Выбрать главу

Die Dämonen hatten ihn fast erreicht, und die Schritte des Einhorns wurden immer schleppender. Rupert widerstand dem überwältigenden Drang, einfach umzukehren und zurück in die Finsternis zu reiten, um sein Schwert niedersausen zu lassen, bis er in Dämonenblut ertrank. Lieber im Kampf sterben als auf der Flucht! Der Impuls verflog so rasch, wie er aufgetaucht war, und der Prinz hieb mit einem grimmigen Lachen einen Angreifer entzwei, der die Klauen nach ihm ausstreckte. Er war nicht bis hierher gekommen, um sein Leben für eine Geste wegzuwerfen. Er hatte den Dunkelwald überwunden, um den Zauberer aus dem Schwarzen Turm zu holen, und nun kehrte er heim, und wehe dem, der ihn aufzuhalten wagte!

Das Einhorn stolperte weiter, Schritt für Schritt. Ruperts Schwertarm hob und senkte sich gleichmäßig und metzelte die Angreifer nieder. Die Burg kam langsam näher… aber die Dämonen gaben nicht auf. Vierzig Meter. Dreißig. Fünfundzwanzig. Wir könnten es doch noch schaf f en, dachte Rupert. Wir könnten es ganz knapp schaf f en! Gespenstische, verzerrte Gesichter tauchten bedrohlich aus der Dunkelheit ringsum. Er hieb mechanisch mit dem Schwert auf sie ein.

Ein schwerfälliges Pochen klang irgendwo weit hinter ihm auf; ein träger, dumpfer Laut wie das Schlagen eines gigantischen Herzens. Anfangs hielt der Prinz das ferne Geräusch für Donnergrollen. Doch dann erbebte der Boden im Takt zu dem tiefen Bassrhythmus, und er erkannte, dass sich etwas unbeschreiblich Großes und Schweres langsam durch den Dunkelwald hinter ihm heranwälzte. Rupert wagte einen raschen Blick über die Schulter, doch das undurchdringliche Dunkel nahm ihm die Sicht. Und dann spürte er, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten, als ein grausiger, halb erstickter Schrei die lange Nacht zerriss; ein ohrenbetäubendes Geheul, erfüllt von Hass und unvorstellbarer Wut. Der Boden bebte stärker, je näher die Kreatur kam. Das Gefühl einer uralten, bösen Macht breitete sich aus. Rupert dachte an den großen weißen Wurm, den er in der Kupferstadt bekämpft hatte, und trieb das Einhorn zur Eile an.

Plötzlich zerschnitt gleißendes Licht die lange Nacht, und die Finsternis wich zurück, als der Große Zauberer endlich seine Kräfte freisetzte. Bäume wurden entwurzelt und zur Seite geschleudert. Dämonen starben, die Mäuler weit aufgerissen, von einer unsichtbaren Macht zu Boden gepresst, bis jegliches Leben aus ihnen gewichen war. Die Erde hob und senkte sich wie eine Riesenwoge, als die Magie des Zauberers über sie hinwegstrich, und tief in ihrem Schoß schrie ein Riesengeschöpf vor Angst und Schmerz laut auf. Rupert erschauerte, als die faulig stinkende Luft zu pulsieren begann und die Kräfte des Zauberers ungezähmt und unaufhaltsam in die Dunkelheit flossen. Es steckte eine wilde Urgewalt in der Magie, die der Große Zauberer auf die Welt losgelassen hatte, eine Energie, die nur von seinem Willen in Zaum gehalten wurde. Sie brodelte und knisterte in der Luft, zerstörte alles ringsum, und doch wusste Rupert, dass der Zauberer sie so meisterlich beherrschte, dass sie nicht auch die Burg und den Wald mit allem, was sich darin befand, in einer großen Orgie der Gewalt vernichtete. Die Dämonen flohen ins Dunkel, und die Magie folgte ihnen. Rupert senkte das Schwert, und das Einhorn fiel in einen stolpernden Trab, als es merkte, dass der Weg zur Burg endlich frei war. Der Zauberer schwebte ein Stück hinter ihnen, sacht schaukelnd, als wiegten ihn Winde, die nur er spürte.

Rupert schwankte im Sattel, als der Bergfried plötzlich vor ihm aufragte, und er wusste, dass er seine letzten Kräfte verausgabt hatte. Er krampfte die Finger um den Schwertgriff, damit ihm die Waffe nicht aus der Hand glitt. Im gleichen Moment schoss ein behaartes, vierbeiniges Ding aus dem Dunkel und ließ sich auf den Nacken des Einhorns fallen. Das Tier geriet ins Stolpern und wäre um ein Haar gestürzt. Der Dämon klammerte sich an der Mähne fest. Sein Gewicht zwang das Einhorn fast zum Stehenbleiben. Dünne Blutfäden rieselten über seinen Hals, als ihm der Angreifer die Klauen tief ins Fleisch bohrte. Das Einhorn bäumte sich auf und schüttelte in wilder Panik den Kopf, als der Dämon ihm die Augen auszukratzen versuchte.

Rupert hatte Mühe, im Sattel zu bleiben, und hieb mit dem Schwert auf das Monster ein. Die Klinge durchtrennte den Dämon, aber kein Blut floss aus dem breiten Schnitt, und noch während Rupert hinsah, schlossen sich die Ränder, und die Wunde verschwand spurlos. Der Prinz hob das Schwert zum nächsten Hieb, und der gedrungene Leib des Angreifers verwandelte sich zuckend in ein Schlangenwesen, das den Nacken des Einhorns entlang auf Rupert zufloss. Es hinterließ eine Spur winziger Blutpunkte auf der fahlweißen Haut des Einhorns, so als bewege es sich mit hunderten messerscharfer Saugnäpfe fort. Irgendwie wankte das Einhorn weiter, schrill wiehernd und halb wahnsinnig vor Entsetzen und Schmerzen.

Rupert zielte sorgfältig, um das Einhorn nicht zu treffen, aber seine Schwerthiebe vermochten dem Ungeheuer nichts anzuhaben. Ständig stülpten sich ungleiche Arme und Beine aus seinem behaarten Leib und schnellten wieder zurück. Rupert spießte das Ding von einem Ende zum anderen auf, und es floss die Klinge entlang, um mit einem Dutzend knochiger Hände nach seinem Schwertarm zu greifen. Seine Berührung brannte wie ätzende Säure. Über einem geifernden breiten Maul mit hunderten von scharfen Zähnen saßen zwei grünlich gelbe Augen, die Rupert anstarrten. Er stieß einen wilden Fluch aus und schlug mit der tauben linken Hand nach dem Monster. Die Finger versanken dicht über den Augen tief in dem Fleisch des Widersachers und schlossen sich unerbittlich. Der Dämon versuchte sich loszureißen, aber Rupert achtete nicht auf den Schmerz, der ihm wie Feuer durch den Arm lief, und stieß die Hand immer tiefer in das Fleisch des Dämons. Seine Finger erwachten plötzlich wieder zu Leben.

Nackte Pein tobte durch seinen Körper, aber jenseits der Schmerzen spürte er, dass etwas Weiches, Nachgiebiges in seiner Hand pulsierte: das Herz des Dämons. Das Monster ließ seinen Schwertarm los und versuchte ihm an die Kehle zu fahren, das geifernde Maul weit aufgerissen. Rupert lachte und schleuderte den Angreifer mit letzter Kraft zu Boden, dicht vor die Läufe des Einhorns, das ihn unter schrillem Wiehern niedertrampelte. Endlich blieb der Dämon reglos liegen, und das Einhorn raste in blinder Hast auf die Burg zu.

Der eisbedeckte Burggraben lag dicht vor ihnen, und Sekunden später trommelten die Hufe des Einhorns laut über die alten Holzbohlen der Zugbrücke. Rupert schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu ordnen. Er hatte nicht mitbekommen, dass die Zugbrücke heruntergelassen worden war. Der Champion befand sich bereits im Bergfried und hämmerte nun mit der eisenbewehrten Faust gegen das verschlossene Innentor.

Langsam schwangen die schweren Flügel auf. Rupert ritt in den Torturm und zügelte das Einhorn; er wartete ungeduldig darauf, dass sich der Türspalt weit genug öffnete, um ihn mit seinem Reittier durchzulassen. Hinter sich hörte er schwere Schritte. Er warf einen Blick über die Schulter. Zehn Gardesoldaten näherten sich langsam der Zugbrücke, wankend vor Erschöpfung. Die zerfetzten Reste ihrer Kettenpanzer waren blutbespritzt, aber jeder von ihnen umklammerte ein Schwert.

Der Große Zauberer schwebte langsam hinter ihnen; die magischen Kräfte, die in schimmernden Wellen von ihm ausströmten, beugten die hohen alten Bäume, als peitsche sie ein Sturmwind. Dämonen lagen zuckend am Boden, getroffen von der Wucht seiner Magie, und ihre missgestalteten Leiber schmolzen und versickerten im Erdreich. Der Champion rief Rupert zu, er solle endlich kommen, und das Einhorn stolperte vorwärts. Er hob sein Schwert drohend gegen die Finsternis und ritt durch das Torhaus in die Sicherheit des Burghofs.