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Er ließ den Duesenberg in dem Gebüsch zurück -die Spuren seines letzten Ausfluges waren trotz des Regens noch schwach zu erkennen -und begann mit der Automatic in der Hand den mühsamen Aufstieg zur Hütte auf den bis zur Unkenntlichkeit zugewachsenen Pfad, dem Constable Luden damals gefolgt war. Er schlug sich geschwind, doch vorsichtig durchs Gebüsch und war finster entschlossen, sich nicht unangenehm überraschen zu lassen. Doch in dem dichten Wald herrschte vollkommene Stille. So stieg er höher und höher, betete, daß er noch rechtzeitig kam, doch alle Zeiger standen auf Alarm. Wahrscheinlich kam er zu spät.

Er versteckte sich hinter einem Baum und ließ einen Blick über die Lichtung schweifen. Der Zaun war intakt. Obwohl die Eingangstür geschlossen war, spürte er frischen Mut in seinen Adern. Dennoch wollte er keinerlei Risiken eingehen. Er entsicherte die Automatic und kroch lautlos hinter dem Baum vor. Hatte er da am stacheldrahtbewehrten Fenster das vertraute bärtige Gesicht von Old Pete gesehen? Nein, seine überreizten Nerven gaukelten ihm Wahnbilder vor. Er kletterte mit linkischen Bewegungen über den Zaun, die Waffe fest in der Hand. Dann bemerkte er die Fußspuren.

Er blieb ewige drei Minuten stehen, während die Abdrücke in der feuchten Erde ihm ihre Geschichte erzählten. Schließlich wandte er seinen Blick von den unheimlichen Fußspuren ab und machte einen großen Bogen um sie.

Die Tür der Hütte war, wie er jetzt erst sah, nur angelehnt und stand einen Spaltbreit offen.

Mit der Automatic in der rechten Hand beugte er sich vor und horchte. Aus dem Innern der Hütte drang kein einziger Laut. Er richtete sich wieder auf und drückte mit einer heftigen, schnellen Bewegung die Tür auf, so daß sie knarrend zurückschwang und den Blick ins Innere freigab

Ein paar Herzschläge lang stand er so da, mit seiner Waffe in der rechten Hand, und starrte auf die grauenvolle Szene vor ihm. Dann sprang er über die Schwelle und verriegelte die Tür hinter sich.

Um zehn vor eins hielt der Duesenberg wieder vor dem Rathaus, und Ellery sprang auf den Bürgersteig. Was für ein seltsamer junger Mann, mußte der Hausmeister bei sich gedacht haben, denn Ellerys Haar war zerzaust, in seinen Augen loderte ein unheimliches Feuer, und er kam mit einer solchen Fratze auf ihn zu, daß einem angst und bange werden konnte.

»Hallo«, sagte der Mann in Jeans unsicher. Noch immer fegte er in der staubigen Hitze den Bürgersteig. »Gut, dasse wiedergekomm sin‘, Mister. Ich wollt‘s Ihnen vorhin schon sagen, aber ich bin einfach nich‘ dazu gekomm‘. Sie heißen nich‘ zufällig -«

»Hören Sie«, keuchte Ellery. »Sie scheinen der einzige von all den pflichtbewußten Ordnungshütern dieser Stadt zu sein, der zur Zeit nicht gerade zufällig angelt! Ich habe einen dringenden Auftrag für Sie! Es müßten bald ein paar Männer aus New York hier eintreffen. Selbst wenn es noch Stunden dauert - warten Sie hier! Haben Sie verstanden?«

»Ähm, schon«, erwiderte der Hausmeister und stützte sich auf seinen Besen. »Aber ich weiß nich‘ so recht. Sagense, Se heißen nich‘ zufällig Queen, oder?«

Ellery war verdutzt. »Doch. Wieso?«

Der Hausmeister hielt kurz inne, spie einen Strahl brauner Flüssigkeit aus und fischte dann aus den Tiefen seiner geräumigen Jeanstaschen ein gefaltetes Blatt Papier. »Ich wollt‘ Ihn‘ das schon die ganze Zeit geben, aber Sie ham mir ja einfach nich‘ zugehört, Mr. Queen. So‘n großer, häßlicher Kerl hat mir den Brief für Sie gegeben. Sah aus wie der alte Abe Lincoln, so wahr ich hier stehe!«

»Yardley!« rief Ellery freudig und schnappte dem Hausmeister das Blatt aus der Hand. »Mann, warum zum Teufel haben Sie mir das nicht früher gesagt?« In seiner Eile, das Blatt zu entfalten, zerriß er es fast.

Es handelte sich um eine eilig mit Bleistift hingekritzelte

Nachricht mit der Unterschrift des Professors.

Lieber Queen!

Moderne Magie hat mir dazu verholfen, Ihnen zuvorzukommen. Erklärung wie folgt: Sowie Sie aus der Tür waren, habe ich alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Vaughn oder Isham an den Apparat zu bekommen. Leider vergeblich. Dennoch habe ich in Erfahrung gebracht, daß sie gerade einem vielversprechenden Hinweis aus Massachusetts zum Aufenthaltsort der Lynns nachgehen. Ihre Nachricht habe ich Vaughns Leuten anvertraut. Der Gedanke daran, daß Sie im Alleingang einen zu allem entschlossenen Irren stellen, war mir von vornherein unerträglich. In Bradwood tut sich ohnehin nichts. Dr. Temple ist auf dem Weg nach New York, um seine widerspenstige Braut zu zähmen, wie ich annehme.

Habe in der Sturmnacht kein Auge zugetan. Als das Unwetter dann um sechs herum nachließ, bin ich nach Mineola aufgebrochen. Ein Privatmann, der in südwestlicher Richtung flog, war so freundlich, mich mitzunehmen und in der Nähe von Arroyo zwischenzulanden. Das war heute morgen um zehn (habe den Brief zum größten Teil im Flugzeug geschrieben).

Später: Ich finde einfach niemanden, der von einer Hütte in den Bergen wüßte! Luden ist nicht da, und die Stadt ist wie ausgestorben.

Ihr Telegramm hat ihn vermutlich nicht mehr rechtzeitig erreicht. Befürchten Sie das Schlimmste, zumal hier um halb zwölf ein hinkender Mann gesehen worden ist.

Er soll eine kleine Tasche dabei gehabt haben (es muß sich um Krosac handeln -die Beschreibung ist sehr vage, weil der Mann vermummt war) und um halb zwölf letzte Nacht in Yellow Creek -von Arroyo aus gesehen anderes Ufer des Ohio ­jemanden beauftragt haben, ihn nach Steubenville, Ohio, zu bringen. Ich habe mit dem Fahrer gesprochen, er hat Krosac an

einem Hotel abgesetzt ... Ich werde seine Spur persönlich verfolgen; damit Sie im Bilde sind, habe ich meine Nachricht für Sie diesem Intelligenzwunder von Hausmeister gegeben. Bitte kommen Sie sofort nach Steubenville! Sollte sich zwischenzeitlich eine weitere Spur auftun, hinterlasse ich Ihnen im Fort-Steuben-Hotel eine Nachricht. In Eile,

Yardley

Ellery verdrehte verärgert die Augen. »Wann hat Ihr Freund Abraham Lincoln diese Nachricht hinterlassen?«

»Um elf oder so«, murmelte der Mann in Blau. »Jedenfalls nich‘ lange, bevor Sie da war‘n.«

»Ich begreife langsam«, grollte Ellery, »was in Menschen vorgeht, bevor sie zu Mördern werden ... Wann hat letzte Nacht der Regen aufgehört?«

»Ne Stunde oder so vor Mitternacht. Überm Fluß aber hat‘s noch bis zum Morgengrauen geschüttet. Aber hörense, Mr. Queen, meinense nich -«

»Nein«, erwiderte Ellery bestimmt. »Händigen Sie diese Nachricht den Männern aus New York aus, sobald sie hier eintreffen.« Er kritzelte eine zusätzliche Notiz auf die Rückseite des Blattes und drückte es dem Hausmeister in die Hand. »Bleiben Sie hier -fegen Sie den Bürgersteig, kauen Sie Ihren Tabak -, aber bleiben Sie genau hier, bis die Polizei da ist. Isham. Vaughn. Polizei. Verstanden? Soll Ihr Schaden nicht sein.«

Er steckte dem Mann einen Schein zu, sprang in seinen Duesenberg und raste Arroyos Hauptstraße hinunter. Übrig blieben nur Wolken aus Staub.

28. Zum zweiten Mal tot

Am Mittwoch morgen, um acht Uhr in der Frühe, rollte ein Polizeiwagen die Einfahrt von Bradwood hoch. Vaughn und Isham, der einen seiner Männer dabei hatte, waren erschöpft, aber in Hochstimmung. Auf den Rücksitzen saßen mißmutig und mit finsteren Mienen Percy und Elizabeth Lynn.