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»Noch ein Schritt, und sie stirbt!«

»Bleiben Sie stehen!«, schrie der König seinen Leibwächter an. Der Mann gehorchte. König Johann trat näher.

»Bis hierher und nicht weiter!« Bodeen drückte die scharfe Klinge leicht an Julias Kehle. Sie spürte, dass ihre Haut aufplatzte und Blut in den hohen Kragen ihres Oberteils sickerte.

Der König hielt ebenfalls inne. Julia versuchte so flach wie möglich zu atmen.

»Lassen Sie sie los!«, befahl der König.

»Ich denke nicht daran«, erwiderte Bodeen ruhig. »Sie ist meine Lebensgarantie. Ich werde mich jetzt durch diesen Korridor zurückziehen, und Sie werden nichts dagegen unternehmen. Denn sobald Sie mich angreifen, werden Sie Julias Vater zur Beerdigung einladen müssen.«

Julia versuchte ihren Arm aus dem brutalen Griff zu entwinden, aber Bodeen drehte ihn sofort noch stärker nach hinten. Ihr Kopf bewegte sich unwillkürlich, als sie einen Schmerzensschrei ausstieß, und weiteres Blut rann ihr die Kehle entlang.

»Halten Sie still, Prinzessin«, keuchte Bodeen. »Ich will Sie nicht verletzen, aber ich werde es tun, wenn Sie mich dazu zwingen.«

Er meint es ernst, dachte Julia in Panik. Er meint es wirklich ernst.

König Johann bedeutete seinen Gardesoldaten, sich nicht von der Stelle zu rühren, und starrte Bodeen wütend an. »Also gut, Verräter! Sie diktieren die Bedingungen!«

»Zuerst legen alle ihre Schwerter ab«, erklärte Bodeen ungerührt. »Dann werden Julia und ich einen kleinen Spaziergang unternehmen. Ich muss ein paar Leute warnen. Und falls mir jemand folgen sollte, Sire, schneide ich der jungen Dame die Kehle von einem Ohr zum anderen durch.«

Julia rammte mit voller Wucht ihren Hinterkopf gegen Bodeens Gesicht. Sein Nasenbein knirschte, er stieß einen Schmerzensschrei aus und lockerte einen Moment lang seinen Griff. Julia stieß ihm den Ellbogen in die Rippen, tauchte unter der bedrohlichen Klinge weg und riss sich los, während Bodeen das Gleichgewicht wieder zu finden versuchte. Er fuchtelte blindlings mit dem Schwert umher, und Julia warf sich zur Seite. Die Waffe pfiff an ihrem Gesicht vorbei. Mit einem Ruck riss Julia ihr Schwert aus der Scheide, während sie mechanisch in Angriffsstellung ging. Bodeen schüttelte den Kopf, immer noch ein wenig benommen. Er ging erneut mit dem Schwert auf sie los. Metall klirrte auf Metall, als sie seinen Hieb parierte, und dann schlug sie seine Waffe zur Seite und traf ihn dicht unter dem Herzen. Einen Moment lang schien die Szene wie erstarrt: Julia mitten im Ausfallschritt und Bodeen, der verständnislos das Schwert ansah, das seine Brust durchdrang. Dann versuchte er die Waffe zu heben, aber ein Blutschwall kam aus seinem Mund, und er sank schlaff in sich zusammen. Der König und seine Männer wollten sich auf ihn stürzen, aber Julia winkte sie zurück. Sie löste das Schwert aus Bodeens Brust und kniete neben ihm nieder. Er verzog die blutverschmierten Lippen zu einem schwachen Grinsen.

»Ich hatte vergessen, wie gut Sie kämpfen können«, murmelte er. »Verdammt! Verdammt! «

»Hätten Sie mich wirklich umgebracht?«, fragte Julia.

»Ich weiß nicht«, sagte Bodeen undeutlich. »Wahrscheinlich.«

»Warum?«, erkundigte sich Julia traurig. »Warum haben Sie den König verraten?«

Bodeen lachte mühsam. »Die Barone bezahlten mir mehr.«

Und damit starb er.

Julia schaute auf, als ihr König Johann sacht eine Hand auf die Schulter legte. »Kommen Sie, Julia. Es ist vorbei. Einer meiner Männer wird Sie zu Ihren Gemächern zurückbringen.«

»Es ist noch nicht vorbei«, entgegnete Julia. Sie stand auf und sah König Johann ruhig an. »Ich will die Männer kennen lernen, die meinen Freund gekauft haben.«

»Sie sollten sich da besser heraushalten«, riet ihr der König. »Es ist im Grunde nicht Ihre Angelegenheit.«

Julia fuhr sich mit der Hand über die Kehle und zeigte König Johann das Blut an ihren Fingern. »Wirklich nicht?«

Der König schaute sie einen Moment lang an und wandte dann den Blick ab. »Also gut. Aber kommen Sie uns nicht in die Quere. Das Ganze wird nicht sonderlich angenehm sein.«

»Angenehm ist Verrat nie«, sagte Julia und wischte sich die blutverklebten Finger an den Beinkleidern ab.

Der König gab seinen Leuten ein Zeichen, und die Gruppe marschierte zielstrebig den Korridor entlang in den Ostflügel.

Immer wieder entdeckten die Männer des Königs gegnerische Posten, die in den Gängen Wache hielten, aber es gab kaum Widerstand. Einige versuchten beim Anblick der Garde zu fliehen und wurden überwältigt; die meisten jedoch ergaben sich kampflos. Schließlich bog die Truppe um eine Ecke und gelangte an ein verschlossenes Portal, vor dem zwei Wachposten standen. Der König beobachtete wortlos, wie sie entwaffnet und zur Seite gezerrt wurden, und nickte dem Gardekommandanten kurz zu. Der Offizier verneigte sich formell, trat einen Schritt vor und hämmerte mit der eisengeschützten Faust gegen die Tür.

»Macht auf – im Namen des Königs!«

Chaos breitete sich im Saal aus. Die Gäste rannten wie aufgescheucht hin und her, stießen Flüche und Schreie aus und zückten ihre Schwerter und Dolche. Einige setzten hastig ihre Masken auf, als könnten ihnen die dünnen Larven Schutz bieten. Tische kippten um, als die Menge blindlings hierhin und dorthin lief, und die Leute, die im Gewühl stürzten, wurden rücksichtslos niedergetrampelt. Lord Darius bemühte sich verzweifelt, die Panik zu unterdrücken, aber seine Stimme ging im Lärm unter. Cecelia, deren Gesicht spitz und weiß vor Entsetzen war, umklammerte seinen Arm, aber Darius nahm sie überhaupt nicht wahr. Gregory versuchte sich zu ihr durchzukämpfen, aber er kam in der Menge kaum vom Fleck.

Die drei Landgrafen starrten einander an.

»Die Büchertür im Arbeitszimmer von Darius«, sagte Blays. »Wir fliehen durch den Geheimgang und dann…«

»Und dann was? « Guillam lief der kalte Angstschweiß in großen Tropfen von der Stirn. »Man hat uns verraten! Der König wird uns alle hinrichten lassen!«

»Dazu muss er uns erst fangen«, fauchte Blays. »Reißen Sie sich zusammen, Mann! Sie sind schließlich Schwertmeister, oder? Wir müssten notfalls in der Lage sein, uns den Fluchtweg freizukämpfen, wenn Sie nicht die ganze Zeit über mit Ihren Fähigkeiten maßlos übertrieben haben. Nun beruhigen Sie sich und denken Sie nach! Das Portal besteht aus massiver Eiche und wird durch zwei schwere Riegel gesichert. Die Männer des Königs brauchen mindestens eine Stunde, um es aufzubrechen, und bis dahin sind wir längst verschwunden. Wir müssen lediglich unbemerkt zu den Ställen gelangen. Dann haben wir die halbe Strecke zur Eichengrund-Domäne zurückgelegt, ehe der König überhaupt merkt, dass wir uns nicht mehr auf der Burg befinden. Und sobald wir uns im Bergfried meines Herrn verschanzt haben, kann niemand mehr Hand an uns legen.«

»Wo ist Harald?«, fragte Bedivere plötzlich.

Die drei Landgrafen spähten hastig umher, aber Harald war verschwunden. Das hohe Portal erzitterte erneut unter einem herrischen Pochen, und die gleiche Stimme wie zuvor forderte im Namen des Königs Einlass. Händler und Höflinge hatten kleine Gruppen gebildet und die Waffen gezogen. Die adligen Damen und Herren traten ebenfalls zusammen, sichtlich um Würde bemüht. Das Panik- und Zorngeschrei verebbte und wich trotzigem Gemurmel oder gespielter Tapferkeit.

Und dann wurde es im Saal totenstill, als ein neuer Laut das leise Stimmengewirr übertönte – das unverkennbare Geräusch eines schweren Eisenriegels, der zurückgezogen wurde. Als sich die Aufmerksamkeit der Verschwörer auf das Portal richtete, sahen sie gerade noch, wie Prinz Harald den zweiten Riegel löste und dann lässig die Tür öffnete. König Johann nickte seinem Sohn ruhig zu, während er den Saal betrat, umgeben von der Königlichen Garde. Harald entdeckte Julia inmitten der Wachen und zog fragend die Augenbrauen hoch, schüttelte jedoch den Kopf, als sie etwas sagen wollte. Julia nickte verständnisvoll. Für Erklärungen war später noch Zeit genug. Der König überschritt die Schwelle, und die Verschwörer wichen schweigend zurück, bis nur noch Darius, Cecelia und Gregory vor ihm standen. Darius sah Harald an, der am Türpfosten lehnte und traurig den Kopf schüttelte.