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Ich lebe hier, sagte die Stimme. Im Wasser. Im Burggraben. Mein Zuhause. Mein Name… das liegt weit zurück. Sehr weit zurück. Wer bist du?

»Ich bin der Große Zauberer. Ein Magier.«

Das Auge kreiste auf seinem Stiel, um ihn besser betrachten zu können. Ich glaube, ich erinnere mich. Wir sind uns begegnet. Am Schwarzen Turm.

»Ja, richtig!« Der Zauberer nickte. »Das ist schon einige Jahre her, nicht wahr? Du hattest mich bei der Arbeit gestört, und da verwandelte ich dich in irgendetwas und schickte dich zurück.«

Lange her, bestätigte die dumpfe Stimme, die nichts Menschenähnliches an sich hatte. Lange her. Jetzt lebe ich hier.

Im Burggraben. Mein Zuhause.

»Die Zeit vergeht so schnell«, sagte der Zauberer. »Tut mir Leid, mein Freund. Ich verwandle dich zurück…«

Nein! Bitte nicht. Ich f ühle mich hier glücklich als Hüter des Burggrabens. Mehr will ich nicht. Mehr wollte ich nie. Im Sommer kommen Fische, Vögel und Insekten, und ich höre ihre Stimmen, höre ihre Gesänge. Der Wind, der Regen und der Wald sind jetzt ein Teil von mir, und ich bin ein Teil von ihnen. Ich spüre, wie die Jahreszeiten vergehen und wie die Welt sich dreht. Ich f ühle den langsamen, gleichmäßigen Puls des Lebens. Das kann ich nicht auf geben. Ich möchte kein Mensch mehr sein.

»Ja«, sagte der Große Zauberer. »Das verstehe ich. Ich möchte es auch nicht. Aber kann ich sonst irgendetwas für dich tun?«

Das Stielauge nickte nachdenklich. Besuch mich manchmal, sagte die blubbernde Stimme. Rede mit mir! Manchmal f ühle ich mich einsam und sehne ich mich einer Menschenstimme.

»Ich werde kommen, wann immer ich kann«, erklärte der Zauberer.

Versprochen?

»Versprochen.«

Gut, gut. Das Stielauge schwenkte ein wenig zur Seite und starrte an ihm vorbei in die Finsternis. Die lange Nacht ist hereingebrochen, Zauberer. Im Innern der Burg wärst du sicherer.

»Du auch.«

Blubberndes Gelächter. Die Dämonen lassen mich in Ruhe.

Sie hüten sich, mit mir zu kämpf en. Kehr zurück in die Burg, Großer Zauberer! Kehr zurück ins Licht, in die Nähe anderer Menschen. Aber komm wieder, wenn die Nacht vorbei ist!

Bitte!

»Natürlich«, sagte der Zauberer. »Leb wohl, mein Freund!« Er wandte sich ab und schwebte wieder in die Lüfte. Das Stielauge starrte ihm nach, bis er hinter der Burgmauer verschwunden war. Dann betrachtete es kurz die vorrückende Dunkelheit und tauchte mit einem leisen Schmatzgeräusch unter. Der Riss in der Eisdecke schloss sich, und die verschwommene dunkle Gestalt glitt langsam durch das kalte Wasser des Burggrabens.

Rupert erwachte von einem lauten Pochen. Jemand hämmerte beharrlich gegen die Tür. Er rollte sich auf den Rücken und starrte zur Zimmerdecke hinauf, während seine Träume zögernd den Rückzug antraten. Dann schoss er kerzengerade in die Höhe und griff nach dem Schwert, das auf dem Boden neben dem Bett lag. Mit der Waffe in der Hand fühlte er sich einfach sicherer. Er warf einen Blick auf die Öllampe; sie war ausgegangen, aber die beiden Kerzen brannten noch. Er spähte in die Schatten, die in den Ecken seines Zimmers lauerten, und versuchte sich zu erinnern, was ihn geweckt hatte. Das Hämmern begann von neuem, und etwas in Ruperts Hinterkopf schrie: Dämonen, Dämonen Dämonen! Er schüttelte den Kopf und atmete tief durch, und die wilde, unlogische Furcht, die sein Herz zum Rasen gebracht hatte, verebbte langsam zu einem vertrauten Hintergrundmurmeln. Vorsichtig schwang er die Beine über die Bettkante, zuckte zusammen, als er die schmerzenden Glieder spürte, und legte nach kurzem Zögern das Schwert neben sich auf das Bett. Wer immer das sein mag, dachte er grimmig, hat hof f entlich einen guten Grund f ür diese Störung! Er rieb sich die verklebten Augen und trat zögernd auf den Schrank zu, der den Eingang versperrte.

Draußen klopfte sein Besucher erneut mit einigem Nachdruck.

»Wer ist da?«, knurrte Rupert und streckte sich, bis seine Gelenke knackten.

»Der Champion, Sire. Sie werden gebraucht.«

Seit wann?, dachte Rupert finster. »Also gut. Warten Sie einen Augenblick!«

Er stemmte die Schulter gegen den Schrank und rückte das schwere Möbelstück mühsam an seinen unsprünglichen Platz.

Breite Streifen auf dem Läufer vor der Tür verrieten, wo der Schrank in der Nacht gestanden hatte. Rupert bückte sich und drehte den Teppich sorgsam um. Wenn sich herumsprach, dass er seine Tür verbarrikadierte, ehe er sich schlafen legte, konnte er sich bei Hofe nicht mehr sehen lassen. Er schob den Riegel zurück und schloss in aller Ruhe auf. Was immer ihm der Champion zu sagen hatte, war vermutlich eine unangenehme Nachricht. Schließlich öffnete er die Tür und sah den Ersten Krieger des Landes feindselig an.

»Sind Sie sicher, dass Ihre Botschaft nicht warten konnte?«

»Ich sehe, dass es Ihnen wieder besser geht, Sire.«

Rupert starrte ihn nur an. Der Champion schüttelte betrübt den Kopf.

»Sie wollen doch nicht behaupten, dass Sie noch müde sind? Sie haben fast vier Stunden geschlafen.«

»Vier Stunden?« Rupert sah sich nach einem schweren Gegenstand um, mit dem er dem Champion den Schädel einschlagen konnte, und gab den Gedanken wieder auf, weil die Durchführung zu viel Kraft gekostet hätte. Er lehnte sich müde gegen den Türstock und musterte den Champion, der wie immer gelassen, ausgeruht und tatendurstig wirkte. »Heraus mit der Sprache, Sir Champion! Was ist passiert, während ich schlief?«

»Leider nicht viel, Sire. Die Dämonen lauern immer noch jenseits des Burgwalls, während der König und der Große Zauberer streiten, dass die Fetzen fliegen.«

»Klasse«, murmelte Rupert. »Echt Klasse!«

»Deshalb«, fuhr der Champion lässig fort, »fand ich, es könnte nicht schaden, wenn Sie die Kampfhähne zur Vernunft brächten.«

»Was schenkt Ihnen die Überzeugung, dass die beiden auf mich hören werden?«

»Sie wissen am besten über den Dunkelwald Bescheid, Sire. Niemand hat ihn öfter durchquert als Sie, ohne auf der Strecke zu bleiben.«

»Und?«

»Und Sie sind vermutlich das einzige Mitglied des Hofes, das nicht sein eigenes Süppchen kocht«, sagte der Champion.

»Ich kann es ja mal versuchen«, meinte Rupert mit einem Achselzucken. Er kehrte zurück ins Zimmer und schnallte sein Schwert um. Er hatte es nun so lange getragen, dass er sich ohne das Gewicht an der Hüfte beinahe nackt vorkam.

Alles in allem fühlte er sich nach den vier Stunden Schlaf doch ein wenig besser. Die linke Schulter war nicht mehr steif, und der frische Narbenwulst spannte kaum, wenn er den Arm bewegte. Die Müdigkeit konnte er verdrängen; darin hatte er inzwischen Übung. Er fuhr sich mit den Fingern durch das wirre Haar, zog das Lederwams gerade und schaute an sich herunter. Vier Stunden unruhiger Schlaf hatten seine blutverschmierte Kleidung nicht sauberer gemacht. Einen Moment lang war Rupert versucht, rasch in ein paar Sachen zu schlüpfen, die der Hofetikette angemessen waren, aber dann dachte er: Vergiss es! Er würde es überleben, wenn die Herrschaften über ihn die Nase rümpften. Also zog er in aller Ruhe den Gürtel fest und trat auf den geduldig wartenden Champion zu.

»Meinetwegen können wir gehen!«

Die Mundwinkel des Champions zuckten, als er einen Blick auf Ruperts Furcht einflößendes Äußeres warf. »Sie werden ihre Aufmerksamkeit wecken, Sire.«

»Gut so«, sagte Rupert und setzte entschlossen einen Fuß vor den anderen.