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Es war aber wirklich interessant, etwas über den Schmetterlingspark zu hören. Als die Menschen begannen, Neu-Kuweit zu kolonisieren, lebten hier keine Säugetiere, sondern nur Insekten, Reptilien und primitive Fische. Bald stellte sich heraus, dass die einheimischen Insekten nicht mit Tieren von der Erde zusammenleben konnten. Die Fische starben, als Erdplankton ins Meer gegeben wurde. Daraufhin wurden zwei Naturschutzgebiete eingerichtet — eines auf dem Land und eines im Meer. Sie waren weit von hier entfernt, auf einem anderen Kontinent. Nicht weit von Agrabad errichtete man eine große Kuppel, ähnlich der, unter welcher ich auf Karijer lebte. Dort blieb die ursprüngliche Natur »der vierten Beta Lyra«, also von Neu-Kuweit, erhalten. Einheimische Gräser, Sträucher und Bäume. Einheimische Schmetterlinge, Käfer und Basiliskeneidechsen. Die Schmetterlinge sollen sehr bunt und riesig sein, einige mit einer Flügelspannweite von zwanzig Zentimetern. Und fast alle leuchteten im Dunkeln, weil sie ihre Paarungsrituale in der Nacht abhielten.

»Als ich noch klein war«, erzählte der Fahrer, »bin ich auch gern in den Park gegangen, besonders in der Nacht, wenn es meine Eltern mir erlaubten. Denn wie war es früher, wenn sich die Schmetterlinge zu sehr vermehrt hatten? Du hast eine Lizenz gekauft und konntest mit einem Netz auf sie Jagd machen. Es war natürlich schwer, aber manchmal gelang es uns, einen zu fangen… Ich habe bis heute vier Stück von ihnen. Sehr schöne Exemplare.«

»Und jetzt gibt es das nicht mehr?«, wollte Lion wissen.

»Nein, man hat entschieden, dass das unethisch sei.«

»Schade«, seufzte Lion. »Wir würden auch gern auf die Jagd gehen.«

Und er schaute mich aus den Augenwinkeln an, ob ich seinen Scherz auch gebührend würdigte.

Aber mich machte die bevorstehende Jagd überhaupt nicht froh.

In Wirklichkeit mussten wir nicht in den Park. Aber wir konnten dem Fahrer wohl kaum sagen: »Fahren Sie zum Türkistempel, zum Gästehaus der Regierung. Wir wollen dort spazieren gehen.«

Die Kuppel wurde sichtbar, kaum dass wir die Stadtgrenze hinter uns gelassen hatten. Von weitem erschien sie kleiner, aber ich erkannte sofort, dass es sich um eine Standardkolonialkuppel der Spezifikation 11-2 handelte. Neunhundert Meter im Durchmesser, siebzig Meter hoch. Genau so eine wie unsere Kosmodromkuppel, nur ohne silbrige Schutzschicht gegen Radioaktivität. Ich seufzte, als ich mir unsere Kuppeln, die um sie herum gelegenen Gruben und Täler, die überall herumkriechenden hermetischen Busse vorstellte. Obwohl ich nicht wusste, wonach man sich auf so einem unwirklichen Planeten wie unserem Karijer sehnen könnte.

Ich jedenfalls hatte Heimweh.

»Wollt ihr zum Haupteingang?«, erkundigte sich der Fahrer.

»Ja, bitte!«, antwortete Natascha höflich. Sie übernahm die Rolle der Ältesten. Es war sicherlich ungewöhnlich, dass ein Mädchen das Wort führte, aber der Fahrer wunderte sich nicht darüber. Vielleicht deshalb, weil alle die Präsidentin Inna Snow verehrten?

Das Taxi hielt an der Haltestelle und wir stiegen aus. Die Fahrt war vorab bezahlt worden, der Fahrer winkte uns zu und fuhr fort.

Wir gingen über den Parkplatz, der voller Privatautos und Touristenbusse war. In einem Laden kauften wir Eis, weil das auf Erwachsene eine beruhigende Wirkung ausübt. Wenn ein Jugendlicher einfach so unterwegs ist, wird von ihm irgendein Streich erwartet. Wenn er aber Eis schleckt, sieht man ihn als kleines Kind. Daher beeilten wir uns nicht mit dem Eis. Wir wickelten es nicht ganz aus, die Hüllen hielten es ausreichend kalt und wir würden damit eine ganze Stunde spazieren gehen können.

Um die Kuppel herum verlief ein hundert Meter breiter Sandstreifen, der an vielen Stellen durch Betonwege zerschnitten war. Das war offensichtlich eine Quarantänezone, damit keine Pflanzen von der Erde in die Kuppel gelangen konnten. Danach, hinter dem Sand, befand sich ein entsprechender Streifen grünen Rasens und dahinter grünten Bäume, Hecken und Gärten. Wir nahmen einen dieser Wege.

»Wir gehen rechts um die Kuppel herum«, teilte Natascha leise mit. »Da, bis zu diesem Park. Dort gibt es einen Trampelpfad, dem wir folgen, bis wir das Schild ›Privatbesitz‹ sehen, und biegen dann nach links ab. Wir gehen zum Bach, dann den Bach entlang bis zum Zaun. Um siebzehn null null wird die Alarmanlage an dem Teil des Zaunes, der zum Bach führt, abgeschaltet sein. Um siebzehn Uhr zwölf müssen wir den Zaun überwunden und uns in zwei Minuten einhundert Meter vom Zaun entfernt haben.«

»Ist dort offenes Gelände?«, fragte Lion.

»Ein Park«, erwiderte Natascha kurz. »Dann haben wir zehn Minuten Pause. Wir verstecken uns im Springbrunnen und lassen die Patrouille durch.«

»Was ist das für ein Springbrunnen?«, interessierte ich mich.

»Woher soll ich das wissen? Elli meinte, dass wir den Springbrunnen sehen würden. Wenn die Patrouille vorbeigegangen ist, rennen wir zur Villa, zum Diensteingang. Wir schleichen uns hinein und verstecken uns auf der ersten oder zweiten Etage. Das interne Alarmsystem ist auf Wunsch Bermannsabgeschaltet.ErhatAngstvor Überwachungssystemen an sich. Schleppt sogar immer einen Störsender mit sich herum. Er ist selber schuld. Bermann und Tochter kommen gegen sieben oder acht Uhr abends. Dann beseitigen wir sie«, Nataschas Stimme blieb dabei unbewegt, »und warten dann bis einundzwanzig Uhr dreißig, um auf demselben Wege zu verschwinden. Wenn wir uns an den Plan halten, gibt es keine Probleme. Übernachten werden wir im Heim.«

»Vielleicht sollte man sich Eintrittskarten für den Park kaufen?«, schlug ich vor. »Dann hätten wir ein Alibi…«

»Was denn für ein Alibi? Wenn wir eine Eintrittskarte kaufen, vermerkt der Computer, wann wir reingehen und wann wir die Kuppel verlassen. Damit hätten wir eine gute Spur gelegt.«

»Wenn die Sache ruchbar wird, kann uns der Fahrer damit in Verbindung bringen«, meinte Lion. »Er wird uns verraten. Er ist doch hirnamputiert…«

»Elli hat gesagt, dass sich andere um den Fahrer kümmern würden«, schnitt ihm Natascha das Wort ab.

Ich erschrak.

»Was sagst du da?«

»Was du gehört hast!«

»Das war so nicht abgesprochen!«, schrie ich.

»Wir hatten gar nichts abgesprochen.« Nataschas Augen schauten zornig und wütend. »Es ist Krieg, Tikkirej, richtiger Krieg, verstehst du das?«

Ich verstand.

Wir selbst hatten ja auch nicht vor, mit Bermann und seiner Tochter zu plaudern und Tee zu trinken. Aber trotzdem… Dieser Oligarch wollte das Imperium verraten, der Fahrer war ein Hirnamputierter, ein Kranker, ein Unschuldiger.

»Es ist trotzdem nicht richtig«, meinte ich. »So etwas müssen wir nicht machen.«

»Aber anders würde es nicht gehen«, erwiderte Natascha. »So ist es im Krieg, stimmt’s, Lion?«

Lion wandte sich ab und sagte nichts. Weder zu mir noch zu Natascha.

Ich führte die Diskussion nicht weiter.

Wir gingen an der Kuppel entlang und schauten unwillkürlich auf die Welt hinter der durchsichtigen Wand. Dort wuchsen ungewöhnlich aussehende Bäume mit sehr dunklem Blattwerk und gefiederten ringförmigen Stämmen. Manchmal blitzte zwischen den Blättern etwas Grelles auf — sicherlich die Schmetterlinge, aber es gelang uns nicht, sie richtig zu betrachten. Ich fand, dass es sich lohnte, in den Park zu gehen. Wenn alles gut ausgegangen war.

Und was wäre das im Klartext?

Wenn wir Bermann und seine Tochter getötet hatten?

Ich hätte am liebsten angefangen zu schluchzen, nicht zu weinen, sondern zu schluchzen wie ein kleines Kind. Man weint vor Leid, aber man schluchzt vor Hilflosigkeit.

»Die Wachen werden uns erschießen«, sagte Natascha plötzlich. »Ich glaube nicht, dass bei Elli alles klargeht. Ich glaube es einfach nicht!«

Augenblicklich verschwand meine Unruhe. Und wirklich! Wie kam ich eigentlich darauf, dass wir überhaupt an der Wache vorbeikommen würden? Was uns das selbstgefällige Mädchen Elli nicht alles versprochen hatte… Man würde uns sicher nicht gleich erschießen, wir würden ja nicht gegen die Wache kämpfen, aber wir würden bestimmt verhaftet. Vielleicht war das sogar die beste Variante. Den Befehl würden wir ausführen, aber wenn es uns nicht gelänge, die Aufgabe zu lösen, wäre es nicht unsere Schuld. Sie wären selbst daran schuld und würden in Zukunft solche Missionen nicht mehr Jugendlichen anvertrauen.