Darius entgingen selbst die kleinen Andeutungen nicht.
Narren. Er wusste, dass man mit Charme mitunter mehr erreichen konnte als mit Vernunft und Logik. Und da er selbst kaum Charme besaß, brauchte er jemanden, der ihn in diesen Belangen vertrat. Jemanden, der gut aussah, sich zu benehmen wusste und nicht genug Hirn besaß, um Intrigen gegen seinen Herrn zu spinnen. Gregory war wie maßgeschneidert für diese Position. Dass Cecelia ihn mochte, erleichterte die Sache. Aber schließlich war Cecelia auch nicht die Klügste.
Darius seufzte leise und warf einen Blick in die Runde.
Wenigstens hatte sich Harald endlich dazu herabgelassen, mit den übrigen Gästen zu plaudern, auch wenn er vor allem vom niederen Adel umlagert war, der weder Macht noch Einfluss besaß. Darius rümpfte zynisch die Nase. Es wurde höchste Zeit, dass Harald seinen Beitrag leistete und sich die königlichen Finger schmutzig machte. Darius dachte an die harten Verhandlungen, mit denen er soeben die beiden führenden Getreidehändler des Landes auf seine Seite gebracht hatte, und lächelte grimmig. Politik und Waffengewalt reichten nicht, um einen Umsturz herbeizuführen. Das würden Harald und die Barone noch schmerzlich erfahren. Als Gegenleistung für bestimmte künftige Konzessionen besaß Darius nun sämtliche Getreidevorräte, die es im Waldkönigreich noch gab.
Nicht eine Wagenladung konnte die gut verborgenen Speicher ohne seine Erlaubnis verlassen. Die Landgrafen mochten denken, dass sie ihn in der Hand hatten, aber die Barone würden bald eines Besseren belehrt werden, wenn sie mit der Mütze in der Hand zu Lord Darius kommen und um etwas Getreide für ihre Truppen betteln mussten… Er lachte leise, setzte aber sofort wieder eine undurchdringliche Miene auf, als Sir Blays auf ihn zukam. Darius sah sich unauffällig nach Guillam und Bedivere um, doch die beiden waren nirgends in der Nähe.
»Mein lieber Sir Blays«, begann Darius und verbeugte sich formell. »Ich hoffe, dass Sie sich auf meinem kleinen Fest amüsieren.«
»Ihr Wein ist lausig, und die Gäste kotzen mich an«, sagte Blays. »Aber bei Verhandlungen mit Verrätern lernt man Dinge zu übersehen, die man sonst niemals hinnähme. Ich vermute, auch Ihnen ist Haralds wachsende Beliebtheit aufgefallen. Höflinge, die sonst Meilen weit laufen, um ihm auszuweichen, wetteifern heute um einen Platz in seiner Nähe.«
»Der liebe Harald macht seine Sache nicht schlecht«, sagte Darius leise, »wenngleich er mit seinen Patronage-Versprechen ein wenig übertreibt. Nun ja, soll er… solange es die Höflinge bei Laune hält. Diese Dinge können wir später immer noch in Ordnung bringen.«
»Sie meinen – die Barone werden die Dinge in Ordnung bringen, Darius.«
»Natürlich, Sir Blays. Das versteht sich von selbst.«
»Etwas beunruhigt Ihre Gäste«, sagte Blays unvermittelt.
»Und zwar so sehr, dass sie hier nicht darüber zu sprechen wagen. Haben Sie eine Ahnung, was das sein könnte?«
»Das Curtana«, entgegnete Darius kategorisch. »Sie glauben nicht, dass es gestohlen wurde, ebenso wenig wie Sie oder ich das glauben. Nein, mein lieber Blays. Sie befürchten, dass Johann und sein geliebter Astrologe das Schwert des Zwangs in ihren Besitz gebracht haben und sie mit seinem Zauber nach und nach alle in willenlose Sklaven verwandeln werden.«
»Die Möglichkeit besteht natürlich«, meinte Blays abwägend. »Was denken Sie? Glauben Sie, dass Johann das Curtana hat?«
Darius zuckte mit den Schultern. »Welche Rolle spielt das schon? Wenn er es hat, können wir es nicht ändern. Wenn er es nicht hat, ist er uns hilflos ausgeliefert. Außerdem hege ich nicht den geringsten Zweifel, dass die Macht dieses Schwerts im Lauf der Jahrhunderte stark aufgebauscht wurde. Jeder Zauber verliert seine Wirkung mit der Zeit.«
Sir Blays schüttelte den Kopf. »Der Legende nach erhält das Curtana-Schwert seine Macht vom Dämonenfürsten selbst. Wenn das stimmt, dann ist es momentan wieder eine der tödlichsten Waffen, die es je in diesem Land gab. Und falls es der König tatsächlich nicht besitzt, sollten wir möglichst schnell herausfinden, wer es hat. Johann würde das Schwert wohl nur im äußersten Notfall einsetzen. Aber es gibt viele andere, die seine Hemmungen nicht teilen.«
»Das ist ein Problem, das wir heute nicht lösen können«, erklärte Darius. »Im Moment gilt: Je länger das Curtana verschwunden bleibt, desto besser. Sein größter Wert besteht zurzeit darin, dass es Johann von seinen Höflingen fern hält.
Wenn sie den König fürchten, laufen sie eher zu uns über.«
Ein höhnisches Lächeln glitt über Sir Blays' Züge. »Sie machen sich die Sache zu einfach, Darius. Angst allein wird diese Schafherde nicht in Bewegung setzen; da müssen wir uns schon mehr einfallen lassen. Zum Beispiel das Angebot, sie gegen das Curtana und die Leibgarde des Königs zu schützen.«
»Glauben Sie wirklich, dass die Königliche Garde Schwierigkeiten machen wird?« Darius runzelte nachdenklich die Stirn. »Wenn Lord Vivian das Oberkommando der Truppen übernimmt…«
»Die Königliche Garde wird loyal bleiben«, erklärte Blays knapp. »Sie ist Johann treu ergeben – beinahe fanatisch treu.
Die restlichen Burgtruppen werden schwanken, ob sie zu Lord Vivian überlaufen sollen. Wahrscheinlich halten sie sich erst einmal zurück und warten ab, bis sie wissen, aus welcher Richtung der Wind weht. Nein, mein lieber Darius, wir brauchen eine Waffe, die stark genug ist, um unsere Sicherheit gegen alle Angriffe zu gewährleisten, ganz gleich, woher sie auch kommen mögen. Zum Glück gibt es solche Waffen, nun da das Arsenal wieder geöffnet wurde.«
Darius warf Blays einen scharfen Blick zu. »Denken Sie etwa daran, die Schwerter der Hölle zu stehlen?«
»Genau.«
Darius starrte in sein Weinglas. »Das Curtana ist schlimm genug, Blays. Ich glaube nicht, dass ich einem Mann trauen würde, der einmal eine dieser verdammten Klingen geschwungen hat. Diese Schwerter sind das Böse schlechthin.«
»Für solche Bedenken ist es etwas zu spät, Darius. Sehen Sie sich doch um! Von sämtlichen Burgbewohnern wagen es gerade dreihundert, uns offen zu unterstützen. Es müssten fünfmal so viele sein. Trotz allem, was sich in jüngster Zeit ereignet hat, halten die meisten Höflinge dem König die Treue – oder fürchten zumindest seinen Zorn mehr als den unseren. Wir brauchen sämtliche Waffen, deren wir habhaft werden können, einschließlich der Schwerter der Hölle. Jetzt müssen wir hart bleiben, Darius.«
Darius hob sein Glas und trank es leer, ohne Blays anzusehen. Als er es schließlich absetzte, um zu antworten, klang seine Stimme kühl und ruhig. »Nun gut, Sir Blays. Aber ich werde keine dieser Klingen in die Hand nehmen – nicht einmal dann, wenn man mir den Thron oder das ganze Waldkönigreich in Aussicht stellt!«
»Ich hatte nie beabsichtigt, Ihnen eines der Schwerter auszuhändigen«, entgegnete Blays.
Darius starrte ihn einen Moment lang an. Dann verneigte er sich steif und entfernte sich. Sir Guillam und Sir Bedivere schlenderten herbei und gesellten sich zu Sir Blays.
»Besonders glücklich sieht der ehrenwerte Lord Darius nicht aus«, sagte Guillam mit einem unangenehmen Lächeln.
»Ich hoffe doch sehr, dass er uns keine Schwierigkeiten machen wird.«
»Darauf können Sie sich verlassen«, erwiderte Blays kurz angebunden. Der Landgraf machte sich nicht die Mühe, seine Verachtung zu unterdrücken. Er musste zwar mit Guillam zusammenarbeiten, doch das hieß nicht, dass er den Mann mochte. Genau genommen war Sir Guillam ein ausgesprochener Widerling. Wenn ihn die Barone nicht fest in ihre Pläne einbezogen hätten… Blays seufzte bedauernd und zuckte gleich darauf zusammen, als er die gierigen Blicke sah, mit denen Guillam die hübscheren unter den anwesenden Damen verfolgte.