König Johann musterte die drei Landgrafen argwöhnisch.
Sie strahlten eine Ruhe und Selbstsicherheit aus, die ihn beunruhigte. Nun, im Zweifelsfall war Angriff immer noch die beste Verteidigung. Er beugte sich vor und warf Sir Blays einen kühlen Blick zu.
»Dies ist eine Privataudienz, Landgraf. Ich habe mit den Männern etwas zu besprechen.«
»Die Bauern können warten«, erklärte Sir Blays. »Wir haben etwas mit Ihnen zu besprechen.«
»Und das wäre?«
»Dämonen dringen auf die Ländereien der Barone vor.
Was tun Sie dagegen?«
König Johann runzelte die Stirn über die unhöflich direkte Art des Landgrafen und gab sich Mühe, ruhig zu bleiben.
»Sie wissen verdammt gut, was ich dagegen tue. Meine Garde reibt sich im Kampf gegen die Dämonen auf. Sie bildet Bürgerwehren und Bauernmilizen an den Grenzen zum Dunkelwald aus und hilft, für den Fall einer Belagerung Vorräte zusammenzutragen.«
»Während die Burg selbst praktisch ungeschützt dasteht«, höhnte Sir Blays.
König Johann lächelte düster. »Wir haben immer noch die Kobolde, mein lieber Landgraf. Wie ich höre, können sie gut mit heißem Pech und Öl umgehen.«
Sir Blays versteifte sich wütend, und Sir Guillam legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. Die beiden Landgrafen sahen sich an. Sir Guillam schüttelte kaum merklich den Kopf, und Sir Blays nahm eine entspanntere Haltung an.
Sieh mal einer an, dachte der König. Ich ahnte schon immer, dass in diesem Guillam mehr steckt, als man nach außen hin vermuten könnte. Sein Blick streifte Sir Bedivere, der in die Ferne starrte, als sei ihm die ganze Diskussion gleichgültig. Wahrscheinlich ist sie ihm gleichgültig, dachte der König missmutig. Er erinnert an eine Maschine, die auf den nächsten Einsatz zum Töten wartet. Aber wer erteilt die Bef ehle –
Blays oder Guillam? Er musterte den zaghaften kleinen Mann, der völlig passiv vor ihm stand, und zupfte sich nachdenklich am Bart. Warum hatten die Barone Sir Guillam an den Hof geschickt? Er war kein Diplomat wie Sir Blays und hatte ganz sicher nicht das Zeug zu einem Mörder. Er behauptete, eine Art Buchhalter zu sein, aber bis jetzt hatte er noch keinen Versuch unternommen, die Finanzen des Hofes zu durchleuchten. Nicht dass der König ihm das gestattet hätte…
König Johann runzelte unsicher die Stirn. Wenn die Landgrafen nicht gekommen waren, um sich über die Kobolde zu beschweren, was zum Teufel suchten sie dann hier? Und warum nahmen sie so regen Anteil an den Aktivitäten seiner Garde? Der König seufzte innerlich. Nun, da der Astrologe nicht bei der Hand war, um ihn zu beraten, musste er die Antworten wohl auf die mühsame Art herausfinden.
»Nun, Sir Guillam«, sagte er langsam, »vielleicht können Sie mir erklären, was es so Wichtiges zu besprechen gibt, dass Sie mich mitten in einer Privataudienz stören. Sir Blays scheint es nicht genau zu wissen.«
Sir Guillam lächelte unterwürfig. »Es gibt… Fragen…
deren Beantwortung keinen Aufschub duldet.«
»Wie zum Beispiel?«
»Wie zum Beispiel der Verbleib des Großen Zauberers.«
Sir Guillam schluckte. »Der Mann ist überfällig. Seit Monaten überfällig, würde ich sagen.«
»Er wird kommen.«
»Wann?«
»Wie zum Henker soll ich das wissen?«
»Seine Unpünktlichkeit scheint Sie nicht übermäßig zu bedrücken«, warf Sir Blays ein. »Man könnte denken, Sie wollen ihn gar nicht hier haben.«
»Sir Blays«, sagte der König langsam, »Ihr Ton missfällt mir. Sie wissen sehr gut, was ich für den Großen Zauberer empfinde. Sie waren an jenem Abend, als ich ihn in die Verbannung schickte, persönlich anwesend. Nun, meine Herren, mein Tag war lang, und ich habe noch eine Menge zu erledigen. Was genau wollen Sie von mir?«
»Wir wollen endlich Taten sehen!«, fauchte Sir Blays.
»Schöne Worte und Versprechungen bringen den Dunkelwald nicht zum Stillstand. Ich weiß, dass ich für meine beiden Begleiter spreche, wenn ich sage, dass die Barone nicht einfach zusehen werden, wie das Waldkönigreich zerfällt, während Sie zaudern und Ausflüchte suchen und nichts unternehmen!«
»Ich tue mein Möglichstes!«
»Das reicht nicht«, sagte Sir Bedivere. Er trat einen Schritt vor, und die beiden Wachposten zogen ihre Schwerter. Der Koloss beachtete sie nicht, sondern heftete seinen Blick fest auf den König. »Wenn Sie die nötigen Maßnahmen versäumen, müssen eben andere eingreifen.«
»Das klang nach einer Drohung«, sagte der König gleichmütig. »Vielleicht haben Sie schon vergessen, was das letzte Mal geschah, als Sie es wagten, mich zu bedrohen.«
»Ach ja.« Sir Guillam lächelte, »Wo ist Thomas Grey eigentlich dieser Tage? Immer noch auf der Suche nach dem…
verschwundenen… Curtana?«
»Es wird nicht von selbst wieder auftauchen!«, fauchte der König. »Der Astrologe arbeitet Tag und Nacht, um dem Dieb auf die Spur zu kommen, der das Curtana aus meinem Arsenal mitnahm!«
»Immer vorausgesetzt, dass es ein Dieb war.« Sir Blays musterte den König spöttisch. »In diesem Punkt haben Sie einen Fehler begangen, Majestät. Es war zu viel des schönen Zufalls, dass sich das Schwert des Zwangs genau in dem Moment in Luft auflöste, als das Arsenal wieder entdeckt wurde – und sich somit außer Reichweite und außerhalb der Aufsicht des Hofes befindet.«
»Sie begeben sich auf gefährlichen Boden, edler Landgraf!«
Sir Blays und Sir Guillam lächelten, während Sir Bedivere breit grinste.
»Als Sie das Schwert des Zwangs an sich nahmen, verloren Sie jeden Anspruch auf unsere Loyalität«, sagte Sir Blays.
»Eine solche Bedrohung der Barone können wir nicht hinnehmen«, setzte Sir Guillam schüchtern hinzu. »Deshalb fordern wir in ihrem Namen, dass Sie uns das Curtana aushändigen. Wir werden es sicher verwahren.«
»Sie fordern?« König Johann war zornbebend aufgesprungen. »An meinem Hof fordern Sie nichts! Und nun verschwinden Sie, ehe ich Sie aus dem Saal peitschen lasse!«
Sir Bedivere lachte leise, und König Johann erschauerte über den kaum verhüllten Irrsinn in diesem Lachen.
»Das geht zu weit!«, erklärte der hünenhafte Landgraf.
»Diese Kränkung werden Sie mir mit Ihrem Herzblut bezahlen!«
»Sie wagen es…«
»Heute schützt Sie kein Hofastrologe, König Johann. Die beiden Leibwächter, die zwischen Ihnen und mir stehen, reichen nicht aus. Geben Sie mir Ihr Schwert, Blays!«
Sir Blays wechselte einen Blick mit Sir Guillam. Der zögerte und nickte dann kurz.
»Sie gehen jetzt am besten, Sire!«, murmelte einer der Posten. »Wir halten ihn auf, solange wir können.«
König Johann starrte wie betäubt Sir Blays an, der langsam sein Schwert zog. »Warum tun Sie das, Blays? Wir kennen uns jetzt seit über dreißig Jahren…«
»Nun gehen Sie endlich!«, zischte der Leibwächter.
»Schlagen Sie Alarm, sobald Sie den Saal verlassen haben!«
»Das ist nicht nötig«, sprach eine ruhige Stimme. »Der König hat nichts zu befürchten, solange wir hier sind.«
Holz vibrierte, und Sehnen schwirrten leise, als die Bauern mit geschickten Bewegungen Pfeile auflegten und ihre Langbogen spannten. Die drei Landgrafen drehten sich mit ungläubigen Mienen um.
»Wie könnt ihr es wagen?«, grunzte Sir Guillam. »Wie könnt ihr es wagen, euch den Baronen zu widersetzen? Dafür lasse ich eure Höfe niederbrennen!«
Die zwölf Männer hielten schweigend ihre Pfeile auf die Landgrafen gerichtet.
Sir Bedivere musterte sie mit unbewegter Miene und streckte den Arm in Richtung Sir Blays aus. »Geben Sie mir Ihr Schwert! Es sind doch nur Bauern.«