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Seine Rebellion war gescheitert. Vorbei. Unterdrückt, bevor sie richtig begonnen hatte. Er lachte leise, und es dauerte lange, bis der hässliche Laut in wispernden Echos erstarb.

Was ihm blieb, war seine Rache. Alle jene, die ihn belogen und ausgetrickst und in die Dunkelheit getrieben hatten, sollten mit ihrem Blut dafür bezahlen, was sie ihm angetan hatten. Das hatte ihm der Dunkle Fürst versprochen.

Darius umklammerte den Dolch noch fester und bewunderte die goldenen Lichtreflexe auf der schmalen Stahlklinge.

Nur nahe dem Heft wurde sie von braunen Flecken getrockneten Bluts verunziert. Darius runzelte die Stirn. Schade um Cecelia. Aber zweifellos war er ohne sie besser dran; sie hatte ihm nur im Weg gestanden und ihn aufgehalten. Hatte stets auf ihm herumgehackt. Und dennoch vermisste er sie immer noch. Mit Cecelia hatte er reden können, auch wenn sie nur die Hälfte davon verstand, was er sagte. Schade um Cecelia.

Aber sie hätte ihn nicht aufhalten sollen.

Darius erstarrte plötzlich, als er nicht weit entfernt das Auf und Ab von Stimmen hörte. Sie schienen sich zu nähern, weil sie stetig lauter wurden, klangen aber sonderbar verschwommen, sodass er nicht verstehen konnte, was gesprochen wurde. Der Minister presste sich erschrocken gegen die Wand, als sie unvermittelt wie Donner durch den engen Tunnel dröhnten und dann verstummten, mitten im Wort abgeschnitten. Darius lächelte unbehaglich und entspannte sich wieder.

Der Schall wanderte auf seltsamen Wegen durch die Entlüftungsschächte und hallte endlos wider, bis er nur noch ein Wispern war, aber hin und wieder drangen durch eine Laune der Akustik Stimmen und Bruchstücke von Unterhaltungen aus der Burg so deutlich an sein Ohr, als befände er sich im gleichen Raum wie die Sprechenden. Darius wusste um das Schicksal seiner Mitverschwörer. Mehr als einmal war er versucht gewesen, die Tunnel zu verlassen und den König zu bitten, dass er ebenfalls ins Exil gehen durfte, aber sein Stolz hinderte ihn daran. Er musste Rache üben, sonst wäre sein langes Umherirren im Dunkeln umsonst gewesen.

Er wandte sich von der Gitteröffnung ab und wanderte tiefer in den Tunnel hinein, fort von dem goldenen Lichtschein.

Bald umhüllte ihn wieder die gewohnte Schwärze. Darius murmelte leise vor sich hin, während er den langen, engen Tunnel entlanghastete; er zählte voller Vorfreude die blutigen Strafen auf, die er sich für seine Feinde ausgedacht hatte.

Bald, versprach er sich. Bald.

Der Große Zauberer langweilte sich. Der Champion hielt eine Konferenz mit dem König ab und durfte nicht gestört werden.

Rupert war verschwunden, und alle anderen schienen zu beschäftigt oder zu müde, um sich mit ihm zu unterhalten.

Der Zauberer schlenderte durch die endlosen Korridore der Burg, um sich ein wenig umzusehen, aber auch das ödete ihn bald an. Er sehnte sich nach frischer Luft und mehr Bewegungsfreiheit. Die Burg enthielt zu viele Erinnerungen. Er fand eine stille Ecke, setzte sich auf den Boden und versank rasch in Trance. Sein Astralleib löste sich vom Körper, schwebte nach oben und flog durch die Korridore zurück zur Eingangshalle und in den Hof hinaus, ein unsichtbares Wesen, leiser als ein Windhauch.

Der Burghof war überfüllt mit Obdachlosen, und die hohen Mauern aus Stein wirkten selbst unter freiem Himmel unerträglich einengend. Der Zauberer glitt rasch über die gebeugten Köpfe der teilnahmslosen Flüchtlinge hinweg, schwang sich über den Burgwall und flog hinaus in die lange Nacht.

Die vom Eis umschlossene Residenz schimmerte spukhaft in ihrem eigenen Silberglanz wie eine einzelne riesengroße Schneeflocke. Das Licht reichte nicht weit in den Dunkelwald. Einst war der Wald voller Leben gewesen, doch nun regte sich nichts außer Dämonen, die lautlos durch die ewige Nacht schlichen. Nur die Bäume selbst waren, wenngleich morsch und halb verrottet, auf schreckliche Art lebendig. Der Zauberer hörte sie wimmern.

Um ihn röhrte die Dunkelheit wie ein lang gezogenes Donnergrollen, und über ihm heulte unaufhörlich der Blaue Mond. Die Sinne des Zauberers enthüllten weit mehr von der Welt, als die meisten Menschen sahen, und was jedem gewöhnlichen Beobachter als stumme, statische Szene erschienen wäre, war für den Großen Zauberer mit Lärm und wildem Aufruhr erfüllt. Zu seiner Linken und zu seiner Rechten verfolgten die Geister der Vergangenheit ihre Schritte zurück; Momente, in der Zeit gefangen wie in Bernstein eingeschlossene Insekten. Hin und wieder verschwand ein Geist aus seinem Blickfeld wie eine geplatzte Seifenblase, wenn das Hier und Heute die vage Erinnerung an das Einst überlagerte.

Pfade der Macht, alt und stark, leuchteten rund um die Burg, unvermindert hell trotz des Dunkelwaldes. Der Zauberer runzelte die Stirn. Er spürte, wie sich tief in der Erde etwas regte, ein Wesen aus grauer Vorzeit, das sich hin und wieder aufbäumte und dann wieder in seinen langen Schlaf hinüberdämmerte. Der Zauberer entspannte sich ein wenig. Der Wald war älter, als seine Bewohner ahnten, und die Kreaturen, die hier lange vor der Menschheit gelebt hatten, waren nicht vollständig ausgerottet. Nur wenige wussten um ihren leichten Schlummer.

Der Zauberer hob den Kopf, als ein Dämon aus dem Dunkelwald trat. Die Kreatur ging unsicher auf zwei Beinen und ähnelte einem Menschen, aber von seinen Kiefern quoll unentwegt ein öliges grünes Feuer, das zischend und Funken sprühend zu Boden tropfte. In seinem breiten Maul saßen riesige Zahnhöcker, und seine Augen loderten gelb in der Nacht. Der Zauberer sah ihn prüfend an und hob eine Hand.

Der Dämon blieb stehen, fauchte lautlos und floh zurück in den Dunkelwald. Ein grimmiges Lächeln spielte um die Lippen des Zauberers.

Als der Dämon in der endlosen Nacht verschwand, brüllte etwas tief in der Finsternis seinen Hunger heraus, und der Zauberer zog nachdenklich die Stirn in Falten. Gegen Ende des letzten Dämonenangriffs hatte er gespürt, dass sich etwas Grauenhaftes auf die Burg zubewegte. Im letzten Moment hatte es innegehalten, anstatt seine Macht auf die Probe zu stellen, aber seither spielten sich Veränderungen im Dunkelwald ab, die dem Zauberer nicht entgingen. Die Dämonen sammelten sich zu einer neuen Attacke, und mit ihnen… Der Große Zauberer erschauerte plötzlich, obwohl er seinen Körper verlassen hatte. Unter dem Licht des Blauen Mondes waren Wesen aus einem Schlaf erwacht, der bis ans Ende der Zeit hätte dauern sollen, um erneut die Welt der Menschen zu durchwandern. Fleisch gewordene Albträume und Schreckensbilder regten sich unruhig in der endlosen Nacht und warteten voller Ungeduld auf den Befehl zum Angriff gegen die Burg.

Der Zauber zuckte die Achseln und schwebte wieder in die Lüfte. Der Lauf der Dinge ließ sich nicht aufhalten, und es hatte wenig Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Er schob die düsteren Gedanken beiseite und flog langsam über den Burggraben. Sinnend betrachtete er die dicke Eisschicht, die das Wasser bedeckte. Ein großer dunkler Schatten bewegte sich träge unter dem Eis und verfolgte seinen Weg mit. Der Große Zauberer verharrte mitten im Flug und der Schatten in der Tiefe hielt ebenfalls inne. Neugierig zog der Zauberer die Augenbrauen hoch. Allem Anschein nach hauste irgendein Lebewesen im Burggraben, auch wenn er sich nicht recht vorstellen konnte, was es war. Die Tatsache, dass es seinen Astralleib wahrnehmen konnte, verblüffte ihn besonders.

Doch was immer es sein mochte, es war unter dem Eis gefangen. Der Zauberer schwebte tiefer, bis er sich dicht über einem Riss im Eis befand, und spähte aufmerksam ins Wasser. Der dunkle Umriss lauerte unschlüssig, und dann zuckte der Zauberer instinktiv zurück, als er plötzlich auf die Unterseite der Eisdecke zuschoss. Der Riss verbreiterte sich und barst, und ein einzelnes rosafarbenes Stielauge tauchte in dem Spalt auf. Der Zauberer ließ sich in sicherer Entfernung auf dem Eis nieder.

»Hallo«, begann er höflich, »wer bist du?«

Eine dumpf blubbernde Stimme erreichte ihn. Er war sich nicht sicher, ob sie aus dem Riss im Eis kam oder unmittelbar in seine Gedanken eindrang.