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Stasj begann leise zu lachen.

»Tikkirej, ich kenne dich durch und durch«, äußerte Ada und lachte herzlich. »Du — bist ich. Ich war ein kleiner Junge, ich war ein kleines Mädchen. Ich war Hunderte kleiner Mädchen und Jungen. Ich erinnere mich an mich selbst in deinem Alter. Alle deine Reaktionen sind vorhersehbar. So wie sich in einem bestimmten Alter jedes Kind einem erwachsenen Menschen anschließt, ihn blind kopiert, nachahmt, vergöttert. Aber trotzdem… warum verteidigst du die Phagen dermaßen?«

»Es kann schon sein, dass auch sie lügen«, gab ich zur Antwort. »Vielleicht haben sie sich mir gegenüber nicht gut verhalten. Aber…«

»Aber…?«, fuhr Schnee interessiert fort. »Aber Stasj ist dein Freund? Geht es nur darum?«

»Nicht nur. Die Phagen lügen ebenfalls, schämen sich aber dafür. Sie jedoch nicht.«

»Das nennt sich Pharisäertum, Tikkirej Frost, Heuchelei. Schlechte Taten vollbringen und sie bereuen.«

»Und dasselbe machen und nicht bereuen, das nennt man Gemeinheit!«

»Was ist gemein an der Tatsache, dass die Malocher eine neue Ideologie an Stelle einer anderen bekamen?«

»Dass Stasj von Menschen niemals als Malochern sprach.«

Ada Schnee schaute auf Alla Neige. Als ob eine Welt für sie zusammengebrochen wäre.

»Tikkirej«, begann Neige. »Du bist aufgeregt und durcheinander, aber versteh bitte…«

»Ich bin kein bisschen durcheinander«, erwiderte ich. »Im Augenblick bin ich völlig ruhig. Ich schaue Sie an und freue mich nicht, zu Ihnen zu gehören«

»Es ist unmöglich, dass du nicht auf unserer Seite stehst«, sagte einer der Männer und trat einen Schritt vor. »Tikkirej, vielleicht fällt es dir schwer, diese alten Weiber zu verstehen.« — Ada schnaubte ärgerlich — »Aber mich musst du doch verstehen. Wir sind gleich. Völlig identisch. In der Kindheit haben wir beide Milchreis gehasst und uns vor der Dunkelheit gefürchtet…«

»Ich hatte keine Angst vor der Dunkelheit«, meinte ich. »Kein bisschen. Vielleicht als ganz kleines Kind, aber dann hat mir Mama von der Sonne erzählt und dass immer irgendwo Licht ist. Ich wusste, dass Dunkelheit nicht auf ewig herrscht, sondern dass sie der Erholung dient.«

Jetzt schauten sich alle vier an. Und ich sprach, dabei völlig vergessend, dass ich eigentlich Gnade für Stasj und Semetzki erbitten wollte:

»Und überhaupt bin ich nicht so wie ihr. Ich bin für radioaktive Planeten modifiziert. Das heißt, dass ich etwas andere Gene habe. Ich hasse euch! Und ihr könnt nicht einmal verstehen, wie sehr und warum! Ihr seid eine Bande verrückter Klone, die beschlossen hat, an die Macht zu kommen. Wenn die Leute erfahren, wer ihr in Wirklichkeit seid, werden sie euch in Stücke reißen. Ihr tut mir direkt leid.«

»Das scheint eine weitere Fehlentwicklung zu sein…«, sagte Neige leise. Sehr leise, aber ich hatte es gehört. Und jubilierte! Ich hätte nie gedacht, dass man sich so über eine Drohung freuen könnte! Das bedeutete, dass sich nicht alle Klone den Verschwörern angeschlossen hatten und dass ich noch wirkliche Klonbrüder und Klonschwestern finden könnte. Normale, die nicht den Wunsch hatten, die Macht zu erobern und Kriege zu entfachen!

Ada Schnee schloss für einen Augenblick die Augen. Die Verwundung hatte sie mitgenommen. Vielleicht litt sie auch daran, dass einer der »Enkel« sich als aus der Art geschlagen erwies.

»Wir werden später darüber entscheiden«, sagte sie hart. »Jetzt befassen wir uns mit den anderen. Dshedai!«

Stasj schwieg.

»Phag!«, berichtigte sich Schnee mit einem Lächeln.

»Ich höre, Frau Schnee«, erwiderte Stasj höflich.

»Du hast deine Chancen, zu entkommen, völlig richtig eingeschätzt, Phag. Sie existieren praktisch nicht«, sagte Schnee, wobei sie das Wort »praktisch« betonte. »Aber mir scheint, dass du vieles nicht bis zum Ende dargelegt hast. Die Verhandlungen, die gegenwärtig geführt werden, sind eine Fiktion. Die Raumschiffe des Imperiums befinden sich auf den Umlaufbahnen unserer Planeten. Es ist nicht nur eine Demonstration ihrer Stärke… Ihr bereitet euch trotz allem auf einen Angriff vor?«

»Woher soll ich das wissen?«, fragte Stasj. »Ich stehe nicht im Dienst des Imperiums. Ich bin immer noch ein Söldner mit romantischen Idealen. Und wenn es mir bekannt wäre, wissen Sie ganz genau, dass ein Phag keinen Verrat üben kann. Ich bin blockiert, genauso wie Ihre operativen Mitarbeiter.«

»Du weißt es«, beharrte Schnee auf ihrer Meinung. »Du weißt es, wir sind davon überzeugt. Und wir helfen dir es auszusprechen, wenn du uns entgegenkommst.«

Stasj fragte interessiert: »Sie werden dabei helfen?«

»Wir gehen davon aus, dass es uns gelungen ist, ein Präparat herzustellen, das die Blockade aufhebt. Erzähle uns, was das Imperium plant, und du wirst am Leben bleiben. Sicher, auf dich wartet die Verbannung auf einen unserer Planeten. Auf einen guten, warmen Planeten.« Schnee lächelte. »Das einfache Leben eines Bauern ist nicht allzu viel für einen ehemaligen Superagenten, aber auch nicht allzu wenig, wenn man die Alternative betrachtet.«

»Welche?«

»Gemäß Urteil des Kriegsgerichts«, Schnee zeigte dabei auf ihre Klone, »seid ihr alle zum Tode verurteilt! Ich schlage vor, dass wir mit dem Mädchen anfangen. Dann die Jungs, dann der Alte. Du kommst zum Schluss.«

»Sie werden Tikkirej nicht hinrichten.«

»Vielleicht.« Schnee nickte. »Ich halte ihn trotz allem nicht für einen hoffnungslosen Fall. Aber alle anderen werden vor deinen Augen sterben.«

»Auf der anderen Seite der Waage sind Millionen Menschenleben«, meinte Stasj. »Millionen Menschenleben und Hunderte Jahre Sklaverei für die gesamte Menschheit.«

»Ich werde das nicht bestreiten«, erwiderte Schnee. »Ich gebe nur zu bedenken, dass diese Millionen irgendwo potenziell existieren. Aber deine Freunde stehen neben dir.«

»Phagen haben keine Freunde.«

»Na ja, du hast dich immer durch Freidenkerei hervorgetan… für einen Phagen. Übrigens, die Hinrichtung ist recht qualvoll. Wir müssen die Mittel nutzen, die wir zur Hand haben, wisst ihr…« Schnee ging zum Rand der Plattform und schaute nach unten. »Dort, im Kessel, befindet sich ein Lösungsmittel für die Klärung der angereicherten Brennelemente. Einen Menschen löst es in zwei, drei Minuten auf… Außerdem wird der Tod vorher durch den Schmerzschock eintreten. Willst du es dir nicht überlegen, Phag?«

Ich blickte zu Lion. Er war weiß wie Schnee. Natascha saß auf dem Schoß ihres Großvaters und hielt seine Hand.

»Ada Schnee, woher kommt diese Neigung zum Sadismus?«, erkundigte sich Stasj. »Du hast die Absicht, Kinder zu foltern?«

»Auf der anderen Seite der Waage sind Millionen Menschenleben«, antwortete Schnee erbarmungslos. »Was planen die Truppen des Imperiums?«

Stasj schwieg.

»Übrigens, wir haben noch eine ganze Partisanenbrigade zur Verfügung«, erinnerte Neige. »Phag, was wirst du machen, wenn vor deinen Augen die Kinder getötet werden?«

»Ihr alten Hexen!«, schrie Semetzki. »Verrückte Weiber! Ihr seid keine Menschen!«

»Selbstmord verüben?«, schlug Stasj vor, als Semetzki aufhörte zu wüten.

»Das glaube ich nicht. Eher wirst du versuchen, sie zu retten. Aber in der Zwischenzeit wird schon jemand gestorben sein. Wäre es nicht besser, für dich und die anderen Gnade zu erlangen? Wir sind bereit, uns mit einer Verbannung für euch alle zufrieden zu geben. Dir ist doch klar, dass Inej, von den Halflingen unterstützt, siegen wird.«

»Die Halflinge werden die Föderation des Inej nicht unterstützen.«

»Warum nicht?«, fragte Schnee scharf.

»Weil in diesem Augenblick die Hauptmutter der Zivilisation der Tzygu erklärt hat, dass sich ihre Zivilisation im Fall des Krieges zwischen der Föderation und dem Imperium an die Seite der Föderation stellt.«

Ich verstand nicht, was das für eine Bedeutung hatte. Aber Semetzki fing an zu lachen und erklärte uns:

»Halflinge und Tzygu werden niemals auf derselben Seite in den Krieg ziehen. In einem Wasserloch können nicht gleichzeitig zwei Hechte satt werden. Diese beiden Rassen zugleich als Verbündete zu haben bedeutet, überhaupt keine Hilfe zu erhalten.«