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Die Erde fing an zu brennen, der Rauch sammelte sich in einer Wolke. Alle feindlichen Flugzeuge fielen vom Himmel, alle ihr Schiffe gingen unter. Die Feinde erschraken und baten um Gnade.

Endlich kamen Alkas Vater und Bruder aus der Gefangenschaft zurück. Und sie lebten besser als zuvor!«

»Das war interessant«, meinte Herbert. »Aber mir wurde es anders gezeigt…«

»Glaubst du, dass es nicht stimmt?«, fragte ich.

»Nein, da wurde auch gesagt, dass Albert die Bombe entwickelt hat. Aber auf eine sehr langweilige Art.«

»Es ist überflüssig, sich etwas Langweiliges anzusehen«, erwiderte ich. Ehrlich gesagt war es mir sehr angenehm, dass ich einem Jungen, der älter war als ich, so gut helfen konnte. Auch wenn er hirnamputiert war…

»Komm, wir sehen uns an, wie die erste Bombe gemacht wurde…«

Ich half Herbert fast eine Stunde, sich in die Grundlagen der Kernphysik einzuarbeiten. Es tat mir überhaupt nicht leid um die aufgewendete Zeit. Herbert ist ja nicht schuld an seinen Problemen.

Die Atombombe war natürlich eine fürchterliche Waffe. AberdasmächtigsteKriegsgeheimnishatteder Wissenschaftler Albert nicht entdeckt. Noch viel schlimmer war jene Waffe, welche die Feinde nicht tötet, sondern sie einer Gehirnwäsche unterzieht und in Verbündete verwandelt. Welche sie dazu bringt, zu vergessen, was passiert und wie es auf der Welt wirklich zugeht, sie dazu zwingt, eine beliebige Lüge zu glauben. Auf eine derartige Waffe war früher niemand gekommen.

»Kommst du jetzt allein klar?«, wollte ich von Herbert wissen.

»Ja. Danke!«

Ich kehrte auf meinen Platz zurück. Sollte er ruhig lernen. Jetzt bekam er einfachere Erklärungen, mit denen er zurechtkommen würde. Ich startete ein neues Tetrisspiel und nahm mir vor, dieses Mal meinen persönlichen Rekord zu brechen. Es kam nicht dazu — die Tür öffnete sich und Natascha schaute in den Klassenraum.

»Grüß dich, Kirill«, rief sie und sah abschätzig zu Herbert. Natascha mochte die Hirnamputierten nicht. »Hast du etwas zu tun?«

»Nein.« Ich klappte schnell meinen Laptop zu. Nataschas Stimme schien so… viel versprechend. So, als ob sie etwas Gutes erfahren hätte.

»Na dann, komm mit!«, erwiderte Natascha und verschwand im Korridor.

»Ich habe versprochen, ihr auch zu helfen… in Mathematik«, flunkerte ich Herbert vor.

»In Ordnung. Auf Wiedersehen!« Herbert rieb sich die Stirn und schaute angestrengt auf den Bildschirm. Warum hatte ich nur gelogen? Ihm war doch egal, ob ich mit Natascha Mathematik lernte oder mit ihr in einer dunklen Ecke herumknutschte.

Also, das mit dem Herumknutschen spukte nur in meiner Phantasie herum. Erstens schien Natascha vergessen zu haben, dass wir uns in den Bergen geküsst hatten. Zweitens stand sie nicht allein im Korridor, sondern mit einem Mädchen ihres Alters.

»Elli«, stellte Natascha das Mädchen vor. Ich kannte sie nicht. Sie kam sicherlich jemanden besuchen. Das gab es zwar nicht oft, kam aber vor.

»Kirill«, nannte ich meinen Namen. Der fremde Name gefiel mir nicht, aber das war nicht zu ändern.

Elli hatte rote Haare, war dünn und lächelte ständig. Sie war sympathisch, nur dass ihre Augen sehr frech und schadenfroh blitzten. Sie trug Hosen und Pullover wie Natascha. Elli gab mir zur Begrüßung die Hand und fragte Natascha:

»Wohin?«

»In den Garten«, schlug Natascha vor.

Es sah ganz so aus, als ob wir über etwas Geheimes reden würden.

WederNataschasDetektorarmbandnochmein Schlangenschwert hatten im Heim Überwachungsanlagen gefunden. Trotzdem bemühten wir uns, alle wichtigen Gespräche draußen zu führen.

Wir gingen durch den Korridor zum Ausgang. Der Wächter saß in seinem Kämmerchen, nackt bis zur Gürtellinie, ließ seine Muskeln spielen und schaute sich bewundernd an. Uns warf er kurz zu: »Draußen regnet es, nehmt einen Schirm!«

Die Schirme in einem Schränkchen an der Tür waren für alle. Ich nahm einen großen Familienschirm mit anderthalb Metern Durchmesser, schob den Reifen über meinen Kopf, setzte ihn auf und zog die Antenne höher. Die Akkus waren fast leer, aber wir wollten uns ja nicht lange draußen aufhalten.

Es regnete wirklich. Der Regen fiel leise, fast lautlos. Der Schirm schaltete sich ein und über meinem Kopf klopften die Regentropfen an ein unsichtbares Hindernis, wobei sie eine Kuppel nachzeichneten. Die Mädchen drängten sich sofort an meine Seite und hakten sich unter. Ich störte mich nicht daran. Ich stand da und schaute in den von Wolken bedeckten Nachthimmel, aus dem der Regen fiel.

Eigentlich war es warm. Aber dieser feine Nieselregen brachte eine ungewohnte Kälte mit sich. Ein komischer Regen.

»Der Herbst beginnt«, sagte Natascha leise. »Der Herbstregen…«

Stimmt! Das war es also! Das war ja mein erster richtiger Herbst! Auf Karijer wechselten die Jahreszeiten fast unmerklich, auf Neu-Kuweit landete ich im Sommer und auf dem Avalon im Winter.

Und jetzt begann auf Neu-Kuweit der Herbst.

»Schneit es hier?«, erkundigte ich mich.

»Nein, wohl kaum«, erwiderte Natascha.

»Hier ist ein anderes Klima, der Winter ist regnerisch und kühl. Etwas über null Grad. Das ist gut, unsere Leute in den Bergen haben es auch so schon schwer.«

Erschreckt sah ich zu Elli.

»Sie gehört zu uns, zum Widerstand«, beruhigte mich Natascha.

»Hm.« Elli lächelte. »Du bist doch Tikkirej, stimmt’s?«

»Ja.«

»Und ich bin wirklich Elli.«

Wir gingen weiter in den Garten hinaus, bis wir zu einem schiefen Holzpavillon kamen. Daneben leuchtete matt eine Laterne, und es war gut zu übersehen, dass niemand in der Nähe war.

»Hier ist der passende Platz für ein Gespräch«, entschied Elli. Sie gab sich sehr selbstbewusst, als ob sie die Hauptperson wäre.

Wir gingen in den Pavillon und setzten uns auf eine Bank. Der Schirm analysierte die Situation und schaltete sich aus. Dabei überschüttete er uns mit Wassertropfen. Elli lachte.

»Blöde Technik«, meinte ich.

»Jede Technik ist blöd«, stimmte Elli zu. »Ist bei euch alles in Ordnung, Tikkirej?«

»Ja. Und wer bist du?«

»Ich komme vom Avalon.«

»Beweise es!«, forderte ich. Nicht, dass ich es nicht glaubte, mir missfiel jedoch, das sie so herumkommandierte.

»Einen schönen Gruß von Ramon.«

Ich nickte. Wirklich, sie kann ja wohl kaum Dokumente bei sich führen.

»Alles klar. Wie geht es Tien?«

»Tien? Gut. Berichte von Anfang an, Tikkirej!«

Mir gefiel dieses Wort nicht. »Berichte« … Ein Mädchen, ein »Gepäckstück«, aber rumkommandieren…

»Wir sind wie vorgesehen gelandet. Die Kapsel ist getaut, alles wie geplant. Wir entschlossen uns, im See zu baden, dort haben uns die ›Schrecklichen‹ gefangen genommen.«

Natascha lächelte stolz.

»Wir verbrachten einen Tag bei ihnen«, fuhr ich fort. »Aber Natascha kann das besser erzählen!«

»Vorerst berichtest du!«, verfügte Elli.

»Dann brachte uns Natascha mit einem Jetski nach Mendel. Wir hielten ein Auto an und wurden zum Motel mitgenommen. So kamen wir zu Lions Eltern… Und die schickten uns am nächsten Tag in das College Pelach. Ich hatte mich schon gewundert über diese Wohltätigkeit, dort war alles vom Feinsten…«

»Das ist bekannt. Weiter!«

»Am Abend schlich sich Natascha ins College. Sie berichtete, dass sich das Ministerium für Verhaltenskultur für uns interessierte. Am Morgen sind wir dann abgehauen und Natascha hat uns hierhergeführt. Und so verstecken wir uns hier schon den vierten Tag.«

Elli nickte.

»Alles klar. Konntet ihr irgendetwas Wichtiges erfahren?«

»Na ja…« Ich wand mich. »Uns kommt es so vor, als ob Inej das Imperium provozieren würde. Wenn die Armee zuschlägt, dann hofft Inej auf die Hilfe der Fremden. Sicher gibt es eine geheime Übereinkunft, mit den Halflingen zum Beispiel.«

»Ich verstehe.« Elli dachte nach. »Wahrscheinlich kommt der Imperator auch von selbst darauf. Aber hat er etwa eine andere Wahl?«