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»Ein uralter Kasten«, meinte Rupert mit einem Lächeln.

»Sie wird dir gefallen.«

»Glaubst du?«

»Natürlich. Und meine Leute werden dich mit offenen Armen empfangen.«

»Weshalb sollten sie?«, fragte Julia leise und starrte angestrengt ins Feuer. »Ich kriege keine Mitgift und bin auch sonst alles andere als eine gute Partie. Sieben Schwestern stehen zwischen mir und dem Thron – immer vorausgesetzt, dass die Ältesten meiner Rückkehr zustimmen. Und das tun sie ganz gewiss nicht.«

»Warum denn nicht?«

»Weil…« Julia warf ihm einen finsteren Blick zu. »Du lachst mich doch bloß aus.«

»Ehrlich nicht!«

»Ich bin von daheim abgehauen. Sie wollten mich mit einem Prinzen vermählen, den ich überhaupt nicht kannte. Aus politischen Gründen, verstehst du.«

»Ich verstehe.« Rupert nickte. »Dynastisches Denken.«

»Genau. Also lief ich weg. Ich kam nicht mal bis zur Grenze. Und da das Reich bereits mit sieben Prinzessinnen gesegnet war und keine achte mehr gebrauchen konnte, schickte man mich in die Drachenhöhle.« Julia starrte wütend ins Feuer. »Mein Vater unterzeichnete den Beschluss. Mein eigener Vater!«

Rupert wollte ihr tröstend einen Arm um die Schultern legen, doch sie wich ihm unwirsch aus.

»Mach dir keine Sorgen«, sagte er ohne große Überzeugung. »Das renkt sich alles wieder ein. Ich finde sicher einen Weg, dich heimzubringen.«

»Ich will aber nicht heim! Für meine Leute bin ich tot.

Und manchmal wünsche ich, es wäre so.«

Sie sprang auf und rannte in die Dunkelheit. Rupert erhob sich, um ihr nachzugehen.

»Bleib hier!«

Rupert drehte sich um und sah, dass der Drache ihn aus den Schatten heraus beobachtete. »Warum?«

»Sie will nicht, dass jemand sie weinen sieht«, erklärte der Drache.

»Ach so.« Rupert trat von einem Fuß auf den anderen und setzte sich dann wieder.

»Sie kommt sicher bald zurück«, meinte der Drache und rückte ein Stück näher.

»Hmm. Ich würde ihr gern helfen, wenn ich könnte.«

»Nett von dir. Julia ist nicht die Schlechteste – für eine Prinzessin, meine ich.«

Rupert zuckte mit den Schultern. »Wir haben alle unsere Probleme.«

»Du etwa auch?«

»Natürlich. Weshalb hätte ich mich sonst auf diese blöde Abenteuerreise eingelassen?«

»Ehre, Ruhm, edle Taten?«

Rupert sah ihn nur an.

»Entschuldige«, murmelte der Drache.

»Ich bin der zweite Sohn«, erklärte Rupert. »Ich habe kein Anrecht auf den Thron, solange mein älterer Bruder lebt.«

»Und du bringst es nicht übers Herz, ihn zu töten.« Der Drache nickte verständnisvoll.

Rupert schnaufte verächtlich. »Ach was, ich kann den Typen nicht ausstehen. Aber wenn ich ihm den Krieg erkläre, bricht ein Bürgerkrieg aus, der das ganze Land spaltet. Deshalb befahl mir mein Vater, mich auf die Drachensuche zu begeben. Er hoffte, du würdest mich töten und das lästige Problem auf diese Weise lösen.«

»Dein eigener Vater wollte dich in den Tod schicken?«

»Ja«, sagte Rupert leise. »Mein eigener Vater. Offiziell sollte ich eine Heldentat vollbringen, um mich des Thrones würdig zu erweisen, doch jeder wusste, worum es in Wahrheit ging. Selbst ich wusste es.«

»Aber warum hast du die Sache durchgezogen? Es bestand keinerlei Notwendigkeit, mich zum Duell zu fordern.«

»Ich bin ein Prinz des Waldkönigreichs«, sagte Rupert.

»Ich hatte mein Wort gegeben. Außerdem…«

»Ja?«

Rupert zuckte die Achseln. »Das zweite große Problem meiner Familie ist das Geld. Wir sind pleite.«

»Pleite? Aber ihr herrscht über das ganze Land! Wie könnt ihr da pleite gehen?«

»Wir hatten zwei Missernten in Folge, dem Volk droht eine Hungersnot, und die Barone weigern sich, ihre Abgaben zu entrichten. Wenn wir den Wert unserer Münzen noch mehr vermindern, können wir sie bald als Kronkorken verwenden.«

»Hmm.«

»Genau – hmm.«

»Das heißt, es nützt dir nicht viel, wenn du mich lebend anschleppst.«

»Nicht allzu viel«, gab der Prinz zu. »Mal abgesehen von dem Goldschatz, den angeblich jeder Drache hütet, könnte man für deine Haut einen guten Preis erzielen. Auch für deine Zähne. Und besonders begehrt sind Drachen…«

»Ich weiß, was sie wert sind«, unterbrach ihn der Drache leicht gekränkt. »Aber ich würde mich nur ungern von ihnen trennen.«

Rupert wurde rot und wandte den Blick ab. »Ich wollte dir auch nur meine Schwierigkeiten schildern.«

»Ich werde darüber nachdenken«, sagte der Drache.

»Hört endlich zu labern auf und lasst mich schlafen!«, beschwerte sich das Einhorn mit einem müden Seufzer.

Die Prinzessin kam aus der Dunkelheit zurück und ließ sich am Feuer nieder. Die anderen hüteten sich, einen Kommentar zu ihren leicht verschwollenen Augen abzugeben.

»Worüber habt ihr beide geredet?«, wollte sie wissen.

»Allem Anschein nach befindet sich die Familie des Prinzen momentan in einer finanziellen Krise«, sagte der Drache.

»Pleite«, erklärte das Einhorn ohne eine Spur von Taktgefühl.

»Vielleicht sollte ich mich erneut auf große Abenteuerfahrt begeben, wenn das hier vorbei ist«, meinte der Prinz düster,

»und nach dem Goldtopf am Ende des Regenbogens suchen.«

»Wenn du das tust, kannst du zu Fuß gehen«, drohte das Einhorn.

»Das Ende des Regenbogens«, meinte der Drache versonnen. »Das ist mehr als eine Legende.«

»Willst du damit sagen, dass es diesen Ort tatsächlich gibt?«, fragte Julia.

Der Drache zögerte. »Manchmal.«

»Und wie finde ich ihn?«, erkundigte sich Rupert.

»Gar nicht. Er findet dich.« Der Drache tat sich sichtlich schwer, die richtigen Worte zu finden. »Das Ende des Regenbogens ist weniger ein Ort als ein innerer Zustand. Wenn du ihn erreichst, kann dein Herzenswunsch in Erfüllung gehen –

obwohl du ihn nicht immer als solchen erkennst. Es gibt einen Zauberbann…«

Sie erstarrten, als irgendwo draußen im Dunkeln ein Zweig knackte. Im Nu waren sie auf den Beinen. Rupert zog sein Schwert, während Julia einen gefährlich aussehenden Dolch aus dem Stiefel holte. Das Einhorn drängte sich dicht an den Drachen und scharrte unruhig mit den Hufen. Und dann flackerten und erloschen die Fackeln am Rand der Lichtung, eine nach der anderen, und die Finsternis rollte auf sie zu wie eine große Woge.

»Sie haben uns wieder aufgespürt«, sagte Rupert.

Eine Gestalt trat auf die Lichtung, hoch gewachsen, spindeldürr und leichenfahl, und blieb geduckt jenseits des Feuerscheins stehen. Die Hände mit den Klauenfingern zuckten unruhig. Schwach glimmende Augen starrten sie aus einem breiten Krötengesicht an. Während die Gruppe das Geschöpf entsetzt und fasziniert zugleich beobachtete, kamen weitere Dämonen aus dem Dunkel angeschlichen, auf zwei Beinen, auf vier Pfoten oder wie Schlangen auf dem Bauch kriechend.

Das Licht der Flammen huschte rötlich über Krallen und Fänge. Keins der Wesen sah wie das andere aus, aber allen haftete eine tiefe Verderbtheit an, eine Verkommenheit der Seele. Rupert trat mit hoch erhobenem Schwert vor, und der Krötendämon kam mit schnellen, grotesken Sprüngen auf ihn zu. Rupert ging mit einem Ausfallschritt in Zweikampf-Position und wich erst im letzten Moment zur Seite, sodass der Dämon an ihm vorbeischoss. Das Schwert beschrieb einen weiten Bogen und drang tief in den Rücken des Angreifers. Dunkles Blut spritzte auf. Der Dämon stürzte und wand sich lautlos am Boden, bis ihm das Einhorn mit einem gut gezielten Hufschlag den Rest gab. Die missgestalteten Schemen der Beobachter wichen ins Dunkel zurück.

»Wie stehen unsere Aussichten?«, murmelte Julia.

»Nicht gut«, gestand Rupert ein, während er das Schwert durch die Luft sausen ließ. »Es sind zu viele.«