie er ins Haus gelangt ist. Brad wußte natürlich nicht, daß jemand, den er für einen guten Freund oder Bekannten hielt, in Wirklichkeit sein Todfeind war.«