»Und das wäre?«, erkundigte sich Alexander düster.
»Unlogisch.«
Kapitel 3
Es roch nach verbranntem Fleisch. Es stank entsetzlich. Wenn Fleisch auf dem Herd anbrennt, ist das ein ganz anderer Geruch. Bestimmt kam es daher, dass gemeinsam mit dem Fleisch synthetischer Stoff verbrannte.
Der Kamin im großen Dinnersaal war gigantisch, als ob man ihn zum Braten von Ochsen konstruiert hätte. Jetzt lagen in den orangefarbenen Flammen der Gasdüsen des Kamins drei Säcke, vollgestopft mit Gefrierfleisch und Kleidung. Unserer Kleidung. Nicht nur Natascha, sondern auch Lion und ich mussten uns etwas aus Alexanders Garderobe anziehen — gut, dass sie so reichhaltig war. Ich behielt lediglich das Schlangenschwert — ich stellte mich stur und war durch nichts dazu zu bewegen, es ins Feuer zu werfen.
Wir sollten im Kamin verbrannt werden.
Das wäre ein überaus eigenartiges Vorgehen sowohl für den Multimillionär Bermann als auch für einen Phagen, der sich als Oligarch ausgab. Die Attentäter töten und ihre Körper verbrennen! Wie in einem historischen Roman. Wie in der Kriminalchronik eines zurückgebliebenen Planeten.
Wir standen vor dem Kamin. Ohne besonderen Grund. Das Feuer würde auch so herunterbrennen, warum also sollten wir diesen Gestank einatmen.
Aber wir blieben stehen…
Es wurde an die Tür geklopft. Eine aufgeregte Stimme fragte: »Mister Bermann? Sind Sie sicher, dass alles in Ordnung ist?«
Stasj zwinkerte mir zu und näherte sich der Tür. Er schnauzte ihn an (Mein Gott, dieser Herr Bermann hatte wirklich eine widerliche Stimme): »Junger Mann, verstehen Sie kein Lingua? Ich meditiere!«
Das war vielleicht eine Erklärung! Bei einem derartigen Gestank hätte man höchstens mit Gasmaske meditieren können! Aber der Diensthabende war nicht geneigt, sich mit dem Ehrengast der Präsidentin anzulegen.
»Es sind zu wenig Knochen«, meinte Stasj beunruhigt, als er zu uns zurückkam. »Das Fleisch ist zu gut.«
»Es verbrennt sowieso alles zu Asche«, maulte Alexander. Er war immer noch böse auf uns, besonders auf Lion, und auch auf Stasj.
Stasj zuckte mit den Schultern. Er drehte am Gasregler des Kamins, die Brenner fauchten und warfen Flammen.
»Vielleicht sollte man Calcium hinzufügen?«, schlug Natascha leise vor. »Na ja… Kreide oder so was… Wenn sie die Asche untersuchen…«
»Das werden sie«, stimmte Stasj zu. »Sascha, Lion! Im Kühlschrank steht Quark. Bringt ihn her. Und außerdem Multivitamintabletten aus unserer Apothekentasche.«
Die beiden schauten sich feindselig an und gingen hinaus. Stasj lachte leise. »Sie sehen sich an wie junge Wölfe. Macht nichts, gegen Abend werden sie Frieden geschlossen haben.«
»Glauben Sie?«, fragte Natascha interessiert.
»Oft beginnt eine Freundschaft mit ein paar blauen Flecken«, meinte Stasj nachdenklich. »Tja, sie werden es natürlich herausfinden. Die genaue Zusammensetzung menschlicher Asche können wir nicht imitieren. Aber wir gewinnen Zeit.«
»Viel?«, wollte ich wissen.
»Nein. Aber viel brauchen wir auch nicht. Am Nachmittag fliegen die Bermanns ab.«
»Und wir?«, fragte ich gespannt.
»Ihr auch. Im Gepäck, anders geht es nicht.«
»Ist Edem ein schöner Planet?«, erkundigte ich mich.
»Ja, in diesem Fall lügt der Name nicht… Warte, wieso Edem?« Stasj schüttelte den Kopf. »Tikkirej, wir fliegen nicht auf den Edem, sondern auf den Inej.«
»Oh!« Natascha war erschrocken.
»Auf den Edem oder einen beliebigen anderen Planeten des Imperiums lassen sie uns nicht«, erklärte Stasj. »Aber auf den Inej… warum auch nicht. Während der Flugdauer werden die Geheimdienste versuchen, endgültig zu klären, was passiert ist. Sollen sie nur…«
Er lächelte.
Lion und Alexander kamen zurück. Sie warfen eine Packung Diätquark, Tabletten und ein tiefgefrorenes Huhn ins Kaminfeuer.
Stasj schüttelte den Kopf, protestierte aber nicht gegen das Huhn. »Wenn alles Kopf steht, kann man sich auch mal eine Dummheit erlauben. Das reicht, Jungs. Geht, ihr habt genügend Qualm eingeatmet. Ich warte hier, bis alles runtergebrannt ist.«
»Die echten hätten noch mehr gestunken«, stichelte Alexander. Es sah ganz so aus, als ob ihn die Niederlage bei der Schlägerei mit Lion sehr mitnahm.
»Warum bist du nur so boshaft?«, fragte Natascha plötzlich. »Du bist doch ein Phag.«
Alexander nahm einen anderen Ausdruck an und schwieg.
An seiner statt antwortete Stasj: »Leider ist er genau deshalb so boshaft. Geht, Kinder.« Nach einer halben Stunde — Stasj war noch im Dinnersaal und verbrannte im Kamin »unsere Überreste« — unterhielten wir uns schon wieder normal mit Alexander. Entweder hatte er sich wirklich beruhigt oder sich zusammengerissen. Er saß im Sessel und schwang Reden. »Das ist ganz einfach, da ist gar nichts dabei. Wenn die Grundausbildung beendet ist, wird ein Praktikant mit einer richtigen Aufgabe betraut. Natürlich versucht man etwas Einfacheres auszuwählen, aber dieses Mal wurde auf jeden Fall ein Junge gebraucht… also ein Mädchen, aber woher sollte man ein ausgebildetes Mädchen nehmen? Ich absolvierte einen Schnellkurs in Maskenbildnerei, als Test verbrachte ich sogar drei Tage im Mädcheninternat der heiligen Ursula. Es ging gut, niemand schöpfte Verdacht, wer ich war. Dann flogen wir zum Edem und verbrachten dort eine Woche in der Villa der Bermanns gemeinsam mit ihnen. Die waren vielleicht wütend… besonders Alexandra. Na und, bald beruhigten sie sich und waren uns sogar behilflich.«
»Und der Ausdruck ›na und‹ — ist der auch von Alexandra?«, machte sich Lion lustig.
»Natürlich. Phagen benutzen keine Füllwörter, die verräterisch sind.«
Lion schüttelte den Kopf, aber dieses Mal vor Begeisterung.
»Alex, darf ich…« Natascha, die schon lange um den Standspiegel herumgeschlichen war, blickte zu den Cremedosen.
»Selbstverständlich«, sagte er. »Von diesem Zeug habe ich massenhaft… Einen ganzen Abend habe ich mir eingebläut, was wohin geschmiert wird. Probier dieses Peeling da, mit zerstoßenen Muscheln und Lotusextrakt.«
»Und, wirkt es irgendwie besonders?«, fragte Natascha.
»Natürlich nicht. Ist doch egal, ob es Muschel oder Nussschale ist. Aber eine Dose kostet vierhundert Kredit.«
Natascha stieß einen Schrei aus und fing sofort an, ihr Gesicht einzureiben.
Alex wandte sich wieder zu uns: »Dann verließen wir heimlich den Edem. Die echten Bermanns planten, an ihrer Stelle Zwillinge dazulassen. Ehrlich gesagt, kamen wir unter dem Deckmantel der Zwillinge auch zu ihnen. Nur, dass wir jetzt alles umgedreht machten — heimlich flogen wir nach Neu- Kuweit, und die Bermanns blieben in ihrer Villa, um sich selbst zu spielen. Sie sind etwas extravagant, also haben ihre Mätzchen niemanden erstaunt.«
»Und was wolltet ihr auf Neu-Kuweit machen?«, erkundigte ich mich.
»Auf keinen Fall euch retten… Ich weiß es nicht, Stasj leitet die Operation. Aber selbst wenn ich es wüsste, würde ich nichts sagen.«
»Ihr wolltet euch sicher mit der Präsidentin des Inej treffen und sie dabei töten?«, überlegte Lion. »Aber…«
»Aber alle sagen, dass man sie nicht töten kann.« Alex nickte. »Das ist es. Es wäre nicht schlecht, das herauszufinden.«
»Und, ist es euch gelungen?«, fragte Lion weiter.
»Gar nichts ist gelungen. Die Präsidentin hat uns nicht empfangen, sie hat ihre Berater vorgeschickt. Um auf dem Platz ihre Prophezeiungen unters Volk zu bringen, dafür hat ihre Zeit gereicht…« Alex’ Gesicht war wütend und angespannt. Er wusste natürlich, wie Tien erniedrigt worden war. Das konnte er Inna Snow nicht verzeihen.
Ich fand, dass Alex eigentlich gar nicht so übel war. Boshaft — das stimmt, aber was konnte man schon erwarten, wenn einer von Geburt an in Zucht gehalten wird und lernt, sich zu verstellen und zu töten. Alex kannte ja nicht einmal seine Eltern, er wurde praktisch im Reagenzglas geboren. Er kannte nur Erzieher und Lehrer. Bis zum dritten Lebensjahr auch noch die Kinderfrauen, sie allein durften liebevoll mit den kleinen Phagen umgehen.