Выбрать главу

Tiefe Reifenprofile, in deren lehmigen Vertiefungen sich das Wasser der jüngsten Regenfälle gesammelt hatte, zeugten von einer nicht lange zurückliegenden Benutzung. War es wirklich das gesuchte Fahrzeug gewesen, das seine Spuren hier im feuchten Waldboden hinterlassen hatte?

Und falls ja, würde es ihn auch auf der Suche nach Sandy weiterbringen?

Ein letztes Mal wollte er sie anrufen, es noch einmal probieren. Er griff in seine Hosentasche.

Mist.

Er hatte das Telefon im Wagen auf dem Beifahrersitz liegenlassen. Kurz erwog er, noch einmal umzukehren und es zu holen, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Lieber wollte er zusehen, so schnell wie möglich eine Spur seiner Freundin zu finden.

Wie angewurzelt blieb er stehen. Langsam ließ er sich in die Hocke sinken und betrachtete den großen Schatten, den er, etwa zwanzig Meter voraus, mitten auf dem Weg zu sehen glaubte.

Ohne dass er hätte sagen können, wovor er sich tatsächlich fürchtete, beschleunigte sich sein Pulsschlag und ein seltsames Gefühl beschlich ihn.

Reglos hockte er in der Dunkelheit, starrte auf den Schatten.

Hatte er gerade eine Bewegung gesehen?

Nein da ist nichts. Der Nebel spielt mir einen Streich.

Sorgsam darauf bedacht, möglichst kein unnötiges Geräusch zu verursachen, erhob er sich und setzte seinen Weg fort.

Seine Knie zitterten bei jedem Schritt, während er behutsam einen Fuß vor den nächsten setzte. Ein Zweig zerbrach unter seiner Schuhsohle, das krachende Geräusch ließ ihn zusammenzucken.

Ronnies Blick streifte den Schatten.

Ruckartig erwachte dieser aus seiner Starre und bewegte sich in rasendem Tempo auf Ronnie zu, der mit einem halsbrecherischen Satz den Weg verließ. Doch bevor er hinter einem der Farne in Deckung gehen konnte, huschte der Schatten schnell wie ein Pfeil an ihm vorbei, brach lautstark durch das Unterholz und verschwand in der schützenden Dunkelheit des Waldes.

Erleichtert atmete Ronnie auf.

Er sah hinüber zu der Stelle, an der das Reh in den Büschen verschwunden war.

Und machte eine überraschende Entdeckung.

KAPITEL 27

Zum zweiten Mal an diesem Abend erwachte Sandy aus einer Äthernarkose. Die Hammerschläge in ihrem Kopf waren noch schlimmer als beim ersten Mal, so dass sie die Augen zunächst geschlossen hielt.

Das Letzte, woran sie sich erinnerte war, dass sie in der völligen Dunkelheit dieses Sarges gelegen hatte. Irgendwann wurde der Deckel geöffnet und das grelle Licht einer Lampe blendete sie. Noch bevor sie sich darauf hatte einstellen können, drückte ihr erneut jemand einen dieser stinkenden Lappen auf Mund und Nase, woraufhin sie binnen Sekunden das Bewusstsein verloren hatte.

Doch trotz einiger Erinnerungslücken erkannte sie, dass sich an ihrer Lage etwas verändert hatte. Offenbar befand sie sich nicht mehr in dem engen Sarg. Sie lag auf einem weichen Untergrund, vielleicht einem Bett oder einem Sofa.

Vorsichtig versuchte sie, ihre Hände zu bewegen. Doch diese waren noch immer vor ihrem Körper zusammengebunden. Auch an ihren Fußknöcheln spürte sie nach wie vor eng anliegende Fesseln, die im Gegensatz zu vorher jedoch aus Metall zu bestehen schienen, das kalt und unnachgiebig gegen ihre Haut drückte. Zudem waren ihre Beine auseinandergespreizt.

Trotz der heftigen Kopfschmerzen öffnete sie langsam die Augen. Tatsächlich war jeder ihrer beiden Fußknöchel in einer Art Eisenmanschette gefangen. Eine Metallstange von etwa einem halben Meter Länge verband beide Manschetten miteinander und verhinderte, dass Sandy ihre Beine schließen konnte.

Sie blickte an ihrem Körper herab. Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass sie nicht nackt war. Sie konnte nicht sagen wieso, aber aus irgendeinem Grund hatte sie so etwas befürchtet.

Dennoch versetzte ihr der Anblick der Kleidungsstücke an ihrem Körper einen Schock. Die knappen Shorts und das T-Shirt mit dem ausgefransten Saum, das den Blick auf ihren Bauchnabel freigab – beides gehörte nicht ihr.

Ihre Entführer hatten ihr also neue Kleidung angezogen, während sie bewusstlos gewesen war.

Und da sie außerdem spürte, dass sie unter der Kleidung keine Unterwäsche trug, bedeutete dies, dass die beiden sie nackt gesehen hatten. Sie mochte gar nicht daran denken, was diese Typen möglicherweise mit ihr angestellt hatten, während Sandys nackter Körper völlig wehrlos vor ihnen gelegen hatte.

Soweit sie sehen konnte, waren die Kleidungsstücke, die sie trug, nicht neu. Insbesondere das ehemals weiße Shirt hatte einen gräulichen Schleier angenommen und Sandy wurde übel bei der Vorstellung daran, wie viele Mädchen vor ihr in eben dieser Kleidung bereits auf demselben Sofa gelegen haben mochten.

Und bei dem Gedanken an das, was anschließend mit ihnen geschehen war.

Sie wischte den Gedanken beiseite und konzentrierte sich so gut es ging auf die seltsamen Geräusche ihrer Umgebung. Sie hörte ein tiefes, sonores Brummen, das aus der Ferne an ihre Ohren drang.

Feuchte, kalte Luft streichelte über ihre Arme und Beine. Sie zitterte. Schmerzhafter denn je spürte sie die Fesseln, die sich trotz ihres behutsamen Ziehens keinen Millimeter lockerten.

Und sie war allein.

Von ihren Entführern war nichts zu sehen. Dennoch hatten diese sie hierher verschleppt und gefesselt zurückgelassen.

Ihr Blick schweifte umher. Sie befand sich in einem Raum, bei dem es sich offensichtlich um einen alten Gewölbekeller handelte. Er wurde von flackerndem Licht erfüllt, das seinen Ursprung in einem Fernsehgerät hatte, auf dem gerade ein stummgeschalteter Film lief. Die dargestellte Szene zeigte eine im Freien stattfindende Hochzeit, die aber in diesem Augenblick von einem heftigen Unwetter überrascht wurde. Jemand sprang mitten durch die Hochzeitstorte hindurch, während die aufgeregte Gästeschar panikartig die Flucht ergriff.

Immerhin haben sie den Fernseher angelassen. Fehlt nur noch eine Pizza, versuchte sie sich selbst ein wenig aufzuheitern.

Doch der Versuch misslang.

Wie sie bereits vermutet hatte, lag sie tatsächlich auf einem Sofa. Der Bezug bestand aus beigefarbenem Cord, starrte vor Dreck und war mit großen und kleinen Löchern geradezu übersät. Sandy fielen die zahlreichen Flecken auf.

Die Erkenntnis traf sie wie ein heranfliegendes Messer. Eine Welle von Panik schwappte über sie hinweg. Tränen schossen ihr in die Augen und kullerten über ihre Wangen.

Diese Flecken – das ist Blut. Getrocknetes Blut.

„Ihr Arschlöcher!“ Mit aller Kraft zerrte sie an ihren Fesseln. „Lasst mich sofort hier raus! Ihr verdammten Schweine!“

Hatte sie die aufkeimende Panik bisher noch erstaunlich gut unter Kontrolle gehabt, so brachen die Ereignisse der letzten Stunden in diesem Moment wie ein Tsunami über sie herein. Sie schluchzte und konnte die Tränenflut nun nicht mehr zurückhalten.

Doch als sie die Stimme hörte, die durch den Keller hallte, versiegten die Tränen schlagartig. Stattdessen krampften sich ihre Organe zusammen und ein riesiger Kloß im Hals machte ihr das Atmen beinahe unmöglich.

„Hör mit der Heulerei auf, hier unten kann dich sowieso niemand hören.“

KAPITEL 28

Die enge Schneise war beinahe unsichtbar. Insbesondere jetzt, wo der Nebel von Minute zu Minute dichter wurde und der Mond immer wieder hinter dichten Wolken verschwand, war sie kaum zu erkennen.

Ronnie überquerte den Weg und betrachtete den zugewucherten Pfad. Er war etwa zwei Meter breit und von einem kniehohen Teppich aus Gräsern und Pflanzen bedeckt. Das alles hätte ihn nicht weiter interessiert, wäre ihm nicht noch etwas anderes aufgefallen.