»Natürlich. Und die Wachposten haben ihre Order. Keiner verlässt lebend diesen Raum, solange ich nicht mein Einverständnis gegeben habe. Das Komplott ist so weit gediehen, dass wir jetzt keinen Verrat mehr riskieren können. Viele Köpfe würden rollen.«
Cecelia nickte sachlich und begann auf einmal zu frösteln.
Sie streckte die Hand nach Darius aus, doch der hatte sich umgedreht und beobachtete seine Gäste. Cecelia stand auf und trat neben ihn. Die Tänzer standen etwas unsicher auf den Beinen, machten jedoch durch Begeisterung wett, was ihnen an Geschick und Rhythmusgefühl fehlte. Der Lärmpegel schwoll an, und das Gelächter wurde rauer und ausgelassener.
»Der Wein geht allmählich zur Neige«, sagte Cecelia.
»Wann beginnen wir mit der Demaskierung?«
»Bald, meine Liebe, bald. Wir dürfen nichts überstürzen.
Das Vertrauen in uns und unsere Sache muss sich noch etwas festigen. Wenn ich glaube, dass sie so weit sind, gebe ich dir ein Zeichen, und wir nehmen beide die Masken ab. Das bricht vermutlich das Eis, und die anderen folgen unserem Beispiel.«
»Und wenn nicht?«, fragte Cecelia ruhig. »Wenn es uns nicht gelingt, sie zu überzeugen?«
»Es muss gelingen«, erwiderte Darius ebenso ruhig.
»Sonst sind wir diejenigen, die diesen Raum nicht lebend verlassen.«
Julia ging forschen Schrittes durch den hell erleuchteten Gang und rieb sich geistesabwesend die schmerzenden Knöchel. So ein alberner Wachposten glaubte doch nicht im Ernst, dass er ihr vorschreiben konnte, welchen Korridor sie benutzen durfte und welchen nicht. Zweifellos würde er seinen beleidigenden Tonfall bereuen, wenn er wieder zu sich kam. Julia grinste und blieb dann unvermittelt stehen, um zu horchen. Sie hätte schwören können, dass da etwas war…
Sie drehte sich um und spähte den Korridor entlang, aber nichts bewegte sich in den Schatten zwischen den Wandfackeln. Mit einem Achselzucken setzte sie ihren Weg fort. Der Gang machte einen Knick.
Julia bog rasch um die Ecke und prallte erschrocken zurück, als plötzlich ein bewaffneter Wachsoldat aus einer Türnische trat. Ihre Hand zuckte zum Schwert, doch dann erkannte sie den Mann und entspannte sich ein wenig.
»Bodeen! Was tun Sie denn hier?«
»In erster Linie bin ich am Verdursten, Prinzessin.« Der untersetzte Soldat senkte sein Schwert und schob es in die Scheide. »Seit drei Stunden schiebe ich hier Dienst und sehne mich nach einem Becher mit heißem Würzbier, der mich ein wenig aufwärmt.«
»Es ist schon ein hartes Leben bei der Burgwache«, meinte Julia lachend. »Was genau bewachen Sie eigentlich?«
»Ach, so einen Ball«, erwiderte Bodeen. »Eine private Fete, die Lord Darius für Freunde gibt. Ich wusste nicht, dass Sie auch eingeladen waren, Prinzessin. Sie scheinen mir nicht der Typ dafür zu sein.«
»Gut beobachtet.« Julia lachte. »Ich wollte auch nur kurz vorbeischauen, um Harald zu ärgern.«
»Prinz Harald?«, fragte Bodeen. »Ich glaube nicht, dass er sich da drinnen aufhält. Hier zumindest ist er nicht vorbeigekommen.«
»Hm.« Julia runzelte die Stirn. Sie war sicher, dass sie der Wegebeschreibung des Dieners genau gefolgt war… Diese verdammte Burg mit ihren Labyrinthen. Zum Henker damit.
»Weshalb sind Sie überhaupt noch hier, Bodeen? Mit den Juwelen, die Sie im Schatzhaus eingesteckt haben, hätten Sie Ihren Abschied nehmen und sich irgendwo eine Taverne kaufen können.«
»Das dachte ich auch«, erwiderte Bodeen grimmig. »Leider zwang mich der König, alles, was ich gefunden hatte, an den Seneschall abzuliefern.«
»Aber doch nicht alles?«
»Alles, Prinzessin, bis zur letzten Goldmünze. Zum Weinen, nicht wahr? Die vielen schönen Steine… Ich meine, der König hat so viele, dass ihn die paar Klunker nicht arm gemacht hätten. Und schließlich wären seine Schätze für immer verloren gewesen, wenn Sie und ich sie nicht gefunden hätten. Na, ich habe meine Lektion jedenfalls gelernt. Man kann den hohen Herrschaften nicht trauen. Nicht mal dem eigenen König.«
»Aber… bekamen Sie nicht wenigstens eine Belohnung für die Wiederentdeckung des Südflügels?«
»Das gehört zu meinen Pflichten, Prinzessin. Dafür kriege ich zwei Silberdukaten die Woche.«
»Ich fasse es nicht!«, erregte sich die Prinzessin. »Da muss ich wohl ein Wörtchen mit dem König reden.«
Bodeen zog eine Augenbraue hoch. »Ich hatte keine Ahnung, dass er auf Sie hört.«
»Ihr Einwand lässt sich nicht von der Hand weisen«, sagte Julia trocken. »Aber es ist zumindest einen Versuch wert.«
»Vielleicht. Jedenfalls danke ich Ihnen, Prinzessin.«
»Ich werde tun, was ich kann. Aber jetzt will ich erst mal die Party von Darius stören. Soll ich Ihnen was zu trinken herausbringen?«
»Klingt nicht schlecht, Prinzessin. Aber wenn Sie keine Einladung haben, darf ich Sie nicht einlassen.«
»Nun kommen Sie schon, Bodeen! Sie können einen Moment lang wegschauen. Ich verrate Sie auch nicht.«
»Ich stecke bis zum Hals in Schwierigkeiten, Prinzessin, und kann mir keine neuen Probleme aufladen. Danke für das Angebot, aber es bleibt bei meinem Nein!«
»Bodeen…«
»Gehen Sie aus dem Weg, Julia!«
Julia fuhr herum und sah König Johann an der Korridorbiegung stehen, den Blick entschlossen auf Bodeen gerichtet.
Hinter dem König drängte sich eine ganze Kompanie von Bewaffneten, alle in den rotgoldenen Farben der Königlichen Garde.
»Machen Sie Platz, Julia«, sagte der König. »Sie wollen doch nicht, dass Ihr Kleid Blutspritzer abbekommt, oder?«
Prinz Harald schlenderte zur Punschterrine und füllte sein Glas nach. Ohne den Punsch hätte er das Fest kaum ertragen.
Er setzte sich auf die Kante des Büfett-Tisches und starrte düster in die Runde, während er ein Bein in der Luft baumeln ließ. Nun, da Darius und Cecelia demonstrativ ihre Masken abgenommen hatten, folgten andere zögernd ihrem Beispiel.
Obwohl die Gäste im Lauf des Abends an Selbstvertrauen gewonnen hatten, waren die Gesichter, die unter den Masken zum Vorschein kamen, gerötet von Verlegenheit und zu viel Wein, und das Lachen klang gezwungen und rau. Harald lächelte säuerlich und nippte an seinem Punsch. Verrat war selbst in guten Zeiten keine leichte Sache. Er streckte sich unauffällig. Das Fest zog sich für seinen Geschmack schon viel zu lange hin. Er hatte genug von den Höflingen und Händlern, von den adligen Damen und Herren und ihren Versprechen für den Fall, dass er König wurde. Und von all den Bitten um Protektion und Beförderung, die man an ihn herantrug. Harald grinste plötzlich.
Er hatte ein paar Überraschungen für die Herrschaften bereit.
»Prinz Harald – könnten wir Sie kurz sprechen?«
Harald schaute auf und nickte den drei Landgrafen kurz zu. »Natürlich, Sir Blays. Schließlich ist es Ihr Fest so gut wie meines. Was kann ich für Sie tun?«
»Wir erwarten Ihre Entscheidung«, erklärte Guillam mit einem unangenehmen Lächeln. »Und wir müssen darauf bestehen, dass Sie uns nicht länger im Unklaren lassen!«
Harald sprang mit einer eleganten Bewegung vom Tisch und trat dicht vor den Landgrafen, die Hand am Schwertgriff.
»Wenn Sie mir gegenüber noch einmal auf etwas bestehen, edler Landgraf«, sagte er ruhig, »dann schneide ich Ihnen das Herz aus dem Leib!«
Guillam lief rot an, und Blays trat rasch vor, um sich zwischen ihn und den Prinzen zu stellen.
»Ich bin sicher, dass Sir Guillam Sie nicht kränken wollte, Sire. Nur läuft uns allmählich die Zeit davon. Die Demaskierung hat begonnen, und das Fest neigt sich dem Ende zu. Sie wissen ebenso wie wir, dass die Gefahr für uns wächst, je länger wir hier bleiben. Falls man uns zufällig hier zusammen sieht, dürfte es schwer fallen, dafür eine harmlose Erklärung zu finden.«
Harald lachte. »Sie haben ein Talent zur Untertreibung, Sir Blays.«